Protocol of the Session on March 16, 2010

- Oder mehr. Herr Thümler, wie Sie völlig richtig sagen: Oder länger! - Natürlich gibt es dann nach drei, vier oder fünf Jahrzehnten eine Reihe schönerer, hellerer, hübscherer, modernerer Gebäude in der Umgebung. Aber das ist doch für uns kein Grund, es dann abzureißen. Mit Verlaub - draußen würde ich sagen: Das ist irre. - Hier sage ich: Das ist unvernünftig! - Natürlich ist es richtig: Nach drei oder vier Jahrzehnten sollte dann auch einmal eine Dachreparatur drin sein - das scheint offensichtlich nötig zu sein - und auch eine neue Heizung.

(Ulf Thiele [CDU]: Aber Sie sagen doch Nein!)

Aber wir sind dagegen, dieses Gebäude, nur weil es scheinbar nicht mehr zeitgemäß sei, abzureißen oder völlig zu entkernen und de facto neu zu bauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Beides wird mehr als 45 Millionen kosten. Darauf wetten wir gemeinsam mit wöchentlich immer mehr Bürgern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke ist also die Stimme der konservativen Vernunft in Sachen Parlamentsbau,

(Lachen bei der CDU)

und sie ist damit, wie Sie wissen oder zumindest ahnen, auch die Stimme des Volkes, weil das Volk nämlich vernünftig ist; denn sonst wäre die Demokratie ja nicht vernünftig.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Da kom- men wir der Sache schon näher!)

Weil Sie, meine Damen und Herren, das ahnen, waren Sie so bemüht, im Parlament gegen diese von Ihnen zu Recht geahnte Volksstimmung eine möglichst breite Mehrheit, ein breites Kreuz gegen die Stimmung im Land herzustellen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da waren die Linken ja auch dabei!)

- Die Linken waren wie immer, wenn es um die ganz großen Hartz IV/Afghanistan-Koalitionen

geht, auch in dieser Sache außen vor. Das war Ihnen auch egal. Uns ist das recht.

Was ist nun dabei herausgekommen? Diese ganz große Koalition will auf jeden Fall - das werden wir nachher gemeinsam feststellen - die große Lösung, und zwar egal, was dabei herauskommt: Entweder Palazzo protzo oder der Palazzo schlitzo! Auf jeden Fall wird es eine Lösung sein, die im Kern bedeutet: Weg mit dem, was einige Jahrzehnte hier stand. - Darüber wünschten Sie dann sogar eine Änderung der Geschäftsordnung, damit Sie das Ding so bauen können, dass es nicht unbedingt der absoluten Mehrheit bedarf. Wir haben gesagt: Na gut, wir stehen diesem Herzenswunsch dann nicht im Wege. - Das mögliche Ergebnis wird aber sein, dass dieser Palazzo protzo oder Palazzo schlitzo ohne die absolute Mehrheit der Stimmen dieses Hauses zustande kommt.

(Heiner Schönecke [CDU]: Warten Sie doch erst einmal ab!)

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Jedes Gesetz, jeder einfache Entschließungsantrag in diesem Hause braucht diese absolute Mehrheit. Sie aber gehen bewusst das Risiko ein: Diese scheinbar so wichtige Entscheidung braucht diese absolute Mehrheit nicht. - Das Wegschieben eines noch nicht einmal ein halbes Jahrhundert alten Gebäudes kann dann auch so passieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Da stellt sich natürlich die Frage: Warum macht man diesen Unsinn? - Ich möchte Ihnen einen Verdacht aus einer der vielen ungehörten Zuschriften dieses Landes äußern, die auch Sie und verschiedene Zeitungen erreicht haben. Der von mir hoch verehrte Herr Erhard - ich glaube, er sitzt auf einer der Tribünen -, ein alter Fahrensmann des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der also weiß, wo das Geld hier im Lande fehlt, hat, nachdem er sich darüber gewundert hat, was hier alles passiert, gesagt - ich zitiere -: Hinter der geplanten Übergröße des Plenarsaals versteckt sich das Gespenst eines irgendwann entstehenden Nordstaats. Einerseits wird Prunk und große Souveränität gegenüber anderen Ländern demonstriert. Andererseits könnte ein prachtvoller neuer Plenarsaal natürlich auch als Sitz eines künftigen Nordstaates infrage kommen. - Ich will das gar nicht weiter kommentieren. Das wäre aber zumindest eine Erklärung für den Unsinn, der sich heute hier abzeichnet.

Wir sind gegen das, was sich heute abzeichnet, und dafür, eine ganz einfache, klare niedersächsische Furche zu ziehen. Die Priorität in diesem Lande ruft nach Investitionen in Schulen, Krankenhäuser und Hochschulen. Wir sind für eine Renovierung, aber wir sind dagegen, dass es hier einen Totalabriss oder eine dem Totalabriss gleichkommende Totalentkernung dieses Hauses gibt. Bleibt also vernünftig, hört aufs Volk und lasst diesen Quatsch!

Schönen Dank.

(Starker Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Meyer von der SPDFraktion gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn kein Argument zu billig ist, um die eigene Argumentation zu stützen, dann nenne ich das blanken Populismus. Dieser blanke Populismus, den ich eben gerade gehört habe, kotzt mich an.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜ- NEN)

Gibt es den Wunsch nach Erwiderung? - Nein.

(Heiterkeit - Dr. Manfred Sohn [LIN- KE]: Die wäre unparlamentarisch!)

Meine Damen und Herren, ich halte das Haus einverstanden, dass wir damit die Blöcke für die Fraktionen - - -

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nein! Ich bin noch da! - Zurufe: Oh ja!)

- Herr Hagenah! Entschuldigung, das hatte ich nicht gesehen. Ich dachte, das wäre Ihre zweite Wortmeldung.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Nein!)

- Dann kommen Sie jetzt natürlich als Erster dran. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Meyer, das war nicht Populismus, das war ein Zeugnis davon, dass Herr Sohn scheinbar unter partieller Amnesie leidet;

(Björn Thümler [CDU]: Ja, sehr par- tiell!)

denn wir bekommen hier heute „Fundamentalismus“ von Ihnen, Herr Sohn, so definiert, dass man heute so und morgen so sein kann. Ich erinnere mich daran, wie Sie sich hier als Fraktion noch vehement für die offene Ausschreibung für 45 Millionen Euro eingesetzt haben. Das hat hier niemand vergessen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der SPD)

Damit greife ich auch gleich das auf, was Herr Möhrmann zum Jahr 2007 ausgeführt hat. Damals war ich schon in der Grünen-Fraktion. Ich weiß, was wir damals als Fraktion beschlossen haben. Es kann nicht angehen, dass Sie hier ein zugegeben interpretationsfähiges Zitat aus einer Zeitung im Land anführen, um unseren Fraktionsbeschluss umzudeuten. Wir haben damals auf Grundlage des Koch/Panse-Entwurfs, in dessen Jury ich im Jahre 2002 saß und für den ich mich deswegen in der Fraktion auch immer eingesetzt habe, diese Forderung gestellt. Ich erkenne immerhin an, dass heute eine breite Mehrheit in diesem Haus einen klimatechnisch korrekten Umbau will. Insofern haben wir damals auch etwas Richtiges gefordert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber eigentlich ärgert mich an den Vorstellungen heute am meisten - das andere ist eigentlich nicht überraschend - der Versuch der CDU, uns und die Öffentlichkeit mit einer neuen Variante des Haseund-Igel-Spiels vorzuführen. Sie, Herr McAllister, besetzen gleichzeitig das von Ihnen eigentlich gewünschte Ziel - den Abriss -, aber auch den Start mit angeblich billigen und damit wohl nur notdürftigen Maßnahmen im Bestand. Dieser extreme Spagat ist weder glaubwürdig noch vereinbar.

(Zuruf von David McAllister [CDU])

- Er ist nicht vereinbar! Ich will Ihnen auch erklären, dass Sie damit in die eigene Falle laufen. Wie Sie soeben erklärt haben, wollen diejenigen, die vorher, unter Punkt 2, Nein gesagt haben, anschließend für den Palazzo protzo stimmen. Wie soll denn das funktionieren? Damit machen Sie doch deutlich, dass Sie das Nein unter Punkt 2 nur wegen des öffentlichen Drucks und nicht aus Überzeugung sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist ein inszeniertes Doppelspiel, das die Bürgerinnen und Bürger nun wirklich nicht honorieren werden. Ihre Sorge, dass Ihnen der Palazzo prozzo während der kommenden Wahlkämpfe - bei der Kommunalwahl und auch 2012/2013 wegen des Landtags, der bis dahin noch nicht fertiggestellt sein wird -, auf die Füße fällt, ist durchaus berechtigt. Die Antwort darauf müsste aber eine andere sein, nämlich ein maßvoller Umgang mit der Substanz.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Also sind Sie gegen Platz 2?)

Anders als der Präsident sind wir überhaupt nicht der Meinung, dass alle Beschlussvarianten, die hier heute vorliegen, nach Recht und Gesetz sind oder dass das Verfahren transparent und in allen Schritten sorgfältig vorbereitet wurde. Da wurde getrickst und einseitig interpretiert, dass sich die Balken biegen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, so ist es!)

Ich muss aber zumindest die Originalität von Minister Möllring mit seinem Picasso-Bild honorieren, denn damit hat er für unser Bauproblem ein anschauliches Beispiel gefunden. Allerdings, Herr Möllring, wendet sich dieses Beispiel gegen den Urheber selbst; denn wer bei einem Picasso eine Ecke abschneidet - und nichts anderes wäre das Entfernen des Plenartraktes vom denkmalgeschützten Gesamtwerk Oesterlens -, handelt eben illegal. Insofern kommen Sie mit dem Wegschmeißen nicht aus der Tür. Sie werden die Klagen hier bekommen, und diese haben angesichts der Aussagen der Landesdenkmalschutzbehörde beste Rechtsaussichten, und das wissen Sie. Deswegen gibt es bei der Variante 2 von Ihrer Spitze her die Absetzbewegungen.

Ich möchte einen Weg aus der Sackgasse eröffnen und noch einmal für den Beschlusspunkt 3 B werben, in dem alles zusammengefasst ist: in dem die Klageandrohung eingebunden ist, in dem die teilweise berechtigte Kritik an der Denkmalgerechtigkeit des Entwurfs Gebhardt, die im Wesentlichen in der hier zu verantwortenden Ausschreibung begründet ist, eingebunden ist. Es geht also darum, Gebhardt zu überarbeiten, denkmalgerechter zu machen und mit Koch/Panse zusammenzubringen. Die Bereitschaft beider Büros dazu liegt vor. Sie haben darauf positiv reagiert. Die Anwälte von Koch/Panse haben dies aufgrund des Gesprächs, das wir am vorigen Freitag beim Präsidenten hat

ten, gegenüber den Fraktionen sogar noch einmal schriftlich niedergelegt. Das wäre ein Ausweg aus der verfahrenen Situation. Es würde verhindert, dass die Diskussion in den nächsten Jahren fortdauert und wir vielleicht drüben im Ausweichgebäude sitzen, während sich hier nichts tut, weil sich zunächst die Gerichte mit allem beschäftigen, und sich das Parlament insgesamt bis auf die Knochen blamiert.

Wir sind für den Entwurf von Gebhardt mit der Erweiterung, wie sie unter dem Beschlusspunkt 3 B zum Ausdruck kommt; denn kein anderer Preisträger hat uns eine Erklärung des von ihm hinzugezogenen Statikbüros für die praktische und kostenmäßige Umsetzbarkeit des Baukonzepts vorgelegt. Herr Möhrmann, das liegt sogar schriftlich vor. Das war nicht nur die kurze Bemerkung in der öffentlichen Anhörung vor einer Woche; vielmehr haben sowohl das Statikbüro als auch das Büro Gebhardt selbst dazu etwas schriftlich niedergelegt. Er hat ja auch bei der Vorstellung in der vorigen Woche seinen guten Ruf öffentlich in die Waagschale geworfen und uns mitgeteilt, dass man bei Einhaltung der Ausschreibungsbedingungen mindestens 10 %, ja bis zu 30 % unter dem Baukostenbudget in Höhe von 45 Millionen Euro bleiben kann. Dabei sind die Einsparmöglichkeiten nicht eingerechnet, die dann entstehen, wenn man denkmalgerechter baut.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und kei- ne Tiefgarage baut!)