Protocol of the Session on March 16, 2010

(Große Heiterkeit im ganzen Hause - Björn Thümler [CDU]: Frau Helmhold, Frau Helmhold! - Glocke des Präsi- denten)

Frau Kollegin, vielleicht können Sie kurz unterbrechen, bis sich die Heiterkeit gelegt hat.

Die Linke macht an dieser Stelle übrigens einen erstaunlichen Salto: von anfangs energischen Abrissbefürwortern bis hin zu der Gar-nichts-mehrmachen-Variante jetzt. Dieser seltsamen Melange, die sich heute aus der Verantwortung als Eigentümer dieses Gebäudes stehlen will, muss ich Folgendes entgegenhalten: Die Volksweisheit „Der arme Mann lebt teuer“ - die arme Frau übrigens auch - trifft bei diesem Gebäude in besonderer Weise zu.

Die unaufschiebbaren Reparaturmaßnahmen sind im Beschlussvorschlag aufgezählt. Übrigens, Herr McAllister, manches, was Sie aufgezählt haben, haben wir nicht in unserem gemeinsamen Beschlussvorschlag, z. B. die Belichtungsfrage; uns war wichtig, dass das vorne nicht aufgeführt ist;

(David McAllister [CDU]: Das war meine Meinung!)

ich wollte nur klarstellen, dass das nicht in dem gemeinsamen Beschlussvorschlag steht.

Die Kosten für die unaufschiebbaren Reparaturmaßnahmen plus den bei einer Nullvariante ausgelösten Schadenersatzansprüchen der Preisträger allein reichen schon an 25 Millionen Euro heran.

Selbst wenn wir dieses Geld ausgäben, würden die funktionalen Schwächen und viele betriebswirtschaftlich teure Bestandsprobleme die Nutzbarkeit dauerhaft weiter einschränken und die laufenden Kosten unnötig hoch halten. Deshalb, meine Damen und Herren, ist Nichtstun aus unserer Sicht keine Lösung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für uns ist klar: Ein Umbau des Plenarsaals ist aus sehr unterschiedlichen Gründen, die wir im Beschlussvorschlag aufgezählt haben, erforderlich. Ich nenne hier nur noch einmal alle anstehenden Reparaturen und die fehlende Barrierefreiheit.

Meine Damen und Herren, wir helfen Ihnen mit dem von uns eingebrachten Beschlussvorschlag unter Nr. 3 B, nämlich den jetzigen zweiten Preisträger gemeinsam mit dem Preisträger des Wettbewerbs von 2002 zu beauftragen, gern aus der Bredouille, in die der Landtagspräsident Sie mit seinem Verfahren gebracht hat. Das Umbaukonzept wäre für einen Betrag von maximal 35 Millionen Euro realisierbar, insbesondere dann, wenn wir auf eine Tiefgarage verzichten, wenn wir darauf verzichten, die Fassaden aufzuschlitzen, damit auch noch der letzte Besprechungsraum Tageslicht hat. Dann kämen wir mit einem deutlich reduzierten Kostenrahmen aus der Sache heraus.

Mit diesem Budget würden die Forderungen aus dem ersten Beschlusspunkt auf Grundlage des Entwurfs Gebhardt in Kooperation mit Koch/Panse erfüllt. Damit eröffnen wir die Chance, die Baukosten deutlich weiter zu senken, und würden vor allen Dingen die absehbaren Klagen und damit verbundene Zusatzkosten ganz vermeiden. Deswegen ist dies der sinnvollste Weg.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Übrigens, Herr McAllister, wir haben das immer gesagt. Auch wenn Sie noch so oft zitieren - ich glaube, es war aus der NWZ -

(David McAllister [CDU]: Weser- Kurier! Bleiben Sie bitte bei der Wahr- heit!)

- Weser-Kurier! -, wir haben immer gesagt: Wir wollen einen Neubau des Plenarsaals auf der Grundlage des Entwurfs des Preisträgers von 2002, nicht einen Abriss des Parlamentsgebäudes! Das sind doch zwei grundlegende Unterschiede.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Klimapalais!)

Einen Abriss mit anschließendem Tempelbau - das können Sie vor den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Niedersachsen nicht verantworten!

(Zuruf von der CDU: Nullenergiehaus - das hatte er gesagt!)

Was uns bei dieser Entscheidung gut ansteht, meine Damen und Herren, ist neben Bescheidenheit Sensibilität:

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

behutsamer Umgang mit und Respekt vor dem historischen Erbe, den Wünschen der Bevölkerung, den Steuermitteln und Oesterlens Baudenkmal, d. h. die Umsetzung der Variante 3 B, die ein Weiterbauen im Sinne Oesterlens ermöglicht. Wie sagte er zur Eröffnung dieses Hauses 1962: „In Ehrfurcht vor dem Alten, mit Mut zum Neuen.“ So sollten wir es halten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zustim- mung von Dörthe Weddige-Degen- hard [SPD])

Ich erteile dem Kollegen Schwarz von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Meines Erachtens hat es neben der Debatte um das Nichtraucherschutzgesetz keine emotionalere Diskussion gegeben als diese um den Landtagsneubau. Die beiden Debatten unterscheiden sich eigentlich nur in einem Punkt: Bei der Debatte um das Nichtraucherschutzgesetz war das ganze Land betroffen. Beim Landtagsneubau sind die Emotionen in erster Linie in der Region Hannover konzentriert.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wieso? Die Steuern müssen doch auch alle zah- len, Herr Schwarz!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir unterhalten uns über das wichtigste politische Gebäude im Land Niedersachsen. Ganz anders als Sie, verehrte Frau Helmhold, unterstelle ich, dass sich jeder von uns intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt und gute Gründe für seine Argumente hat.

Die Jury war mit Fachpreisrichtern, den Experten, besetzt, an deren Kompetenz und Seriosität nicht die Spur eines Zweifels aufgekommen ist.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

An der Meinung dieser Experten haben sich Fachpreisrichter ganz deutlich orientiert, was ja auch Sinn macht. Denn man hat als Politiker ja nicht unbedingt immer den Stein der Weisen in der Hand. Insofern kann ich ganz spezielle Kommentare in der öffentlichen Berichterstattung nicht nachvollziehen. Ich möchte den Betreffenden einmal ins Stammbuch schreiben: Politiker sind kein Freiwild, das man je nach eigenem Gusto jagen und vor sich her treiben kann.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD)

Wir haben in dem zweiten Architektenwettbewerb Vorgaben gemacht, die sich grundsätzlich von denen unterschieden, die vor zehn Jahren aktuell gewesen sind. Zur Entscheidung stehen definitiv zwei Entwürfe an - für den dritten hat sich bisher noch niemand ausgesprochen.

Für die FDP-Fraktion sind drei Dinge entscheidend: Kosten, Funktionalität und städtebauliche Entwicklung.

Zu den Kosten: Der Umbau im Bestand ist die mit Abstand risikoreichere Variante. Jeder, der jemals mit alter Bausubstanz umgegangen ist, weiß, dass es dabei immer und immer wieder zu Überraschungen kommt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

In aller Regel übersteigen die Kosten den Rahmen überdimensional. Dem wollen wir aus dem Wege gehen. Wir wollen ein Millionengrab verhindern. Wer sagt uns denn heute, was beim Einschneiden der sogenannten Schießschartenfenster passiert, ob es aufgrund der maroden Substanz plötzlich Risse nach sich zieht, die nicht mehr bearbeitet werden können?

Bei einem Neubau ist davon auszugehen, dass die Umsetzung im Kostenrahmen verlässlicher ist, vor allen Dingen, weil der zeitliche Faktor wesentlich leichter zu kalkulieren ist. Aus dem kommunalpolitischen Bereich weiß ich, dass eine Ausschreibung mit Festpreisgestaltung Sinn macht. Das dürfte sich bei einem Neubau leichter darstellen lassen als bei einem Umbau.

Zur Funktionalität: Ich habe in meinem ersten Redebeitrag vor ca. anderthalb Jahren darauf verwiesen, dass man bei einem Umbau in der Funktionalität von dem zu erhaltenden Baukörper abhängig sein wird. Genau so stellt sich das heute dar: Die Büro- und Besprechungsräume lassen sich über die sogenannten Schießschartenfenster nur eingeschränkt lüften. Der Raumzuschnitt ist mangelhaft. Welche Art von Möbeln soll dort eigentlich aufgestellt werden?

Die zahlreichen Stützen im Lobbybereich, im Restaurantbereich, im Besucherbereich - - -

(Zuruf von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE])

- Ich vermute, Sie haben sich damit nicht so intensiv beschäftigt, Frau Heinen-Kljajić.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Doch, sehr! - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Ist es zwingend, dass Sie die Räume schon jetzt möblie- ren?)

Die Freiheit, die Arbeitsabläufe effizient zu gestalten, besteht bei dem ersten Modell. Bei dem zweiten Modell spürt man eine Art Verkrampfung, um dem Denkmalschutz gerecht zu werden.

An dieser Stelle eine ganz kurze Anmerkung: Der Oesterlen-Bau ist ein denkmalgeschütztes Gebäude in toto. Es verdient nicht nur in der Fachwelt uneingeschränkten Respekt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Und deshalb kann man es abreißen lassen?)

Aber, Herr Jüttner, wenn man einen solch massiven Eingriff in ein Denkmal vornimmt, wie es hier beabsichtigt wird, dann verändert man die Idee des Architekten und den Charakter des Gebäudes dermaßen massiv, dass von dem Werk nichts mehr übrig bleibt. Dann hat man Oesterlen verhunzt. Das wäre so, als wenn Sie im Denkmal der Göttinger Sieben die Figur des Jacob Grimm durch eine Figur von Herbert Schmalstieg ersetzen würden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiterkeit - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Der Vergleich hinkt aber!)

Zur städtebaulichen Entwicklung: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lese immer von der „großen Mehrheit der Bevölkerung“. Interessant ist, dass es sich um die große Mehrheit der Bevölke

rung in der Region Hannover handelt. Auch interessant ist, dass diese „große Mehrheit“ den Umbau häufig deshalb bevorzugt, weil er kostengünstiger zu sein scheint. Das könnte aber, wie bereits angesprochen, ein fataler Trugschluss sein. Die „große Mehrheit“ spricht auch davon, dass man sich das „in der heutigen Zeit“ nicht erlauben könne. Wissen Sie, was in der heutigen Zeit alles passiert? - In der heutigen Zeit werden 25 Millionen Euro in den Anbau des Sprengel-Museums investiert. In der heutigen Zeit leistet es sich die Stadt Stuttgart, 80 Millionen Euro in den Neubau der Stadtbibliothek zu investieren. Und der Brandenburgische Landtag wird für 120 Millionen Euro neu gebaut. Man muss es ja nicht gerade so machen wie beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg für 300 Millionen Euro.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist ja auch ein Umbau!)