Beide Punkte sollen an den Ältestenrat überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich habe keine Signale bekommen, dass die Mittagspause verlängert werden soll. Ich gehe also davon aus, dass wir, wie geplant, um 14.30 Uhr mit der Sitzung fortfahren.
Herzlich willkommen, Herr Kollege Schwarz. Es ist auf die Sekunde genau 14.30 Uhr. Ich begrüße nicht nur Sie, Herr Schwarz, sondern auch alle anderen, die sich im Saal aufhalten, ganz herzlich.
Erste Beratung: Gründung eines landeseigenen Altlastenfonds in Niedersachsen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2171
Zur Einbringung hat sich von der Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Reichwaldt zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niedersachsen braucht einen Altlastenfonds, und das Land ist in der Pflicht. Laut offiziellen Angaben gibt es in Niedersachsen rund 83 000 Altlasten bzw. Verdachtsflächen. Es ist nicht unrealistisch, von wahrscheinlich über 100 000 Fällen zu reden. Sanierungen gibt es dagegen nur 1 100. Das ist ein denkbar schlechter Anteil. Was fehlt, sind gesetzliche Grundlagen für die Entsorgung. Wir erwarten von der Landesregierung endlich ein Konzept zur Lösung dieser Altlastenproblematik.
Andere Bundesländer gehen mit gutem Beispiel voran und haben unter Einbeziehung der Wirtschaft Altlastenfonds aufgebaut. Uns interessiert dabei nicht, wie welche Vorgängerregierung sich nicht mit diesem Problem auseinandergesetzt hat.
Den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, die auf den Kosten für die Sanierung zumindest zum großen Teil sitzen bleiben, muss endlich geholfen werden. Ein deutliches Beispiel dafür ist der DeHaën-Platz in Hannover. Auf dem alten Betriebsgelände der Chemiefabrik de Haën wurden diverse Chemikalien und sogenannte radiumhaltige Glühstrümpfe produziert. Dadurch wurde das Gelände durch Radon, ein gasförmiges Abfallprodukt von Radium, aber auch durch Schwermetalle und Arsen belastet.
Das Gelände wurde um 1900 aufgegeben; Nachfolgefirma ist heute der US-Konzern Honeywell. Seit Langem gibt es Informationen über vorliegende Belastungen, die weder von der Stadt noch von der Region Hannover ausreichend bearbeitet und veröffentlicht wurden. Die Belastungen am DeHaën-Platz in Hannovers Stadtteil List sind Ende 2007 mehr durch Zufall ans Licht gekommen, weil historische Hinweise auf Radonbelastung bei der jetzigen Nachfolgefirma gefunden wurden. 45 Grundstücke sind belastet. Die insgesamt geschätzten Sanierungskosten betragen in Abhängigkeit von der Sanierungstiefe zwischen 4 und 12 Millionen Euro allein für die privaten Flächen.
Die Eigentümerinnen und Eigentümer, die an den radioaktiven und chemischen Belastungen des Bodens völlig unschuldig sind, sollen nach den Vorstellungen der Region und der Landeshauptstadt neben dem Wertverlust ihrer Wohnungen, der im fünfstelligen Bereich liegt, auch noch den Löwenanteil der Sanierungskosten übernehmen. Viele Mitglieder der Bürgerinitiative, über deren Petition wir hier am Mittwoch abgestimmt haben, haben ihre Wohnung erst in den letzten Jahren gekauft. Sie haben sich neben ihren weiteren Verpflichtungen verschuldet und müssen Zins und Tilgung tragen. Für viele gibt es keinen finanziellen Spielraum.
Die Stadt hat die Vergiftung des Bodens durch die Chemiefabrik zugelassen und 40 Jahre lang gute Gewerbesteuern von de Haën kassiert und anschließend auf der Brachfläche Wohnungsbau ermöglicht. Eine ausreichende Sanierung ist nur möglich, wenn der Austausch von deutlich mehr Boden angestrebt wird, da die jetzt von Region und Stadt favorisierte Bodenaushubhöhe von 35 cm die Gefahren nicht beseitigt, sondern gerade den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Teilweise betragen die belasteten Bodenauffüllungen bis 1,60 m Tiefe. Wir sehen das Land Niedersachsen in der Pflicht, da die von Stadt und
Lösungsmodelle aus Bayern und Baden-Württemberg, NRW oder auch der Schweiz zeigen, wie betroffene Anwohner tatkräftige Hilfe aus landeseigenen Fonds bekommen können.
Wir fordern neben einem landeseigenen Fonds eine Bundesratsinitiative zu einem bundesweiten Altlastenfonds, in den der niedersächsische Anteil eingehen könnte.
Die Anwohner des De-Haën-Platzes brauchen jedoch auch kurzfristige Hilfe durch außerplanmäßige Mittel in Höhe von 1 Million Euro, die für die Sanierung der privaten Flächen eingesetzt werden.
Der vorliegende Antrag der SPD, der fast identisch ist mit einem Antrag aus dem letzten Jahr, geht uns nicht weit genug. Wir zweifeln, ob allein ein kontinuierlicher Arbeitskreis weiterhelfen kann. Die Problematik wird jedoch auch in diesem Antrag richtig beschrieben.
Noch ein paar Sätze zur Finanzierung insgesamt: Wie so oft, werden auch bei der Sanierung von Altlasten die Kommunen im Regen stehen gelassen. Zur Lösung wäre auch hier der Altlastenfonds Bayern beispielhaft. Über den kommunalen Finanzausgleich werden 2 Euro pro Jahr und Einwohner zur Verfügung gestellt.
Nichtstun führt zu Folgeproblemen ohne Ende. Bei notwendigen Investitionen im Bildungsbereich sage ich immer: Wer im Bildungsbereich spart, macht Schulden für die Zukunft. - Das ist keine aus der Luft gegriffene These. Es gibt Untersuchungen, die die Folgekosten durch die angeblichen Sparzwänge im Bildungsbereich genau berechnen. Sie sind gewaltig. Diese These ist auf unser heutiges Thema übertragbar. Mein Kollege Kurt Herzog hat schon im Umweltausschuss darauf hingewiesen: Altlasten sind ökologische Schulden, die auch an kommende Generationen weitergegeben werden.
Bis zur Einführung einer bundesweiten Regelung braucht auch Niedersachsen einen Altlastenfonds mit Beteiligung der Verursacher. Aber die vielen Initiativen der Opposition zum Thema Altlasten und die Front der Verweigerung auf der rechten Seite dieses Hauses sagen mir: Sie wollen nichts tun!
Lassen Sie mich noch einmal meinen Kollegen Kurt Herzog aus der Plenarsitzung vom 15. Januar 2009 zitieren:
Trotzdem hoffen wir immer noch auf ein produktive und positive Beratung dieser beiden Anträge im Umweltausschuss.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben es sicherlich bemerkt: Wir haben unseren Antrag aus dem letzten Jahr erneut eingebracht. Wir halten an unserer Forderung zur Einrichtung eines Altlastenfonds für Niedersachsen fest,
und wir fordern Sie, meine Damen und Herren von der CDU, auf, über Ihren Schatten zu springen und diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Wir laden natürlich auch die FDP ein; aber ich bin mir nicht sicher, ob das gelingen wird.
Meine Damen und Herren, ein bisschen haben Sie sich ja schon bewegt. Das hat uns sehr gefreut. Unmittelbar nach der ersten Ablehnung unseres Antrages haben Sie im letzten Jahr einen Altlastenfonds aus Konjunkturmitteln aufgelegt und ihn immerhin mit 7 Millionen Euro dotiert. Auch wenn die Ausstattung dieses Fonds nicht sehr überzeugend war und die Mittel trotz des sehr eingeschränkten Zugangs sehr schnell um ein Vielfaches überzeichnet waren, war das sicherlich der erste Schritt in die richtige Richtung.
Meine Damen und Herren, bei dem Problem, über das wir hier sprechen, haben wir ein Problem vor uns - Sie wissen es -, das sehr groß ist. Niedersachsen ist das zweitgrößte Flächenland und hat aufgrund seiner Struktur den größten Sanierungsbedarf bezogen auf Altlasten. Ich will jetzt nicht noch einmal zwischen Altablagerungen und Altstandorten differenzieren; auch darüber haben wir schon einige Male gesprochen. Niedersachsen hat den größten Sanierungsbedarf und liegt, was die Sanierungsquote anbelangt, hinten, und zwar ganz weit hinten. Diese Probleme lösen sich nicht von alleine auf.
Ganz im Gegenteil: Alte Fässer rosten, alte Verpackungen lösen sich in der Tat, und mit den Jahren dringt immer mehr Gift direkt in Boden und Wasser. Mit jedem Jahr, das man wartet, werden die Probleme mit verseuchtem Erdreich und vergiftetem Wasser größer. Wir sehen es am De-HaënPlatz. Meine Kollegin ist eben schon darauf eingegangen. Wir sehen das aber auch in erschreckendem Maße an vielen alten Deponien und gerade auch an alten Industriestandorten.
Meine Damen und Herren, Boden und Wasser sind nicht vermehrbar. Sie haben ein langes Gedächtnis. Sie müssen geschont, geschützt und ganz dringend saniert werden.
Herr Sander, Sie werden gleich wieder das Märchen von der gescheiterten Abfallabgabe und der verschreckten Wirtschaft erzählen und versuchen, sich dahinter zu verstecken. Dabei werden Sie geflissentlich übersehen, dass es die damalige Bundesumweltministerin Frau Merkel war, die mit ihrer bundesgesetzlichen Regelung die Abfallgesetze vieler Bundesländer kippte. Obwohl es richtig peinlich ist, werden Sie nicht müde, sich hinter dieser fadenscheinigen Verdrehung zu verstecken.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur raten: Folgen Sie dieser Argumentation Ihres Antiumweltministers nicht! Sie haben da den Bock zum Gärtner gemacht. Er könnte vielleicht erfolgreich verhandeln, aber er will doch gar keinen Erfolg mit der Wirtschaft erreichen. Er hat auch gar kein Interesse daran, etwas unter Beteiligung seiner Klientel durchzusetzen. Da sind ihm die billigsten Argumente wirklich nicht zu schade.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind da doch schon viel weiter. Das zeigen zum einen die mit EU-Mitteln finanzierte Brachflächenrichtlinie und zum anderen der Fonds aus dem letzten Jahr. Das zeigen auch die Äußerungen Ihrer Bundestagsabgeordneten Rita Pawelski aus den letzten Wochen. Zwar war die Idee, einen bundesweiten Fonds einzurichten, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Herr Röttgen - Sie werden es der Presse entnommen haben - hat ja auch sofort reagiert und die Rechtslage klargestellt. Aber die Begründung von Frau Pawelksi war doch völlig richtig, und die wird auch jetzt nach zwei Wochen noch gelten. Frau Pawelski hat recht, wenn sie sagt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner belasteter Flächen mit den Kosten einer Sanierung völlig überfordert sind. Diese Menschen brauchen Hilfe, genau wie die Kommunen, die die Lasten nicht alleine tragen können.
Herr Toepffer hat sich dieser Argumentation ja auch öffentlich angeschlossen. Aber bei Ihnen, Herr Toepffer, ist wirklich nur schwer auszumachen, was Sie wirklich meinen. Anlass zum Zweifel geben Ihre jüngsten Äußerungen zur Umweltzone. Trotz klarer Rechtslage machen Sie den Menschen mit alten Autos Hoffnung, obwohl Sie wissen, dass auch dieser Vorstoß zum Scheitern verurteilt ist. Bei solchen Aktionen fällt es wirklich schwer, Ihnen zu glauben. Leider.