Protocol of the Session on February 18, 2010

Das wird dem Schicksal behinderter Menschen, ob körperlich oder geistig behindert, einfach nicht gerecht. Das liegt nicht daran, wie wir hier miteinander den richtigen gesetzlichen Weg beschreiten wollen.

Meine Damen und Herren, unsere Initiative nimmt Bezug auf die UN-Menschenrechtskonvention für

behinderte Menschen und auf das Bestreben des Bundes, aber natürlich auch der Bundesländer und damit auch Niedersachsens, die Eingliederungshilfe für wesentlich behinderte Menschen zu modernisieren. Für unsere Arbeit bedeutet das einen weiteren Schritt der vielfältigen Verbesserung in der Politik für Menschen mit Behinderungen, wie sie auch in unserem Entschließungsantrag beispielhaft genannt wurden.

Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Antrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion wollen wir deshalb dazu beitragen, dass die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen entsprechend weiterentwickelt wird. Das ist eine stetige Aufgabe sowohl des Landes als auch des Bundes. Der Bund ist gefordert; denn es geht auch darum, die in diesem Antrag genannten gesetzlichen Initiativen in Berlin, in der neuen Legislaturperiode des Bundestages, entsprechend fortzuschreiben. Es geht selbstverständlich auch darum, dass Begriffe verstärkt mit Leben gefüllt werden müssen, wie beispielsweise die in diesem Zusammenhang häufig genannte Formulierung „Teilhabe“ oder auch das Wort „Selbstbestimmung“.

In der Diskussion wurde von allen Seiten verdeutlicht, dass es ein unumstrittenes Ziel ist, Menschen mit Behinderungen genauso wie Menschen ohne Behinderungen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben uneingeschränkt zu ermöglichen. Hier sind wir als Niedersachsen ebenso gefordert wie der Bund, der in der Pflicht ist; denn vieles muss gemeinsam auf den Weg gebracht werden, beispielsweise die Entwicklung von Maßstäben für praktikable, möglichst bundesweit vergleichbare und auf Teilhabe beruhende Verfahren der Bedarfsermittlung. Dazu gehört ebenso die Trennung der Leistung zum Lebensunterhalt einschließlich der Fachleistung der Eingliederungshilfe oder beispielsweise auch die Förderung des trägerübergreifenden persönlichen Budgets.

Für die CDU-Fraktion sind natürlich Fragen des Wohnens und der Tagesstruktur für ältere Menschen mit Behinderungen ein besonderes Thema. In diesem Zusammenhang möchten wir an dieser Stelle auch auf die Menschen aufmerksam machen, die hier einen sehr hohen Hilfebedarf haben. Aber es gibt eben auch weiterhin Aufgaben, die mit dem Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz aus dem Jahre 2009 noch nicht abgeschlossen sind. Hier geht es darum, an die bisherigen Ergebnisse anzuknüpfen und darauf aufbauend im beschriebenen Sinne die entsprechenden

Voraussetzungen, soweit diese in der Zuständigkeit des Landes liegen, zu gewährleisten.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an das Thema Wohnraumförderungsgesetz erinnern, bei dem wir sehr wohl auch die Interessen der behinderten Menschen berücksichtigen. Wir alle wissen, dass es originäre Aufgabe der Kommune ist, die Wohnraumversorgung sicherzustellen. Die niedersächsischen Kommunen nehmen diese Aufgabe wahr, und zwar für alle Bürgerinnen und Bürger, selbstverständlich auch für Menschen mit Behinderungen. Sie wohnen genauso wie jeder nicht behinderte Mensch in angemietetem oder in Eigentum befindlichem Wohnraum - allein, zu zweit, mit der Familie oder auch in einer Wohngemeinschaft. Etwas anders verhält es sich bei den behinderten Menschen, deren Einschränkungen so ausgeprägt sind, dass sie Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe zum Wohnen haben. Dabei sind - das möchte ich ausdrücklich betonen - die Form und das Ausmaß der notwendigen Unterstützung sehr unterschiedlich zu bewerten.

In dem Antrag der Grünen wird angeführt, dass 28 von 1 000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Heim untergebracht sind. Ich will Ihnen deutlich machen, dass es einer erheblichen Zeitphase bedarf, bis eine gewünschte Veränderung herbeigeführt wird. Denn für viele Menschen, die über Jahre hinweg in einem Heim betreut wurden und sich auf die Hilfestellung anderer verlassen haben, ist es nicht so einfach und schon gar nicht selbstverständlich, neue Wohnformen wahrzunehmen.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Deshalb betrachten wir es auch mit Blick auf die ins Auge gefasste Novellierung des Niedersächsischen Baugesetzbuches als Herausforderung, hier entsprechend zu wirken. In den demnächst anstehenden Beratungen wird es sehr darauf ankommen, die Interessenlage von behinderten Menschen in den Fokus zu nehmen und bei der Beschlussfassung darauf zu achten, dass ihre Interessen berücksichtigt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach unserer Auffassung wird dies in unserem Antrag deutlich besser hervorgehoben als in den Anträgen der SPD-Fraktion oder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wenn es so ist, wie Sie, Frau Groskurt, es gesagt haben, dass hier nämlich eine große Übereinstimmung besteht, dann bin ich sehr gespannt

darauf, wie Sie angesichts dieser Einschätzung mit dem CDU/FDP-Antrag umgehen. Sie haben hier schließlich deutlich gemacht: Egal, wie wir mit Ihrem Antrag umgehen, Sie würden unseren Antrag unterstützen, weil Sie sich in ihm wiederfinden. - Nur das kann doch der logische Schluss Ihrer Ausführungen sein.

(Beifall bei der CDU)

Das macht deutlich, dass unser Antrag erheblich besser ist, als meine Vorrednerin von der SPDFraktion dies hier zum Ausdruck gebracht hat.

(Beifall bei der CDU)

Uns geht es mit unserem Antrag darum, dass in individuellen Angeboten der Teilhabeverfahren eine aktive Beteiligung der Betroffenen, ihrer Angehörigen, aber auch der von ihnen gewählten Beistände stärker in den Vordergrund gestellt wird. Dazu gehören der Abschluss von Zielvereinbarungen als Grundlage des Teilhabemanagements, die Aufhebung der Leistungsformen „ambulant“, „teilstationär“ oder auch „stationär“ sowie der Ausbau von Wahlmöglichkeiten für die Betroffenen hinsichtlich der einzelnen Leistungen.

Die verbesserte und verbindliche Kooperation der Hilfen in verschiedenen Sozialleistungssystemen ist in unserem Antrag ein wichtiger Gesichtspunkt, und auch die Ausweitung der Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben gehört dazu.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich will ich der Opposition zugestehen, dass sie an einen Forderungskatalog andere Maßstäbe anlegt als diejenigen, die verantwortlich handeln und deren Handeln auch an den Ergebnissen in der Praxis gemessen wird. Wie könnte es für eine Opposition anders sein? - Sie setzt natürlich noch eins drauf. Ob es nun tatsächlich notwendig ist, entsprechend Ihrem Antrag zu verfahren, oder ob es nur wünschenswert ist, spielt bei Ihnen nicht immer eine Rolle. Wir als diejenigen, die die Verantwortung tragen, müssen das jedoch ein bisschen differenzierter betrachten.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung muss die politischen Forderungen des Landtages auch umsetzen. Unsere Aufgabe ist es darüber hinaus, die entsprechenden finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Umsetzung tatsächlich verwirklicht werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte dies an dieser Stelle einmal ausdrücklich betonen. Deshalb, so meine ich, müssen wir auch verantwortlich handeln.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Sitzung des Sozialausschusses haben wir den von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Änderungsantrag ausführlich beraten. In der inhaltlichen Beratung wurde deutlich, dass viele der in diesem Änderungsantrag enthaltenen Positionen durch die Sozialministerkonferenz in der Bund-Länder-Gruppe bereits bearbeitet und auf den Weg gebracht worden sind. Die Bundesregierung wurde gebeten, den Entwurf eines Reformgesetzes zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe so rechtzeitig vorzulegen, dass ein solches Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Mit der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe werden wir hier in Deutschland und selbstredend natürlich auch in Niedersachsen die Weichen für ein zukunftsorientiertes Hilfsangebot auch mit Unterstützung der heutigen Beschlüsse stellen.

Eines wird in meinen Augen deutlich: Mit unserem Antrag werden alle Menschen, die sich in einer besonders schwierigen Situation befinden oder eine besondere Hilfe benötigen, weiterhin die gebotene fachliche Unterstützung bei der Eingliederung erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch eines deutlich machen. Nach der heutigen Plenarsitzung bleibt es dabei: Die Eingliederungshilfe wird auch weiterhin einer der sozialpolitischen Schwerpunkte der CDU-Fraktion bleiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und Zu- stimmung von Roland Riese [FDP])

Auf den Beitrag von Herrn Böhlke hin hat sich Frau Groskurt zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten, Frau Groskurt.

Danke, Herr Präsident. - Herr Böhlke, im Interesse der Atmosphäre bei unserer Zusammenarbeit ist es mir wichtig, klarzustellen, dass ich nicht gesagt habe, dass Sie die Menschen mit Behinderungen behindern. Vielmehr habe ich an alle Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich appelliert, zusammen

zuarbeiten, um die Menschen mit Behinderungen nicht zu behindern.

(Norbert Böhlke [CDU]: Dann habe ich das missverstanden!)

Jetzt noch ganz kurz zu Ihren Ausführungen: Leider können wir Ihrem Antrag nun doch nicht zustimmen.

(Zuruf von der CDU: Das ist aber schade!)

Ich habe es eben und sehr ausführlich auch schon in der Sitzung am 29. Oktober gesagt. Ihr Antrag ist zu wenig konkret, und er verführt die Landesregierung unserer Meinung nach dazu, sich mehr Zeit zu nehmen. Und die hat sich nicht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Riese von der FDP-Fraktion. Bitte sehr!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir sind Antragsteller! Kommen wir nicht auch irgendwann dran?)

- Ich richte mich nach der Reihenfolge der eingegangenen Wortmeldungen. Ich habe es so übernommen, Frau Helmhold. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die lebendige Diskussion über die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe wird ja nicht nur im Niedersächsischen Landtag geführt, sondern auch auf Bundesebene und in einer sehr breiten Öffentlichkeit. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass über die anzustrebenden Ziele eine größere Einigkeit besteht als über die Erfolg versprechenden Wege dorthin, wie das in der Politik manchmal so der Fall ist, nämlich über die Wege der Weiterentwicklung der Gesetzgebung und ihrer Ausführung.

Zwei schon länger vorliegende und umfassende Anträge zu dieser Thematik haben zu sehr umfassenden Anhörungsergebnissen geführt, von denen wir noch lange Zeit werden profitieren können. In der Anhörung sind viele Anregungen gegeben worden, die über das hinausgehen - damit knüpfe ich an den Kollegen Böhlke an -, was der Niedersächsische Landtag zurzeit haushaltsmäßig bewerkstelligen kann.

Ich darf auf einzelne Ergebnisse der Anhörung eingehen, weil ich vermute, dass nicht jedes Mitglied des Landtags das schon alles im Einzelnen nachgelesen hat. Die Lebenshilfe Niedersachsen hat uns sehr wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung des Budgets für Arbeit und des persönlichen Budgets gegeben. Ich finde auch den Hinweis der AOK beachtenswert, dass für den Fall Regelungen getroffen werden müssen, dass der Mensch mit Behinderungen seinen Bedarf entgegen der Beratung falsch einschätzt oder die bereitgestellten Geldmittel in einem anderen als dem vereinbarten Rahmen vorzeitig aufbraucht.

Die Angehörigenvertretungen der Caritas-Einrichtungen der Behindertenhilfe haben sich für den Erhalt der beschützenden Werkstätten für Menschen mit Behinderungen starkgemacht. Sehr entgegen den Vorstellungen der Grünen, verehrte Frau Helmhold, mahnt auch der DGB-Bezirk Niedersachsen mehr Werkstattplätze an. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Niedersachsen weist auf den steigenden Bedarf an Werkstattplätzen und differenzierten Wohnangeboten hin.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich habe doch nie gesagt, dass es weniger ge- ben soll!)

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben fordert im Grundsatz ein einkommens- und vermögensunabhängiges Teilhabe- und Assistenzsicherungsgesetz. Meine Damen und Herren, wenn ich mir vorstelle, dass sich ein Millionär mit schweren Behinderungen an den Staat wendet und sagt, dass er sich persönlich alles leisten könne, aber dennoch zusätzliche finanzielle Hilfe brauche, dann entspricht das nicht meinen Vorstellungen von dem, was Sozialpolitik leisten muss. Sozialpolitik muss dort helfen, wo sich der Betroffene nicht selbst helfen kann.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Diese weitreichende Forderung zur Gleichstellung ist sehr verständlich, meine Damen und Herren, sie ist mit der absehbaren Leistungsfähigkeit öffentlicher Haushalte derzeit aber nur sehr schwer vereinbar.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)