Protocol of the Session on February 17, 2010

schusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/2148

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Es hat sich zunächst Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hintergrund des Antrages meiner Fraktion zu einem sofortigen Stopp der Abschiebung von Flüchtlingen nach Syrien ist ein Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 16. Dezember 2009 an die Bundesländer, in dem darüber informiert wurde, dass Inhaftierungen von abgeschobenen Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Syrien bekannt geworden sind. Deshalb wird eine aktuelle Lageeinschätzung durch das Auswärtige Amt für notwendig erachtet. Bis zur Vorlage dieses Berichts sollten Maßnahmen unternommen werden, um die Vollziehbarkeit von Abschiebungen nach Syrien zu vermeiden. Den Ausreisepflichtigen soll u. a. die Möglichkeit gegeben werden, sich erneut Schutz suchend mit Anträgen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu wenden.

Das Innenministerium von Schleswig-Holstein hat in diesem Sinne bereits einen Tag später, am 17. Dezember 2009, einen Erlass an die Ausländerbehörden herausgegeben.

Niedersachsen hat erst am 7. Januar 2010 einen Erlass dazu formuliert, der keine klare Anweisung an die Ausländerbehörden enthält und sich auf die Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zurückzieht.

(Zuruf von der CDU: Das ist auch rich- tig!)

Meine Damen und Herren, es ist empörend, dass das niedersächsische Innenministerium trotz der am 28. Dezember erfolgten Vorlage eines Ad-hocBerichtes des Auswärtigen Amtes versucht hat, das Bundesinnenministerium zu einer Rücknahme seines Erlasses vom 16. Dezember 2009 zu drängen. Genau dieser Bericht hat aber Meldungen über eine Verfolgung von Flüchtlingen nach ihrer Abschiebung bestätigt. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass im ersten Halbjahr 2009 insgesamt 28 Personen nach Syrien abgeschoben wurden, dass eine Befragung der Abgeschobenen die Regel ist,

dass in mehreren Fällen Inhaftierungen bekannt geworden sind, darunter: erstens eine Frau, die nach drei Tagen gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 2 500 Euro entlassen wurde; zweitens ein Flüchtling, der wegen falscher Nachrichten über den syrischen Staat im Ausland angeklagt wird und mit einer mindestens sechsmonatigen, wahrscheinlich jedoch zwei- bis dreijährigen Haftstrafe rechnen muss, weil er an einer Demonstration gegen das deutsch-syrische Rücknahmeabkommen teilgenommen habe; drittens eine Familie, die 15 Tage lang in verschiedenen Dienststellen festgehalten wurde und danach möglicherweise erst gegen Zahlung einer Geldstrafe oder eines Bestechungsgeldes freigelassen wurde.

Meine Damen und Herren, dieser Bericht macht deutlich, warum es zwingend ist, dass Sie unserem Antrag heute folgen. Aber nicht nur die Haltung des hiesigen Innenministeriums ist empörend. Empörend ist auch, wie der zuständige Innenausschuss in seiner Mehrheit mit unserem Antrag umgegangen ist.

(Reinhold Coenen [CDU]: Was?)

Herr Bode hat das eben noch einmal mit seinem Verständnis von Demokratie deutlich gemacht: Gute Politik geht auch ohne Opposition. - Genauso wird dort verfahren;

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Schlimm, schlimm!)

denn ohne jegliche inhaltliche Debatte und ohne eine Hinzuziehung der Integrationskommission wurde dieser Antrag einfach abgeschmettert. Diese Sache wird in der Integrationskommission sicherlich noch einmal zu bereden sein.

Meine Damen und Herren, es ist eine Schande, wie Sie in diesem Zusammenhang mit Menschenrechten, mit dem Schicksal von abgeschobenen Flüchtlingen umgehen. Es wirft ein weiteres Mal ein bezeichnendes Licht auf die inhumane Flüchtlingspolitik dieser Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich fordere Sie auf, Ihre Haltung zu überdenken und unserem Antrag zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

Das Wort hat jetzt Frau Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir unterstützen den Antrag der Linken. Es geht natürlich nicht nur um einen Abschiebestopp, sondern grundsätzlich um eine Debatte über ein Rückführungsabkommen mit der Arabischen Republik Syrien. Vor knapp drei Wochen ist ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - ebenso wie ein Antrag der Linken - im Bundestag abgelehnt worden. Zurzeit ist, glaube ich, noch ein Antrag der Fraktion der SPD in Beratung.

In Niedersachsen besteht eine Sondersituation; denn von den insgesamt 7 000 syrischen Staatsangehörigen, die in Deutschland leben, leben die meisten, insbesondere Angehörige der Minderheit der Kurden, in Niedersachsen, sehr viele davon im Landkreis Celle. Diese sind von Abschiebung bedroht.

Das Rückführungsabkommen wurde im Januar 2009 noch unter Schwarz-Rot geschlossen. Es wurde von Menschenrechtsorganisationen außerhalb Syriens, aber auch von noch in Syrien tätigen sehr stark kritisiert, weil viele Menschen, insbesondere Angehörige der Minderheit der Kurden oder religiöser Minderheiten, verfolgt werden.

In Niedersachsen ist - Frau Zimmermann hat es angesprochen - aufgrund des Ad-hoc-Berichts des Auswärtigen Amtes im Dezember eine neue Lage entstanden. Auch das Bundesinnenministerium hat gesagt, dass die Lage aufgrund der Vorfälle, dass es nach Rückführungen zu Inhaftierungen gekommen ist, neu bewertet werden muss. Schleswig-Holstein hat sofort einen Erlass herausgegeben. Niedersachsen hat das nicht getan. Niedersachsen hat sich auf das Schreiben des Bundesinnenministeriums berufen. Noch am 5. Januar ist die Abschiebung eines 48-jährigen Kurden im Landkreis Wesermarsch vollzogen worden, was dann kurzfristig durch einen Anwalt verhindert werden konnte. Zwei Tage später kam der Erlass aus dem Innenministerium an alle Ausländerbehörden. Wir haben das in einer Anfrage abgefragt. Da wurde ausweichend geantwortet. Wir haben für diesen Plenarabschnitt erneut eine Anfrage gestellt.

Herr Innenminister, Sie werfen uns ja immer vor, dass wir Ihr Vorgehen als besonders restriktiv bezeichnen. Aber nicht nur bei den Roma aus dem Kosovo, sondern auch bei den Kurden und den Staatenlosen aus Syrien sind Sie wieder Thema im Bundestag. Ich zitiere einmal aus der Bundestagsdebatte:

„Der aktuelle Zustand führt zudem zu einer tiefen Verunsicherung der von Abschiebung bedrohten Syrer, die kein Dauerzustand sein darf. Die taz hat am Montag berichtet, dass die Empfehlungen des Bundes an die Länder bisher wohl nicht gefruchtet haben. So ist von einem Fall die Rede, wo ein Syrer am 5. Januar 2010 um 5 Uhr morgens von der Polizei abgeholt worden ist, um ihn sofort abzuschieben, was durch den Niedersächsischen Flüchtlingsrat und einen von ihm eingeschalteten Anwalt gerade noch verhindert werden konnte.“

Das ist ein Fall. Den anderen Fall, Abta Houran, haben wir hier auch schon behandelt. Den hatte ich in der letzten Debatte zu diesem Thema erwähnt. Frau Ross-Luttmann, ich hatte Sie gebeten, doch endlich einmal auf mein Schreiben zu antworten. Es handelt sich um eine 25-jährige schwangere Yezidin aus Wiefelstede, die abgeschoben worden ist. Auch sie ist direkt nach der Abschiebung inhaftiert worden. Ich habe noch kurz vorher eine E-Mail an das Innenministerium geschrieben, dass die Familie vor Ort von Behörden aufgesucht wurde und sich nach dieser Frau erkundigt hat. Sie ist inhaftiert worden. Ich denke, hier hat Niedersachsen wirklich Anlass, sich gegen das Rückführungsabkommen einzusetzen und einen sofortigen Abschiebestopp zu erlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist Frau Lorberg von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab möchte ich etwas zu Ihnen sagen, liebe Frau Zimmermann. Sie stellen die Flüchtlingspolitik im Land Niedersachsen immer so dar, als sei das hier die reine Katastrophe und als gehe man hier völlig

unmenschlich vor. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Niedersachsen die Situation von Menschen, die in ihren Herkunftsländern an Leib und Leben bedroht sind, wirklich sehr ernst nimmt und in diesen Fällen auch handelt. Ich denke, das hat Niedersachsen nicht zuletzt im letzten Jahr bei der Aufnahme der irakischen Flüchtlinge bewiesen. Das ist ja - wie wir sicherlich alle noch wissen - ausgesprochen vorbildlich gelaufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben einen Abschiebeminister! - Zuruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD])

- Das ist nicht wahr, und das wissen Sie auch, Herr Bachmann.

Nun zu der Situation in Syrien. Jahrelang war die Rückkehr syrischer Staatsangehöriger aufgrund mangelnder Kooperation des syrischen Staates nicht möglich. Nachdem nun das Rücknahmeabkommen mit Syrien vorliegt, sind Syrer zur Ausreise verpflichtet, wenn sie nicht von den gesetzlich festgelegten Bleiberechtsregelungen profitieren. Daher ist es falsch, wenn im Antrag der Linken von Flüchtlingen gesprochen wird. Es handelt sich bei diesen Menschen um zur Ausreise verpflichtete Personen, die wegen nicht vorliegender zielstaatenbezogener Ausreisehindernisse zur Ausreise verpflichtet sind. Das müssen Sie vielleicht auch einmal zur Kenntnis nehmen.

Liebe Frau Zimmermann, wenn Sie sagen, wir hätten Ihren Antrag im Ausschuss nicht beraten, dann ist das falsch. Lesen Sie doch einfach einmal das Protokoll. Ich weiß, dass ich mich dazu geäußert habe. Ich weiß auch, dass das Innenministerium einen ausführlichen Bericht dazu gegeben hat. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie hier sagen, wir hätten nicht darüber beraten. Das ist einfach nicht wahr.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dieser Antrag ist nicht überwiesen worden!)

Liebe Frau Polat, Sie haben ausgeführt, dass am 5. Januar eine Abschiebung erfolgt sei, haben das dann aber wieder zurückgenommen, indem Sie darauf hingewiesen haben, dass ein Anwalt das Ganze verhindert hat. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass das so ganz richtig war. Ich komme gleich noch im Einzelnen darauf zu sprechen.

Mitte Dezember 2009 reagierte das Bundesinnenministerium auf Hinweise von Nichtregierungsorganisationen, die auch sagten, dass Syrern, insbe

sondere Yeziden, nach ihrer Rückkehr Verhaftung droht.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Droht? Die sind inhaftiert worden! Das waren zwei aus Niedersachsen!)

Diese Information gab das BMI auch an die Länder mit der Maßgabe weiter, dass im Einzelfall die Rückkehr von Syrern zu überprüfen ist. Die Länder wurden aber nicht aufgefordert, die Abschiebung von Syrern generell auszusetzen. Das wird im Antrag der Linken so dargestellt. Das ist jedoch keinesfalls so gewesen.

Am 22. Dezember 2009 wurde ein neuer Lagebericht vorgelegt. Darin wurde berichtet, dass es drei Verhaftungen bei der Rückkehr nach Syrien gegeben haben soll. Da wohl in den bekannten Fällen bei den Rückkehrern nur Passersatzpapiere vorgelegen haben, ist anzunehmen, dass die Inhaftierung zur Identitätsklärung erfolgte.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ach ja!)

Meine Damen und Herren, in dem Lagebericht vom 22. Dezember lassen sich aber keine weiteren Anhaltspunkte finden, die eine neue Bewertung der Lage und der Situation in Syrien erfordern. Dennoch - das sagen wir, und das sagt auch das Innenministerium - ist in Einzelfällen die Rückführung nach Syrien noch unklar. Vor diesem Hintergrund können Asylfolgeanträge gestellt werden. Das genau ist das, was der Anwalt des Asylsuchenden am 5. Januar getan hat. Dadurch, durch den Asylfolgeantrag, ist nun die Situation eingetreten, dass in einer Einzelfallprüfung festgestellt wird, ob ein Abschiebungshindernis vorliegt oder nicht. Also stellen Sie die Situation dann, wenn Sie sie darstellen, auch richtig dar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ein Abschiebungsstopp für syrische Flüchtlinge, den Niedersachsen erlassen soll, wie er von den Linken gefordert wird, kann hier auf keinen Fall in Betracht gezogen werden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Von Ih- nen nicht!)

Dieses Verfahren, liebe Frau Flauger - Sie wissen das vielleicht nicht, weil Sie sich im Aufenthaltsrecht nicht so gut auskennen -, unterliegt nun einmal dem Aufenthaltsgesetz. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen sind in dem vorliegenden Fall überhaupt nicht gegeben. Ich denke, das wis

sen auch Sie und wissen vor allem die Personen in dem Ausschuss, die sich mit dem Aufenthaltsgesetz befassen.

Ich erspare es mir hier, die Details aufzuzählen, wie und warum ein Abschiebestopp von den Ländern erlassen werden kann; denn ich meine, das haben wir hier, an dieser Stelle, in den letzten Jahren wirklich wieder und wieder getan. Ich kann gar nicht verstehen, warum man, wenn man diese gesetzlichen Grundlagen wirklich verinnerlicht, in diesem Fall wieder einen Abschiebestopp fordern kann. Ich bin davon überzeugt, dass der Weg, den das Auswärtige Amt vorgegeben hat, nämlich im Rahmen der Einzelfallprüfung eine Gefährdung der zurückzuführenden Person festzustellen, der richtige ist. Ich finde es gut, dass Niedersachsen diesen Weg geht und damit seiner Verantwortung in vollem Umfang gerecht wird. Natürlich werden diejenigen bei uns Schutz finden, deren Rückkehr nicht gefahrlos erfolgen kann. Meine Damen und Herren, daher lehnen wir den Antrag der Linken ab.