Protocol of the Session on January 20, 2010

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, aus all dem sehen Sie: Die Niedersächsische Landesregierung hat erhebliche Versäumnisse in der projekt- und vorhabenbezogenen Investitionsförderung zugelassen. Sie hat zugleich viele Rückstände und jahrelang ungelöste Probleme in der einzelbetrieblichen Investitionsförderung verursacht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das hat vor allem zur Folge, dass der Mittelstand, Klein- und Mittelbetriebe und vor allem das Handwerk

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

von einem FDP-Ministerium sprichwörtlich im Regen stehen gelassen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

So sind die Fördersätze von der Landesregierung jetzt, in einer anhaltenden Wirtschaftskrise, wieder auf das Niveau des Jahre 2008 zurückgeführt worden. Das, meine Damen und Herren, ist ein unhaltbarer Zustand.

(Anhaltende Unruhe)

Frau Weisser-Roelle, einen kleinen Moment, bitte! - Es laufen zu viele Privatgespräche. - Bitte schön!

Auf diesen unhaltbaren Zustand gibt der vorliegende SPD-Antrag die richtige Antwort. Denn der vorliegende SPD-Antrag zeigt - analytisch fun

diert - die Dramatik rückläufiger Fördermittel und Fördersätze auf.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Viele Unternehmen können angesichts der unverantwortlichen Förderpolitik Ihres Hauses, Herr Bode, selbst begonnene Investitionen wegen fehlender Finanzen nicht fortsetzen. Auch notwendige Beschäftigungseffekte bleiben damit gerade jetzt in der Krise auf der Strecke.

Herr Bode und auch Herr Möllring, es ist unhaltbar, Wirtschaftsförderung in Niedersachsen nach Kassenlage zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit schaden Sie dem Wirtschaftsstandort, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Unternehmen. Was wir in Niedersachsen aber unbedingt benötigen, ist eine Wirtschaftsförderung, die vollständig und anhaltend finanziert ist und die - das sage ich ausdrücklich - tarifgebunden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die guten Vorschläge aus Ihrem Antrag können aber nur dann dauerhaft umgesetzt werden, wenn der Landeshaushalt auf eine andere Einnahmebasis gestellt wird. Ansonsten rückt Niedersachsen immer tiefer in den Schuldenstaat. Wir brauchen dementsprechend einen deutlich verbesserten Steuervollzug in den Finanzämtern. Das haben wir in den Haushaltsdebatten bereits gesagt. Dadurch würde dem Haushalt eine dreistellige Millionensumme zugute kommen. Wir haben weiterhin in der Haushaltsdebatte vorgeschlagen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat und bei der Bundesregierung für die Wiedererhebung einer reformierten Vermögensteuer einsetzen soll. Sie soll sich für die gerechte Besteuerung großer Erbschaften und schließlich für die Einführung einer Börsenumsatzsteuer - nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer - einsetzen, deren Aufkommen anteilig auch den Ländern zugute kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Bode, mit diesen Mitteln könnten Sie eine aktive Förderpolitik gestalten, den Unternehmen in der Krise helfen und Arbeitsplätze halten. Eine Politik der sozialen Gerechtigkeit ist möglich, man muss es nur wollen!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Hagenah das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum 27. September letzten Jahres haben Niedersachsens CDU und FDP der heimischen Wirtschaft den Mund wässrig gemacht. Bis zur Bundestagswahl warb die Landesregierung in niedersächsischen Unternehmen offensiv um Stimmen für die Berliner Kollegen, und zwar mit der Ankündigung üppiger Wahlgeschenke. Fast ein Drittel der Betriebsinvestitionen sollte die öffentliche Hand als Förderung übernehmen, doppelt so viel wie in den Jahren zuvor.

Wer da nicht anbiss, war selber schuld. Das dachten sich Wirtschaftsförderer und Unternehmen in vielen Kommunen und griffen zu, viele von ihnen allerdings ins Leere; denn der Fördertopf war schon früh völlig überzeichnet. Ein großer Teil der Anträge mit einem Fördervolumen von über 65 Millionen Euro wurde inzwischen unerledigt nach 2010 geschoben. Das ist sogar mehr als Mittel in 2010 überhaupt zur Verfügung stehen. Das aber offenbarte die Landesregierung natürlich erst weit nach der Bundestagswahl.

So viel zur Offenheit und Ehrlichkeit. Was die Regierung Wulff hier betrieben hat, ist ein klassischer Fall von Wählertäuschung.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wer bis zum Jahresende einen Fördertopf bewirbt, obwohl längst vorher klar ist, dass alle Mittel ausgegeben sind, der hält andere bewusst zum Narren mit dem Ziel, seinen eigenen Vorteil aus der Täuschung zu ziehen. - Gut, den Vorteil haben Sie gehabt.

Was bleibt also? - Ein erneuter Vertrauensverlust für die Politik. Die Wirtschaft in Niedersachsen muss sich darauf einstellen, dass in diesem Jahr kein Geld mehr für aktuelle Anträge zur Verfügung steht. Das ist bitter, aber Fakt.

In dieser Analyse stimmen wir dem SPD-Antrag völlig zu. Was dann aber im folgenden Forderungspaket Ihres Antrages steht, ist weder seriös zu finanzieren noch durchdacht. Im Grunde genommen wollen Sie den Fehler aus 2009 wiederholen, die Mittel- und Förderansätze zu verdoppeln, ohne an die zusätzlichen Anträge zu denken, die bei solch einem lukrativen Angebot natürlich gestellt würden. Genau das hat doch zur Überzeichnung im vorigen Jahr geführt. Dabei vernachlässigen Sie, dass bereits jetzt rechnerisch alle Mittel durch Altanträge aus 2009 belegt sind.

Man kann einen Fehler nicht dadurch korrigieren, dass man ihn fortsetzt. Das ist aus unserer Sicht keine vernünftige Vorgehensweise. Vor allen Dingen haben wir nicht den Goldesel, der dieses Vorgehen finanzieren würde. Wir müssen uns auch bei der Wirtschaftsförderung - so leid es mir tut - an die sehr beschränkten finanziellen Realitäten, die Niedersachsen zur Verfügung stehen, anpassen. Steuererhöhungen passen da gar nicht.

Deshalb fordern wir Grüne wie der Landesrechnungshof schon seit Jahren, die Wirtschaftsförderung in Niedersachsen zu modernisieren. Wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen wollen wir auch für Niedersachsen erreichen, dass keine Geschenke mehr im großen Stil verteilt werden, Herr Bode, sondern dass die Mittel sinnvoll und nachhaltig an die Unternehmen verliehen werden und dass das Geld später bei florierenden Geschäften wieder in die Staatskasse zurückfließen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist gut!)

Ein solcher Kreislauf der Wirtschaftsförderung statt rasch verglühender Strohfeuer erhöht die Effizienz der Mittel und erhöht langfristig sogar die zur Verfügung stehende Summe deutlich. Wir brauchen zusätzlich auch ein besseres Qualitätsmanagement, damit nicht das passiert, was zurzeit in der EFRE- und ESF-Förderung in unserem Land wohl gang und gäbe ist. Ohne Sinn und Verstand verschleudern wir da immer wieder Geld für volkswirtschaftlich zweifelhafte Projekte. Man liest in den Listen von Friseurläden, die sich ein neues Logo zulegen wollten, oder von Autohäusern, die ihr Image aufpolieren und sich einen Marktvorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen wollten. Dafür ist EU-Geld wirklich zu schade, vor allen Dingen geschenktes.

Wir brauchen auch ein klareres Bekenntnis zur Förderung in Zukunftsbranchen. Die Bio- und die Effizienzwirtschaft z. B. werden allen Studien zufolge boomen. Wir sollten das alles als Standortvorteil nutzen und verstärkt Firmen in diesem Bereich unterstützen, die sich auf Umwelttechnik spezialisiert haben; denn das bringt sichere Arbeitsplätze und steigende Umsätze für morgen.

Aus unserer Sicht ist ein Bewusstseinswandel bei der Wirtschaftsförderung überfällig. Das Desaster bei der einzelbetrieblichen Förderung im letzten Jahr hat es noch einmal deutlich gemacht. Statt Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler brauchen

wir eine ganzheitliche und verantwortungsvolle Förderpolitik. Fangen Sie endlich damit an!

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Hillmer. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diese Debatte sehr aufmerksam verfolgt und feststellen können, dass sich ein Konsens durch die Kritik im Einzelnen hindurchzieht, nämlich eine durchaus hohe Wertschätzung für die einzelbetriebliche Förderung und damit auch für die Dynamik, die durch private Investitionen in einem Land ausgelöst werden kann.

Ich glaube, dass dieser Konsens zu Recht besteht. Wir haben durch 172 Millionen Euro GRW-Mittel 1 Milliarde Euro Investitionen in 414 Unternehmen in diesem Land ausgelöst. Rechnerisch haben wir mit einem Euro rund 5 Euro mobilisiert. Vergleichen Sie das einmal mit unseren staatlich verausgabten Konjunkturmitteln, wo wir über 1 Milliarde Euro ausgegeben und diesen Faktor nicht ausgelöst haben. Obendrein ist es uns gelungen, 13 000 Arbeitsplätze zu sichern oder neu zu schaffen. Das sind die Fakten. Das ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, was möglich ist, wenn man privaten Unternehmern Geld in die Hand gibt.

Das ist allerdings genauso möglich, wenn man es ihnen gar nicht erst aus der Hand nimmt, sondern günstige Abschreibungsmöglichkeiten schafft oder Steuern senkt. Deswegen sage ich Ja zu der Forderung der SPD „mehr Geld für die Unternehmen bereitstellen“, füge aber auch hinzu „oder es ihnen gleich lassen“, aber bitte nicht finanziert aus einer Steuererhöhung, wie es die Linken gerade wieder vorgeschlagen haben. Das heißt doch nur „linke Tasche - rechte Tasche“ mit einem riesigen Schwundfaktor.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Nein! - Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Hö- ren Sie doch einmal zu!)

Wir brauchen Einsparungen an anderer Stelle, z. B. bei staatlichen Ausgaben. Wir erwarten dazu auch Ihre Vorschläge in der Ausschussberatung.

Im Jahr 2009 ist sicherlich nicht alles gut gelaufen. Ich stehe hier nicht, um etwas schönzureden oder

zu verteidigen. Ich selbst habe viele Anträge in meinem Wahlkreis begleitet. Dabei habe ich Antragsteller gesehen, die sehr kühn und zum Teil mutig und sogar ermuntert von kommunalen Wirtschaftsförderern schon ohne Förderbescheid ihre Investitionen begonnen haben. Die meisten fühlen sich im Nachhinein bestätigt, weil sie eine Förderung bekommen haben. Aber es gibt auch dramatische Fälle, die nicht berücksichtigt wurden. Diese Unternehmen werden wir nicht im Stich lassen.

Meine Damen und Herren, ich habe aber auch so etwas wie Goldgräberstimmung gesehen, wo hohe Förderquoten kühne Pläne haben wachsen lassen. Hier müssen wir uns kritisch fragen, ob eine Investition nur noch deshalb unternehmerisch richtig ist, weil der Fördergeber, der Staat, das wirtschaftliche Risiko weitestgehend übernimmt.

(Heinrich Aller [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)

Wir müssen erkennen, dass nicht jeder förderfähige Antrag gleichermaßen förderwürdig ist. Förderung auf Zuruf nach dem Motto „jeder Antrag wird bewilligt“ wäre auch nicht das richtige Signal. Gerade bei hohen Förderquoten ist es eine besondere Herausforderung für die Wirtschaftsförderung, die Spreu vom Weizen zu trennen. Mein Eindruck ist, dass im Fördertopf ausnahmslos - um im Bilde zu bleiben - Weizen gelandet ist, dass aber darum herum noch etliche gute Weizenkörner in der Spreu liegen.

Ich komme zu der Frage, die Sie in Ihrem Antrag auch problematisieren: Ist in der zeitlichen Abfolge etwas falsch gelaufen? Hätte früher gebremst werden können oder müssen? - Ich rufe in Erinnerung, dass das erste Quartal der Wirtschaftsförderung mit unerwartet wenigen Anträgen abgeschlossen worden ist. Lange Zeit war es überhaupt nicht sicher, ob diese auf 150 Millionen Euro erhöhte GRW-Mittel-Bereitstellung überhaupt mit genehmigungsfähigen Anträgen belegt werden könnte. Mir ist keine Aufforderung im Sommer bekannt.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich hatte bei Ihrer Antragstellung erwartet, Sie würden Belege dafür vorlegen, dass seitens der NBank bzw. des Ministeriums dazu aufgefordert worden sei, im Sommer - Juni, Juli oder August - noch zusätzliche Anträge zu stellen.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])