Protocol of the Session on January 20, 2010

(Zuruf von der CDU: Die SPD auch?)

Wir kommen daher zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/1513 in geänderter Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich?

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU]: Das war sehr gemischt!)

- Für uns war das übersichtlich. Das war eine große Mehrheit für die Beschlussempfehlung. Ich stelle dies als Ergebnis fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung zu Punkt 15.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/1932 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit.

Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 22:

Erste Beratung: Einzelbetriebliche Investitionsförderung nach Kassenlage gefährdet den Wirtschaftsstandort Niedersachsen - Unternehmen benötigen mehr Fördermittel und Planungssicherheit - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2074

Eingebracht wird dieser Antrag von Herrn Will von der SPD-Fraktion.

(Unruhe)

- Herr Will, einen kleinen Moment noch! Lassen Sie uns zunächst noch ein wenig mehr Ruhe ein

kehren. - Es ist prima, wenn Sie jetzt den Saal verlassen.

(Heiner Bartling [SPD]: Alle?)

Herr Will, jetzt haben Sie nur noch aufmerksame Zuhörer. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist ein zentrales Förderinstrument zur einzelbetrieblichen Förderung gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen, ein Instrument, das auch in den Nachbarländern Niedersachsens im Standortwettbewerb eingesetzt wird. Wer dieses Instrument nicht entsprechend nutzt, riskiert Abwanderungen in andere Förderregionen oder hat bei Neuansiedlungen das Nachsehen.

Wegen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise war es richtig, die Mittel und die Fördersätze der einzelbetrieblichen Investitionsförderung mithilfe des Bundes für 2009 deutlich aufzustocken. Vor wenigen Tagen erst hat die Bertelsmann Stiftung andererseits erneut scharf kritisiert, dass Niedersachsen das Schlusslicht bei Investitionen bildet. Die Landesregierung investiert so katastrophal wenig, dass sich nun schon ein echter Standortnachteil entwickelt. Ein Blick in Ihre Finanzplanung belegt, dass es in den nächsten Jahren nicht besser, sondern schlechter wird. Sie planen, 2013 gerade einmal 5,7 % für Investitionen zu verwenden. Das ist blamabel.

Die Aufstockung der Mittel 2009 war richtig zur Standortpflege, aber auch wichtig für Neuansiedlungen. Folgerichtig sind die Unternehmen der niedersächsischen Wirtschaft dem Aufruf der Landesregierung gefolgt und haben Investitionen geplant, die Finanzierung mit ihren Hausbanken verhandelt und dann Anträge an das Land auf Förderung gestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit Blick auf die kommunalen Wirtschaftsförderer und die Unternehmen wurde dabei das Antrags- und Vergabeverfahren bis Ende September durch die NBank und das Wirtschaftsministerium zusätzlich angeheizt nach dem Motto „Stellt Anträge, komplettiert die Anträge, damit sie zügig beschieden werden können“. Das geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem allen Beteiligten, Herr Wirtschaftsminister, längst klar sein musste, dass gar nicht mehr alle Anträge

positiv beschieden werden konnten. Denn der Topf war damals schon völlig überzeichnet.

Wie rettet man sich aber am einfachsten über einen Wahltermin? - Durch Versprechen und durch Anscheinserweckung.

Meine Damen und Herren, dann folgte die Einplanungsrunde am 23. November 2009. Plötzlich stehen - oh Wunder - nicht mehr ausreichend Mittel zur Verfügung. Es werden nur noch Anträge mit hoher Punktbewertung berücksichtigt. Denn zur Überraschung aller Beteiligten ist plötzlich ein undurchschaubares Bewertungssystem eingeführt worden. Daher werden längst nicht mehr alle entscheidungsreifen Anträge berücksichtigt, sondern Hunderte auf das Jahr 2010 vertagt. Dagegen finden nur noch Einzelbewilligungen bis Ende Dezember 2009 statt.

Und was macht das Wirtschaftsministerium? - Es verschärft bei beantragten Projekten, die auf die nächste Einplanungsrunde vertagt wurden, die Förderkriterien erheblich. Es wird eine Mindestpunktzahl bei der Bewertung der Einzelvorhaben vorgegeben. Sie liegt inzwischen bei 140 Punkten. Anträge, die diese Punktzahl unterschreiten, haben plötzlich keine Möglichkeit mehr, geprüft und bewilligt zu werden. Sie werden schlichtweg ausgeschlossen und gar nicht mehr geprüft. Diese neue Vorgehensweise wird den Landkreisen erst mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 mitgeteilt. Zwischenzeitlich werden auch die antragstellenden Unternehmen angeschrieben und informiert.

Was ist nun die Folge für die offenen Anträge? - Gegebenenfalls erfolgt gar keine Förderung mehr, auch wenn entscheidungsreife Anträge bereits 2009 gestellt worden sind. Ab 2010 gelten dann wieder geringere Fördersätze auf dem Niveau des Boomjahres 2008.

Ich will Ihnen hier einige Beispiele nennen. Erstens. In meiner Heimatstadt Nordhorn sind 2009 insgesamt elf Anträge mit einem Investitionsvolumen von 23,5 Millionen Euro gestellt worden. Erwartet wurde eine Gesamtförderung von 2,78 Millionen Euro. Bewilligt wurde nur ein einziger Antrag mit einem Fördervolumen von 93 000 Euro. Alle anderen Anträge hängen derzeit in der Luft - und das monatelang. Die Unternehmen möchten gerne beginnen, aber Sie bremsen sie durch die verschobene Einplanung aus, Herr Minister.

Zweitens. Im Landkreis Grafschaft Bentheim ist in den übrigen Kommunen über fünf weitere Anträge

im Förderungsantragsverfahren ebenfalls noch nicht entschieden.

Drittens. Im Landkreis Leer sind 2009 50 Anträge gestellt worden, von denen über 30 noch nicht entschieden worden ist.

Viertens. In der Stadt Hameln sind nur zwei Anträge bewilligt worden. Fünf Vorhaben wurden abgelehnt, drei wurden auf das Jahr 2010 verschoben.

(Zuruf von der SPD: Skandal!)

Fünftens. In der Stadt Northeim sind bis zum 20. Oktober 2009 von 59 Unternehmen Förderanträge gestellt worden. Im gesamten Jahr 2008 waren es nur 21. Von diesen 59 Anträgen sind bis Ende Oktober allerdings nur 21 Anträge bewilligt worden. Das heißt, über den größten Teil der Anträge ist nach wie vor nicht entschieden. Diese Anträge liegen nach wie vor bei Ihnen im Ministerium bzw. bei der NBank.

Sechstens. Der Landrat des Landkreises Cloppenburg wendet sich wie viele seiner Kollegen zu Recht hilfesuchend an die Landtagsabgeordneten.

Siebtens. Die HAZ kommentiert das Handeln des MW am Heiligabend mit der Überschrift „Fahrlässig“. Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsens, Dr. Volker Müller, wird in dem Artikel wie folgt zitiert:

„Mit dieser Aktion hat das Wirtschaftsministerium den Firmen keinen guten Dienst erwiesen.“

Das ist noch sehr milde ausgedrückt.

(Beifall bei der SPD)

Welches sind nun die Auswirkungen für die betroffenen Unternehmen? - Die Folge ist eine ungleiche und ungerechte Behandlung der Anträge aus dem Jahre 2009. Im Falle der Genehmigung von Anträgen gelten die erhöhten Fördersätze. Bei den auf 2010 verschobenen Anträgen wird, wenn überhaupt, auf die alten und geringeren Fördersätze des Jahres 2008 verwiesen. Erste Vorhaben sind bereits abgesagt worden. Andere Vorhaben sind infrage gestellt, weil das Vertrauen in eine berechenbare staatliche Wirtschaftsförderung von dieser Landesregierung schändlich missbraucht worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Es entstehen Finanzierungsprobleme bei angefangenen Maßnahmen, z. B. bei der Nachfinanzierung, aber auch grundsätzlich. Bei Investitionen

werden die Landesmittel als verlorener Zuschuss regelmäßig Eigenkapitalfunktion bei solchen Finanzierungen einnehmen. Sinkt die Förderquote, so entsteht neuer Finanzierungsbedarf bei den Unternehmen. Erneute Verhandlungen mit den Hausbanken über höhere Fremdfinanzierungsanteile und möglicherweise höhere Zinsbelastungen sind die Folge. Bei den strengeren Förderauflagen, die Sie jetzt entwickelt haben, und der geringeren Förderquote helfen sich die Unternehmen vielfach durch die Absenkung der Investitionen, um die Projekte wenigstens teilweise zu retten.

Meine Damen und Herren, Sie schaffen durch Ihr wahltaktisches Förderchaos nicht nur Verdrossenheit bei den Beteiligten. Sie schädigen auch den Ruf der NBank, der Kommunen und der örtlichen Wirtschaftsförderer, die Ihren Schreiben gefolgt sind und die Unternehmen entsprechend beraten haben. Sie stehen jetzt ebenfalls als unsichere Partner da und müssen sich fragen lassen: Kann man denen überhaupt noch glauben?

Sie missbrauchen das Vertrauen der Unternehmen in Niedersachsen, die mit ihren geplanten Investitionen zum Wachsen der niedersächsischen Wirtschaft beitragen wollen. Ihre Politik ist schlichtweg mittelstandsfeindlich.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dort, wo Prosperität stattfindet, bremsen Sie sie aus. Ihre Art der Wirtschaftsförderung gefährdet Arbeitsplätze und schafft somit keine neue Beschäftigung.

Nun zu den Aussichten. Schon heute ist absehbar, dass die 60 Millionen Euro, die für 2010 eingeplant sind, in diesem Jahr keinesfalls ausreichen werden. Wenn alle Altanträge aus dem Jahr 2009 aus Fairness und auch deshalb, weil möglicherweise sogar Rechtsansprüche entstanden sind, nach den bereits bewilligten Anträgen positiv beschieden werden, wird der erwähnte niedrige Ansatz schon ausgeschöpft sein. Für neue Anträge im Jahre 2010 würde dann kein Geld mehr zur Verfügung stehen. Fachleute sprechen inzwischen davon, dass sich eine weitere Lücke von 60 Millionen Euro auftut. Sie haben ja aber Ihre Scoringtabelle. Haben Sie vielleicht vor, die Mindestpunktzahl weiter heraufzusetzen, damit möglichst viele Anträge aus der Förderung herausfallen? Am Ende reicht ein Hinweis an die Betriebe auf alternative Fördermöglichkeiten über die NBank mit NiedersachsenKredit, Beteiligungsfinanzierung und Landesbürgschaften auf keinen Fall aus. Auf diese Weise treiben Sie die Unternehmen in andere Bundesländer.

Die Wirtschaftspolitik steht im Wettbewerb um die Standorte. Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Fördermittel und die Fördersätze nicht zuletzt wegen des Vertrauensschutzes für die Anträge aus dem Jahr 2009 wieder aufzustocken.

(Beifall bei der SPD)

Das sichert fairen Wettbewerb gegenüber den Unternehmen, die bereits Förderzusagen erhalten haben, und es bindet Unternehmen an Niedersachsen.

Sollten Sie sich nun doch bereit erklären, die Fördermittel aufzustocken, dann warnen wir Sie zugleich davor, die Löcher zu stopfen, indem woanders neue Löcher aufgerissen werden. Es wäre natürlich gut, verstärkt EU-Mittel zur einzelwirtschaftlichen Förderung zu verwenden. Aber auch diese Gelder müssen mit Landesmitteln unterlegt werden. Auch diese Gelder sind bereits verplant.

Meine Damen und Herren, abschließend möchten wir Ihnen den Wunsch nach ein wenig mehr Transparenz bei der Wirtschaftsförderung mit auf den Weg geben. Übertragen Sie die Entscheidung über die Mittelvergabe auch in den sogenannten Einzelfällen vom Wirtschaftsministerium auf die NBank, damit eine Mittelvergabe nach Gutsherrenart in Zukunft verhindert wird! Die knappen Mittel für Wirtschaftsförderung dürfen gar nicht erst in den Geruch kommen, nach Parteibuch vergeben zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)