(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Hin- ter dem „und, und, und“ verbirgt sich ein Unterschied, Frau Vockert!)
Ohne Gegenfinanzierungsvorschlag mehr Geld zu fordern, und zwar mal eben 1,8 Milliarden Euro mehr, ist unredlich.
Aber wenn Sie das Thema „Kinder sind uns mehr wert“ einzig und allein unter fiskalischen Gesichtspunkten sehen, Herr Dr. Sohn, dann muss man Ihnen und Ihrer Fraktion vorhalten, dass Sie einfach nicht registrieren wollen, dass es nie mehr Geld für unsere Jüngsten gegeben hat als heute. In diesem Haushalt sind es mehr als 325 Millionen Euro. Dabei handelt es sich zu einem Großteil -
das ist schon gesagt worden, aber das ist eben nicht selbstverständlich - um eine freiwillige Leistung des Landes. Ich nenne in diesem Zusammenhang das beitragsfreie dritte Kita-Jahr - das sind jedes Jahr 99 Millionen Euro -, die 20 Millionen Euro für das Brückenjahr - das sind jedes Jahr 20 Millionen Euro - und die 6 Millionen Euro für die Sprachförderung. Und, Herr Brammer, auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie mit diesen Zahlen verwirre, es ist festzustellen, dass diese Landesregierung den Kommunen bei den Personalkosten erheblich entgegengekommen ist.
Die Finanzhilfe beträgt in diesem Jahr statt 20 %, wie es vorher der Fall war, 38 %. Im nächsten Jahr sind es immerhin 43 %. Das ist keine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren.
Wahrscheinlich würden wir alle hier im Hause - das unterstelle ich - gerne mehr Geld investieren. Aber man muss trotzdem auch die Grenzen des Haushaltes berücksichtigen. Wir können immer darüber streiten, wer tatsächlich mehr Geld zur Verfügung gestellt hat. Aber die Haushalte sprechen da eine deutliche Sprache - auch die Haushalte der vergangenen Jahre. Es ist unwiderlegbar, dass diese Landesregierung den Kindern tatsächlich ein Mehr zur Verfügung gestellt hat.
Ein Thema möchte ich in die Debatte noch einbringen, das meiner Meinung nach immer wieder zu kurz kommt. Wenn es stimmt, dass uns Kinder mehr wert sind, dann bedeutet das - das müssen wir einfach einmal in den Vordergrund stellen -, dass uns Kinder insgesamt mehr wert sein müssen, und zwar auch mehr Zeit, die auch die Eltern, die Erziehungsberechtigten investieren müssen.
Herr Dr. Sohn, wissen Sie, wie viel Zeit Eltern täglich für ihre Kinder im Durchschnitt aufbringen? - Im ZEITmagazin habe ich gelesen, dass es bei Vätern 20 Minuten pro Tag sind. Dabei gilt noch zu berücksichtigen, dass in Deutschland 50 % der Väter nach einer Scheidung die Beziehung zu ihren Kindern im Laufe von zwei Jahren vollständig abbrechen.
Remo Largo, der u. a. die Bücher „Kinderjahre“ und „Babyjahre“ geschrieben hat, sagt: „Eltern tragen selber kaum zur Entwicklung ihrer Kinder bei, außer, dass sie sie herumkarren.“ Vielleicht kennen viele von Ihnen den Aufkleber mit der Auf
schrift „Taxi Mama“. Wie Remo Largo sagt, zeugt dieser Aufkleber von dem Missverständnis, dass das Chauffeursdasein der Eltern etwas mit Zuneigung zu tun haben könnte - vielleicht auch von der Angst, ohne Programm nichts mit dem Kind anzufangen zu wissen.
Ich will das nicht verallgemeinern. Man darf solche Aussagen niemals verallgemeinern. Aber diese Aussagen müssen uns trotz- und alledem nachdenklich stimmen. Was Kindern heute häufig fehlt, ist nicht nur mit einem Mehr an Geld zu bezahlen, sind nicht nur Therapien, Nachhilfelehrer oder Erzeugnisse der Pharmaindustrie. Kindern fehlt heute oftmals eine Welt, die ihnen gerecht wird; ihnen fehlen Beziehungen, die nicht auf Leistung aufbauen. Man könnte das mit einem altmodischen, für viele von ihnen vielleicht kitschigen Wort zusammenfassen: Kindern fehlt heute häufig Geborgenheit. Das bestätigt leider auch der Hirnforscher Gerald Hüther. In vielen Beiträgen zeigt er auf, wie wichtig eine enge emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist. Sprache etwa, so Gerald Hüther, können Kinder nur dann gut lernen, wenn die Eltern in der Lage sind, die Worte emotional aufzuladen. Wer diese emotionale Aufladung nicht schafft - das können wir manches Mal auch hier im Landtag feststellen -, der muss leider häufig erfahren,
Abschließend will ich noch Folgendes sagen: Vielleicht sollten wir uns mehr mit Janusz Korczak, dem großen alten Mann der Pädagogik, auseinandersetzen, der im übertragenen Sinne Folgendes gesagt hat: Wir dürfen Kinder aus Angst, sie zu verlieren, nicht überbehüten. - Zweitens fordert er das Recht des Kindes auf den heutigen Tag. - Das heißt, dass wir uns hüten sollten, ständig auf die Zukunft des Kindes zu schielen. - Drittens fordert er das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist. - Dazu gehört auch das Recht auf Misserfolg. Das betrifft nicht nur Eltern aus sozial schwierigen Verhältnissen.
Das Ergebnis ist in allen Bereichen zu sehen: Wenn wir Beziehungslosigkeit feststellen, müssen wir gegensteuern. Wir müssen insgesamt mehr investieren, nicht nur mehr Geld, so wie es diese Landesregierung bereits tut, sondern auch mehr Zeit. Hier sind wir alle in der Verantwortung.
Ihre Anträge bzw. Ihr Gesetzentwurf sind bzw. ist definitiv nicht zu finanzieren. Wir lehnen sie ab.
Meine Damen und Herren, mir liegen drei Wünsche auf Kurzinterventionen vor. Zuerst kommt Frau Staudte, dann Herr Borngräber und dann Herr Dr. Sohn. Frau Staudte, bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Vockert, all diese Pläne sind tatsächlich nicht zu finanzieren, vor allem dann nicht, wenn man wie die schwarzgelbe Bundesregierung Steuergeschenke verteilt und 24 Milliarden Euro einsparen will, die den Kommunen dann für die Betreuungsinfrastruktur fehlen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN und Zustimmung bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wo gehen die denn hin, die 24 Milliarden?)
Sie sagen, wir wollten nur Geld verteilen, und vermitteln fast den Eindruck, wir wollten den Kindern Taschengeld in die Hand drücken. Aber wer verteilt denn das Geld, das nicht wirklich bei den Kindern ankommt? - Sie erhöhen das Kindergeld und wollen ein Betreuungsgeld einführen. Diese Gelder kommen aber bei den Kindern nicht an, insbesondere nicht bei den Kindern aus finanzschwachen Familien.
- Sie wissen genau, dass das Kindergeld bei denen wieder abgezogen wird. Wahrscheinlich ist es beim Betreuungsgeld ebenso.
Wir wollen genau das, was Sie gesagt haben: Wir wollen, dass die Erwachsenen mehr Zeit für die Kinder haben. Es wäre schön, wenn in den Familien mehr Zeit für Kinder zur Verfügung stände. Wenn aber beide Elternteile arbeiten müssen, weil die Parteien, die an der Regierung sind, keinen Mindestlohn einführen wollen, dann braucht man natürlich auch mehr Betreuungskapazitäten.
Wir wollen, dass auch die Erzieherinnen und Erzieher mehr Zeit für die Betreuung der Kinder haben, um all das zu leisten, was ich vorhin ausgeführt habe. Dafür brauchen wir einen Ausbau der Betreuungskapazitäten, aber auch eine Verbesserung der Betreuungsqualität.
Meine Damen und Herren, ich rufe die nächste Kurzintervention auf. Herr Borngräber von der SPD-Fraktion, bitte!
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Vockert, Sie verkleistern die wahren Verhältnisse. Ich finde es sehr gut, dass Sie Ihren Hüther gelesen und studiert haben. Dass eine enge emotionale Beziehung zwischen Eltern und Kindern wichtig ist, ist unwidersprochen. Dazu steht im Übrigen auch die SPD-Fraktion. Aber unser Entschließungsantrag und auch der Antrag der Fraktion auf der linken Seite des Hauses befassen sich mit anderen Dingen als mit denen, die Sie unter dem Stichwort „Hüther“ breit referiert haben.
Sie verkleistern die wahren Verhältnisse. Ich möchte Sie an dieser Stelle einmal öffentlich fragen: Wie kommt es eigentlich, dass gerade Ihr Landkreis, dessen Kreistag Sie angehören, zu den fünfen mit der roten Laterne gehört?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Vockert, ich hatte den Eindruck, bis auf die Finanzierungsfrage am Schluss sind Sie nicht wirklich auf die Entschließungsanträge eingegangen. Natürlich ist das finanzierbar, wenn man den Mut hat, den Reichen und Vermögenden ein bisschen mehr in die Taschen zu greifen, die nach wie vor ordentlich gefüllt sind. Das ist eine Tatsache.
Ich wollte zu zwei Bemerkungen Ihres Gedankenreferats zu grundsätzlichen Erziehungsfragen - dies habe ich interessant gefunden - etwas sagen.
Die eine Bemerkung betrifft die Taxi-Mama oder den Taxi-Papa, den es ja auch gibt. Mir ist da, anlehnend an die Zeit, ein bisschen ein abwertender Slang vor allen Dingen gegenüber den vielen Vätern und Müttern auf dem Lande hineingekommen, die viel als Taxifahrer zu vielen Sportveranstaltungen auf dem Lande unterwegs sind. Die Abwertung dieser Sache lasse ich hier so nicht stehen; denn die Vereine, der Sport und der Fußball mit den kleinen Bubi-Ligamannschaften leben schließlich davon, dass diese Taxifahrten gemacht werden. Dies hängt auch ein bisschen mit öffentlichen Verkehrssystemen zusammen. Für diese Menschen möchte ich eine Lanze brechen. Die Abwertung, die Sie gemacht haben, lasse ich so nicht stehen.
Den Rest Ihres Beitrages, vor allen Dingen Ihre Ausführungen zu der Frage „Mehr Zeit für die Kinder“, habe ich als ein charmantes Plädoyer für allgemeine Arbeitszeitverkürzung verstanden. Vielleicht lässt sich ja ein gemeinsamer Antrag daraus machen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie häufig ich hier schon die gleichen Argumente vorgebracht habe, weil Sie immer wieder wort- und inhaltsgleiche Entschließungsanträge eingebracht haben. Ich habe heute gedacht, ich brauche gar nicht mehr so viel wie bei der ersten Beratung zu sagen; denn Sie haben genau die gleichen Argumente wie bei der ersten Beratung vorgetragen. Ich hatte wenig Neigung, darauf zu erwidern.
Ich habe mir gesagt: Wenn wir die gleiche Richtung einschlagen, am gleichen Strang ziehen und für die Kinder tatsächlich etwas mehr erreichen wollen, dann müssen wir gemeinsam ein bisschen weiterdenken.
Auch Sie haben ja gesagt, Sie wüssten nicht, wie Sie es finanzieren sollten. Seit 2003 hat diese Landesregierung schrittweise Verbesserungen erreicht. Wer hat das mit dem Orientierungsplan denn gemacht? - Ich könnte alles, was ich bereits im letzten Plenarsitzungsabschnitt gesagt habe,
wiederholen, habe aber wenig Neigung dazu. Die Argumente sind ausgetauscht worden. Jetzt müssen wir weiterdenken und schauen, was andere sagen und was wir vielleicht noch tun können.
Ich diskreditiere keinen einzigen Elternteil, indem ich sage, dass es nicht sinnvoll ist, dass sie ihre Kinder zum Sportunterricht, zur Musikschule oder zu einer kulturellen Bildungsveranstaltung fahren. Um Gottes Willen, nein! Aber schauen Sie sich doch einmal an, was vor Ort passiert: Es wird tatsächlich nur abgeliefert und wieder abgeholt.
Manche Eltern setzen sich vorbildlich damit auseinander, andere leider Gottes nicht. Ich glaube, wir müssen im Bereich der Erziehungsarbeit noch eine ganze Menge mehr tun. Ich freue mich darüber, dass Sie nicken, Frau Staudte.