Protocol of the Session on January 19, 2010

mung auszubauen und damit die unabhängige dritte Gewalt zu stärken. Der vorliegende Gesetzentwurf ist, gemessen an diesen Möglichkeiten, eher unzureichend. Einschränkungen der Mitbestimmung, die wir aus dem Modellkommunengesetz kennen und die leider in das Personalvertretungsgesetz aufgenommen worden sind, wurden nun auch noch in das Richtergesetz übernommen, z. B. die Einschränkung der Mitbestimmung beim Sonderurlaub. Das wäre nicht nötig gewesen. Man muss einen Fehler nicht unbedingt immer weiter fortschreiben.

Nächster Punkt: Das Verhältnis von Richterräten und Präsidialräten ist nach unserer Auffassung nicht ausgewogen. Die Mitbestimmung sollte dort angesiedelt sein, wo die Beteiligten die Personen auch kennen, vor allem wenn es um die Mitbestimmung bei personellen Angelegenheiten geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die Grundgesetzänderung stand die Trennung von Richterräten und Präsidialräten eigentlich zur Disposition. Das bedeutet, dass das Verhältnis von Richterrat und Präsidialrat neu hätte gestaltet werden können, nach unserer Auffassung so, dass die Richterräte mehr Rechte bekommen. Warum soll etwa bei der Versetzung oder Abordnung eines Amtsrichters vom Amtsgericht Leer zum Amtsgericht Emden der Präsidialrat, der für ganz Niedersachsen gebildet wird, mit entscheiden und warum nicht z. B. der Richterrat beim übergeordneten Landgericht Aurich? Das wäre sicherlich sinnvoller gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch die Mitbestimmung des Präsidialrates, die im Verhältnis zum Richterrat relativ stark ausgestattet ist, wurde nachträglich eingeschränkt. Bei der Einstellung von Proberichtern soll es aufgrund eines Änderungsantrages, den die Fraktionen der CDU und der FDP im Laufe der Beratungen eingebracht haben, nur noch ein Informationsrecht geben.

Die Richter wurden teilweise auch schlechter gestellt als Beamte - darauf ist schon hingewiesen worden -: keine Altersteilzeit, keine unterhälftige Teilzeitbeschäftigung. Das ist bedauerlich. Richter können leider nicht wie Beamte beantragen, später in das Pensionsalter einzutreten. Natürlich hätte man die Regelung des Beamtengesetzes hier nicht 1 : 1 übernehmen können. Wegen der richterlichen Unabhängigkeit kann es keine Ermessensentscheidung des Dienstherrn geben. Aber man hätte

es so regeln können, wie es die SPD-Fraktion vorgeschlagen hat, dass nämlich ein Richter einen Anspruch darauf hat, bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten.

Nachteilig ist auch, dass es keine Mussvorschrift hinsichtlich der Stellenausschreibung bei Richterstellen gibt. Auch insoweit ist der Status quo, das bisherige Recht, besser.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Übernahme der Staatsanwaltschaften in das Richtergesetz: Das halten wir gar nicht für gut; denn meiner Meinung nach sind Staatsanwaltschaften Teil der Exekutive. Sie gehören damit nach der Gewaltenteilung in den Geltungsbereich des Personalvertretungsrechts.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Von der Unabhängigkeit der Staatsanwälte halten wir nichts; denn wir wollen einen Justizminister z. B. dann in die Pflicht nehmen, wenn dort nicht ordentlich verfolgt wird, wo wir viel mehr Strafverfolgung haben möchten, z. B. bei Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Tonne von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beratung geht - das haben wir gerade schon gehört - ein langer Diskussionsprozess zu Ende. Ich danke daher vorab ganz herzlich dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst für die wirklich gute fachliche Begleitung, insbesondere Herrn Hederich, der den gesamten Prozess mit begleitet hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der lange Diskussionsprozess bedeutete in unserem Fall eine intensive Diskussion. Das war vielleicht nicht unbedingt vorhersehbar. Allerdings ist es meiner Ansicht nach der Sache absolut angemessen.

Es gibt ein bekanntes Sprichwort, das lautet: Was lange währt, wird endlich gut. - Ich kann nur sagen: Es wäre schön gewesen, wenn dieses Sprichwort

auch für den vorliegenden Gesetzentwurf gelten würde. Leider ist das nicht der Fall.

Es bestand die Chance - diese war durchaus vorhanden -, zu einem progressiven, modernen Richtergesetz zu kommen. Die Regierungsfraktionen haben diese Chance jedoch vertan. Genau aus diesem Grunde haben wir zur heutigen Beratung einen Änderungsantrag vorgelegt. Damit hat jede und jeder im Plenum die Wahl zwischen einem bestenfalls mittelmäßigen Entwurf und dem modernen Entwurf eines Richtergesetzes von der SPD-Fraktion. Herr Kollege Lammerskitten, Sie können sich drehen und wenden, wie Sie wollen: Mit dem Änderungsantrag werden die inhaltlichen Unterschiede, die wir aufgeschrieben haben, sehr deutlich. Es wird klar, wofür die SPD-Fraktion steht, und es wird klar, was die Fraktionen von CDU und FDP alles nicht gewollt haben. Dazu einige Beispiele.

Fangen wir bei der Frage an, ob Planstellen ausgeschrieben werden sollen oder müssen! Unsere Positionierung hierzu ist eindeutig. Bisher gibt es eine Regelung, welche eine Pflicht zur Ausschreibung vorsieht. Hiervon brauchen wir nicht abzuweichen. Gerade auf dem sensiblen Gebiet der Besetzung von Richterstellen ist allein schon zum Schutz der Richterinnen und Richter jeder möglicherweise aufkeimende Verdacht einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung von vornherein ausschließbar, nämlich mit der Pflicht zur Ausschreibung und damit der Gewährung von Transparenz. Warum das hier unnötigerweise aufgeweicht werden soll, erschließt sich nicht.

Der zweite Unterschied betrifft die Frage, wie es eigentlich mit der richterlichen Mitbestimmung steht. Für uns ist die Möglichkeit zur Mitbestimmung ein wesentlicher Baustein in diesem Gesetz. Wir wollen eine Stärkung der richterlichen Mitbestimmung. Genau deswegen ist es nicht hinnehmbar, wenn auf Maßnahmen, die sowohl der Mitbestimmung als auch dem Benehmen unterfallen, automatisch das schwächere Recht Anwendung finden soll. Das ist nicht in Ordnung. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dort eine Einzelfallprüfung vorzusehen, sodass in Konkurrenzsituationen sehr wohl die Mitbestimmung und damit das stärkere Recht zum Tragen kommen kann.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Vorschlag, den Sie uns unterbreiten, ist in hohem Maße anfällig für Manipulationen, da nach Ihrem Gesetzentwurf lediglich eine Konkurrenzsi

tuation zwischen Mitbestimmung und Benehmen geschaffen werden muss, um Maßnahmen aus der Mitbestimmung hinauszuwerfen. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass wir einen solchen Vorschlag unterstützen.

Zur Stärkung der Mitbestimmung gehört ebenfalls, dass wir Maßnahmen, die ursprünglich lediglich dem Benehmen unterliegen, der Mitbestimmung unterwerfen. Abordnungen, Versetzungen von Richterinnen und Richtern, die dauerhafte Übertragung von Verwaltungsaufgaben oder die Übertragung weiterer Richterämter sind aus unserer Sicht für die berufliche Entwicklung der Betroffenen von großer Bedeutung und gehören damit ohne Wenn und Aber in den Bereich der Mitbestimmung.

(Beifall bei der SPD)

Dritter Punkt. Welche Zuständigkeiten sollen die Präsidialräte eigentlich haben? - Da führen wir eine Anhörung durch, und der Präsidialratsvertreter äußert sich wie folgt:

„Die Erweiterung der Aufgaben des Präsidialrats ist mir ein Anliegen, dem der Entwurf nicht Rechnung getragen hat.“

Ich betone ausdrücklich: „Erweiterung“. Es ging dabei um die Einschränkung in Bezug auf die Ernennung von Bewerbern zu Richterinnen und Richtern auf Probe. Der Präsidialrat wünschte den Wegfall der Einschränkung und die Zuständigkeit für jeden Fall. Der Vertreter der Verwaltungsrichter unterstützte diesen Vorschlag und hielt den Wegfall der Einschränkung für wünschenswert. Der Vorsitzende des Richterbundes hat in seiner Funktion als Vorsitzender des Hauptrichterrats die Aussage des Präsidialrats nachdrücklich unterstützt. Der Vertreter der Neuen Richtervereinigung führte aus, dass er keinen Grund für die Einschränkung sehe.

Jetzt haben es Juristen ja immer gerne, Aussagen zu interpretieren. Diese Aussagen, die dort gemacht worden sind, sind allerdings deutlich und klar. In meinen Augen kann es nicht zwei verschiedene Auslegungsmöglichkeiten geben. Trotzdem bekamen wir von den Mehrheitsfraktionen einen Änderungsvorschlag vorgelegt, in dem - jetzt höre man gut zu! - die Zuständigkeit komplett gestrichen wird. Man streicht nicht, was an sich logisch wäre, die Einschränkung der Zuständigkeit, sondern die Zuständigkeit grundsätzlich und führt dann auch noch aus, das sei der eigentliche Wunsch derer, die angehört worden sind. Woher

diese Ansicht genommen wird, konnte niemand erläutern.

(Zurufe von der SPD: Unglaublich!)

Im Übrigen fehlt in diesem Gesetzentwurf jeder Hinweis, wie sich die Regierung und die Regierungsfraktionen die richterliche Selbstverwaltung vorstellen. Das meinte ich mit meinem Hinweis auf „bestenfalls mittelmäßig“. Wir haben das eben gerade gehört. In etlichen anderen Bundesländern diskutiert man intensiv die Möglichkeiten einer Selbstverwaltung. In diesem Gesetzentwurf dazu aber keine Idee und kein Hinweis!

Das Justizministerium hatte im letzten Jahr immerhin zu einer Tagung eingeladen. In der Überschrift stand noch etwas von Selbstverwaltung. Der Untertitel lautete sinngemäß: Ich bin dann mal weg. - An der Stelle waren wir noch hoffnungsfroh und hofften auf interessante Vorschläge. Aber auch hier kamen keine Visionen, hier kamen keine Ideen, bestenfalls lediglich Realitätsparaphrasen.

(Beifall bei der SPD)

Ein letztes Beispiel für Verschlimmbesserungen ist die Suche nach einer akzeptablen Bezeichnung für die Richtervertretungen an Amtsgerichten. Ursprünglich wollte man dort die Bezeichnung „Amtsgerichtssprecher“ wählen. Das war den Richterinnen und Richtern - noch verständlich - zu nah an „Pressesprecher“. Wir haben dann den Begriff „Vertrauensperson“ vorgeschlagen, um einen gängigen und passenden Begriff zu wählen. Mehrheitlich wurde dann jedoch der Begriff der „Amtsgerichtsrichtervertretung“ aufgenommen.

(Detlef Tanke [SPD]: Unwort des Jah- res!)

Das ist inhaltlich nicht besser, aber noch schlechter aussprechbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Man könnte diese Aufzählung noch um die unterschiedlichen Auffassungen zu Möglichkeiten der Altersteilzeit, einer flexiblen Altersgrenze oder zu den Bedingungen für die Arbeit der Richterräte und Präsidialräte ergänzen. Dafür reicht die Zeit leider nicht aus. Ich kann Sie nur ermuntern: Stimmen Sie dem Änderungsantrag zu! Er ist eh viel besser.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Professor Zielke von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Begriff des Staatsdieners einmal etwas großzügig fassen, dann gibt es unter diesen Staatsdienern einige Gruppen, denen die Gesellschaft eine besondere Unabhängigkeit bei der Erfüllung ihrer Kernaufgaben garantiert. Dazu gehören Abgeordnete - nur ihrem Gewissen verantwortlich -, Professoren - Forschung und Lehre sind frei - und eben Richter, die unbeeinflusst von anderen Staatsorganen Recht sprechen.

Die Unabhängigkeit der Judikative ist eine der tragenden Säulen unserer Demokratie. Sie macht einen entscheidenden Unterschied zu autoritären und totalitären Regimen mit ihren Schauprozessen und ihrer politischen Justiz aus, wie es sie bis vor 20 Jahren im sogenannten sozialistischen Teil Deutschlands gegeben hat.

Gerade wegen der Freiheit und Unabhängigkeit im Kern ihrer Tätigkeit bedürfen diese Berufsgruppen eines gesetzlichen Rahmens für ihre Tätigkeit und ihre innere Organisation. Deshalb haben wir Abgeordnetengesetze, Hochschulgesetze und auch Richtergesetze.

Durch die Föderalismusreform sind die Kompetenzen für die Richtergesetze auf die Bundesländer übergegangen. Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen wollen, nutzt Niedersachsen diese Kompetenz. Vor uns liegt ein Gesetz, das im Rechtsausschuss mit großer Sorgfalt beraten worden ist. Es ist ein gutes Gesetz.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte ausdrücklich nicht versäumen, an dieser Stelle auch für die FDP dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages einen großen Dank auszusprechen für die Begleitung dieses Vorhabens, zum Schluss unter erheblichem Zeitdruck. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die sachorientierte und konstruktive Atmosphäre der Beratungen im Ausschuss. Das schließt ausdrücklich die Vertreter aller Parteien mit ein.