Protocol of the Session on December 15, 2009

Die Ausschreibung nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in welche diese Kriterien nicht einfließen können, hat nach Zeitungsberichten bislang erheblichen Protest unter den gemeinnützigen Rettungsdiensten ausgelöst, die einen Verlust der Arbeitsplätze befürchten, aber auch vor den Auswirkungen auf ihre ehrenamtliche Arbeit in Form der Schnelleinsatzgruppen - SEGen - für den Massenanfall von Verletzten und im Sanitätsdienst des Katastrophenschutzes warnen - Deister-LeineZeitung vom 27. November 2009 - und welche zwischenzeitlich gegen die Ausschreibung gerichtlich vorgehen; nachzulesen in der HAZ vom 9. Dezember 2009.

Der Ministerpräsident hat jedoch in einem Schreiben an eine CDU-Bundestagsabgeordnete aus Hannover eine völlig andere Rechtsauffassung vertreten. Danach müssten die Rettungsdienstleistungen nicht ausgeschrieben werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Sind - und, wenn ja, warum - nach Auffassung der Landesregierung die Träger von Rettungsdiensten bei der Vergabe der Durchführung der

Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes an Dritte im Wege des Submissionsmodells verpflichtet, diese national und kumulativ oder alternativ europaweit nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auszuschreiben, und welche Kriterien dürfen hierbei verwendet werden und welche nicht?

2. Hält die Landesregierung an der Auffassung fest, dass es sich bei dem bodengebundenen Rettungsdienst um eine hoheitliche Aufgabe handelt, und verfolgt sie weiterhin das Ziel, die Auftragsvergabe auch unter Berücksichtigung der gewachsenen Strukturen zu ermöglichen, und, wenn ja, wie will sie dies gewährleisten?

3. Warum ergreift die Landesregierung keine Initiative zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes oder - über den Bundesrat - des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, z. B. durch die Einführung der möglichen Bereichsausnahme, um eine Beauftragung der gemeinnützigen Rettungsdienste außerhalb des Vergaberechts und hieraus folgend die Sicherung der ehrenamtlichen Arbeit und der gewachsenen Strukturen im Rettungsdienst gerichtsfest zu gestalten?

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schünemann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der öffentliche Rettungsdienst auf der Grundlage des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes ist Teilbereich der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr und wird als hoheitliche Aufgabe wahrgenommen. Die Ausführung des Gesetzes obliegt den kommunalen Aufgabenträgern im eigenen Wirkungskreis. Sie handeln dabei eigenverantwortlich unter Bindung an Recht und Gesetz.

Es besteht auch nach der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes im Jahre 2007 in Niedersachsen keine Verpflichtung für die kommunalen Träger, die Beauftragung Dritter mit Leistungen des Rettungsdienstes gemäß § 5 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes im Wege der Ausschreibung vorzunehmen.

Mit der Streichung der ehemals in § 5 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes festgelegten Auswahlkriterien im Zuge der Gesetzesnovellierung hat der Niedersächsische Landtag lediglich vorausschauend ein ausschreibungstaugliches und damit auch für den Fall einer zu Ausschreibungen verpflichtenden Entscheidung des EuGH europarechtskonformes Gesetz geschaffen. Die Träger des Rettungsdienstes sind nun nicht mehr verpflichtet, die ehemaligen Kriterien anzuwenden. Sie können aber weiterhin die Vielfalt der Anbieter und gewachsene Strukturen berücksichtigen, wenn sie bei ihrer Ermessensausübung im Rahmen der Auswahlentscheidung die generellen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz beachten.

In seinem Urteil vom 24. April 2008 hat das OVG Lüneburg bestätigt, dass nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine Ausschreibungspflicht für rettungsdienstliche Leistungen besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des OVG Lüneburg sind Auswahl- und Beauftragungsverfahren nach § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes Verwaltungsverfahren im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes und keine Vergabeverfahren nach §§ 97 ff. GWB.

Ein dieser Auffassung entgegenstehender Beschluss des BGH vom 1. Dezember 2008 zu Vergabeverfahren im Freistaat Sachsen entfaltet keine unmittelbare Wirkung in Niedersachsen. Der BGH führt im Kern aus, dass Rettungsdienstträger, die ihre Dienstleistungen nach sächsischem Rettungsdienstrecht durch Dritte im Wege des Submissionsmodells ausführen lassen, künftig national ausschreiben müssen. Eine Übertragung auf Niedersachsen scheidet schon deshalb aus, weil weder die streitbefangenen Parteien noch der Streitgegenstand - unterschiedliche Landesrettungsdienstgesetze - identisch sind. Zudem steht, wie ich schon gesagt habe, niedersächsische oberstgerichtliche Rechtsprechung dem entgegen. Ferner bestehen auch nach der Befassung des BGH weiterhin unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die verschiedenen Vergabevarianten - Submissionsmodell, Kommissionsmodell, Dienstleistungskommission - zu definieren sind, weiter.

Derzeit läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Vergabepraxis von Dienstleistungsaufträgen im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes, über das noch nicht entschieden ist. Daneben liegen dem EuGH zwei Anträge auf Entscheidungen zu

Beauftragungen in der Variante des Konzessionsmodells vor. Auch diese Entscheidungen könnten Auswirkungen auf den BGH-Beschluss und damit auf eine wie auch immer geartete voreilige Umsetzung haben.

Sowohl das Innenministerium als auch das Wirtschaftsministerium empfehlen den kommunalen Rettungsdienstträgern zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch weiterhin nicht, den in Niedersachsen nicht bindenden BGH-Beschluss umzusetzen. Entgegen den Ausführungen im Wortlaut der Anfrage besteht insoweit Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung, die Herr Ministerpräsident Wulff in seinem Schreiben vom 7. September 2009 an die Bundestagsabgeordnete Rita Pawelski zum Ausdruck gebracht hat.

Die Landesregierung spricht sich - so wie sie es bisher getan hat - dafür aus, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung, insbesondere den Ausgang des vor dem EuGH anhängigen Verfahrens, abzuwarten. Erst nach Vorliegen des Urteils des EuGH wird zu entscheiden sein, ob und gegebenenfalls welche Schritte vorzunehmen wären. Sofern die Wahrnehmung des Rettungsdienstes in der Entscheidung des EuGH als hoheitliche Aufgabe eingestuft wird, wie es die Niedersächsische Landesregierung in ihren zahlreichen Stellungnahmen im Rahmen des Verfahrens dargelegt hat, läge es auch zukünftig entsprechend der derzeitigen Rechtslage in der alleinigen Entscheidungsbefugnis der kommunalen Aufgabenträger, Leistungen auszuschreiben oder darauf zu verzichten.

Dies vorangestellt, beantworte ich die einzelnen Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1, 2 und 3 verweise ich auf das, was ich in meiner Vorbemerkung gesagt habe. Insofern ist klar, dass wir nicht erkennen können, dass aufgrund der Änderung des Rettungsdienstgesetzes eine Ausschreibung durch die Region Hannover notwendig ist. Ich formuliere es vorsichtig: Gerade vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Entscheidung ist es zumindest nicht hilfreich, diese Ausschreibung vorgenommen zu haben. Das ist dann aber tatsächlich eine Entscheidung der kommunalen Ebene. Insofern kann man so entscheiden, wie man dort entschieden hat.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hat man noch nicht!)

- Zumindest wird es ja so debattiert.

Die Landesregierung und der Landtag, der das Gesetz hier verabschiedet hat, haben zumindest

nicht dazu beigetragen, dass man eine solche Abwägung treffen muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister Schünemann. - Die erste Zusatzfrage von der SPD-Fraktion stellt Herr Kollege Bachmann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Schünemann, vor dem Hintergrund, dass wir diese Rechtsauffassung teilen - man kann sich ja auch einmal einig sein -, stelle ich die Frage: Warum ist dann bei der Novelle zum Rettungsdienstgesetz im Oktober 2007 dieser Hinweis auf die gewachsenen Strukturen aus dem Gesetz herausgenommen worden? Es wäre ja hilfreich gewesen, wenn er noch drin wäre.

Meine zweite Frage: Ist diese Rechtsauskunft allen Kommunen, die jetzt möglicherweise vor der Frage der Ausschreibung stehen, weil die Verträge auslaufen, von allen Ministerien gegeben worden? Nach unserer Information hat das Wirtschaftsministerium sich aufgrund der Zuständigkeit im Wettbewerbsrecht dazu vor einiger Zeit anders geäußert.

Herzlichen Dank auch dafür, dass Sie gleich angekündigt haben, dass es zwei Fragen sind. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schünemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bachmann, es ist allen bekannt, wie die Gesetzeslage ist. Dass wir hier im Landtag gemeinsam anders entschieden haben, hatte den Hintergrund, dass es sinnvoll ist, abzuwarten, wie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgehen wird. Wir haben gesagt: Egal, wie es ausgeht, wir sollten ein Gesetz machen, das nicht gleich danach wieder geändert werden muss. Deshalb wollten wir beides ermöglichen. Darauf hat uns besonders der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hingewiesen. Ich zitiere aus der Vorlage 25 vom 25. Mai 2007:

„Es wird vorgeschlagen, aus den in Vorlage 22, S. 8 ff. genannten Gründen auf Vorgaben für die Auswahlent

scheidung ganz zu verzichten. Sollte sich die Auffassung der Kommission durchsetzen, dass für das Auswahlverfahren die europäischen Vergabevorschriften zu beachten sind, müssen die §§ 97 ff. GWB Anwendung finden. Eine ausdrückliche Anordnung der Anwendung dieser Vorschriften im Rettungsdienstgesetz ist dafür aber entbehrlich. Die Anwendungsverpflichtung ergibt sich dann daraus, dass es sich bei der Beauftragung um die Vergabe eines öffentlichen Auftrages i. S. d. § 99 GWB handelt. Die vorgeschlagene Regelung kann also bei einer entsprechenden Entscheidung europarechtskonform angewendet werden.

Wird dagegen die Position Deutschlands bestätigt, dass Wettbewerbsbeschränkungen wegen der Besonderheiten der Rettungsdienstleistungen grundsätzlich zulässig sind, so ist der Rettungsdienstträger weiterhin nicht verpflichtet, eine Ausschreibung nach den Vorschriften des GWB vorzunehmen. Er hat aber bei der vorgeschlagenen Neufassung wie auch sonst bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern im Rahmen der Ermessensentscheidung den Grundsatz der Chancengleichheit und das Transparenzgebot zu beachten, er darf also nur sachgerechte Differenzierungskriterien verwenden. … Dies dürfte eine Berücksichtigung der Vielfalt der Anbieter bzw. der gewachsenen Strukturen nicht grundsätzlich ausschließen, der Rettungsdienstträger ist aber nicht mehr von Gesetzes wegen zu einer vorrangigen Beachtung dieser Kriterien verpflichtet. Er hat es vielmehr im Rahmen der genannten verfassungsrechtlichen Begrenzungen selbst in der Hand, die Auswahlkriterien zu gewichten, muss diese aber den Bewerbern im Rahmen eines transparenten Verfahrens bekannt geben …“

Das heißt, hier ist vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst darauf hingewiesen worden, so zu verfahren, weil dann beide Varianten angewendet werden können. Dies ist den Kommunen auch mitgeteilt worden.

Interessant ist allerdings - das ist mir gestern noch einmal gesagt worden -, dass die Region Hannover sogar im Jahr 2004 schon ausgeschrieben hat. Obwohl seinerzeit das neue Gesetz noch nicht galt, entschied man sich trotzdem dazu. Jetzt wird dargelegt, weil man damals nach dem Submissionsmodell ausgeschrieben gehabt habe, habe der BGH nun gesagt, es müsse auf jeden Fall weiter ausgeschrieben werden. Dies aber ist nicht richtig. Das haben wir hier noch einmal dargelegt und der Region auch übermittelt. Insofern wird das, was auch die Hilfsorganisationen in einem Gutachten der Region mitgeteilt haben, von uns 1:1 geteilt.

Zu Ihrer zweiten Bemerkung: Es gibt immer Abstimmungsgespräche mit den einzelnen Ressorts. Diese Abstimmungsgespräche haben dazu geführt, dass die Landesregierung einhellig die Meinung vertritt, die ich eben dargelegt habe. Das ist entscheidend.

Danke schön. - Ebenfalls für die Landesregierung möchte Herr Minister Bode antworten. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bachmann, Sie haben gefragt, ob das Wirtschaftsministerium Kommunen anderslautende Auskünfte gegeben habe. Ich habe meine Mitarbeiter gefragt; sie konnten sich nicht an Anfragen von kommunaler Seite an das Wirtschaftsministerium erinnern, auf die es entsprechende Antworten hätte geben können. Wir wären daher für einen Hinweis dankbar, falls es da irgendetwas gegeben hat, was wir nicht im Fokus gehabt haben.

Würden Sie allerdings heute fragen, welche Auskunft das Wirtschaftsministerium gäbe, falls eine derartige Anfrage käme, so lenkte ich den Fokus zunächst auf das EuGH-Verfahren, das im kommenden Jahr zur Entscheidung kommen wird und von dem Niedersachsen betroffen ist. Das EuGHVerfahren richtet sich nämlich gegen die Region Hannover, den Landkreis Hameln-Pyrmont und den Landkreis Uelzen. Es gibt also auch im Rahmen dieses EuGH-Verfahrens eine direkte niedersächsische Betroffenheit. Außerdem gibt es eine Rechtsunklarheit durch die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 24. April 2008 und des BGH vom 1. Dezember 2008, also in einem ziemlich zeitnahen Zusammenhang. Deshalb würde das Wirtschaftsministerium immer empfehlen, zunächst

eine Übergangslösung bis zur Entscheidung des EuGH vorzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage für die Fraktion DIE LINKE stellt Herr Dr. Sohn. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Zusatzfragen.

In der letzten Woche hat eine Demonstration von Beschäftigten der Region Hannover stattgefunden, die ein Plakat mit sich trugen, auf dem stand: Nachts um drei auf der A 2 bei 4 Euro die Stunde sind wir nicht dabei. - Vor dem Hintergrund dieses schönen Plakats frage ich die Landesregierung erstens, was sie gegen drohende Dumpinglöhne in diesem Sektor tun möchte - oder ob sie gar nichts tun möchte -, und zweitens, ob aus ihrer Sicht die Rekommunalisierung ein Weg ist, um Dumpinglöhne zu verhindern.

Herzlichen Dank auch für die Ankündigung, dass es zwei Fragen sind. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Schünemann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kommunen sind in Ausführung der hoheitlichen Aufgaben dafür zuständig. Deshalb haben sie dies auch sicherzustellen.

Zweitens. Eine Rekommunalisierung würde dazu führen, dass es nicht als hoheitliche Aufgabe gilt. Insofern wäre eine Ausschreibungspflicht sofort gegeben. Dass es eine hoheitliche Aufgabe ist, ist aus meiner Sicht zweifelsfrei. In dem gesamten Verfahren vor dem EuGH war es schon erfreulich, dass die Niederlande unserer Rechtsauffassung beigetreten sind, sodass wir dort sogar Unterstützung gehabt haben. Eine Rekommunalisierung sehe ich also überhaupt nicht.

Herzlichen Dank. - Weitere Zusatzfragen zu diesem Punkt liegen nicht vor. Damit können wir diesen Tagesordnungspunkt als erledigt betrachten.

Ich rufe nunmehr wieder den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fortsetzung zweite Beratung Haushalt 2010 - Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte (einschl. einzubringender Änderungsanträge) unter Einbeziehung der betroffenen Ressortminister