Protocol of the Session on December 15, 2009

Dies würde uns allen eine Menge Zeit sparen, und wir wären damit zügiger durch.

Meine Damen und Herren, die Sozialausgaben in Niedersachsen stagnieren seit Jahren. Die Bildungsausgaben in Niedersachsen liegen deutlich unter dem, was für eine gute Zukunft unserer Kinder notwendig wäre. Wir haben die tiefste Krise seit über 70 Jahren. Im Gegensatz zu dem, was Herr McAllister gestern hier gesagt hat - er nannte diese Krise Finanztsunami -, handelt es sich dabei nicht um eine Naturkatastrophe; das ist wirklich von Menschen gemacht. Wenn gestern jemand von der CDU bei der Veranstaltung des Katholischen Büros zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft gewesen wäre, hätte er dazu viel Spannendes hören können.

(Beifall bei der LINKEN)

Überall heißt es; Der Gürtel soll enger geschnallt werden. Überall wird Bescheidenheit gepredigt. - Aber was machen Sie? - Sie erhöhen beim Posten „Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung“ im Vergleich zu 2008 die Haushaltsmittel deutlich. Sie können natürlich sagen, hier handele es sich nur um einen kleinen Posten. Aber erklären Sie einmal den Menschen in Niedersachsen, warum sie ausgerechnet in einer solchen Zeit die Mittel, die dem Ministerpräsidenten direkt zur Verfügung stehen, erhöhen, und zwar von 14 000 auf 25 000 Euro.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das Leben ist teuer!)

Das können Sie nicht überzeugend erklären, und das passt auch nicht zu dem, was wir gestern hier gehört haben:

„Der verantwortliche Umgang mit den Landesfinanzen … bleibt ein Markenzeichen dieser Regierungskoalition.“

Das hat Herr McAllister gestern hier gesagt. Mit solchen Haushaltsentscheidungen kann ich das nicht in Übereinstimmung bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilbers?

Aber bitte doch, Herr Hilbers.

Frau Flauger, können Sie bestätigen, dass die Erhöhung der Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit darauf zurückzuführen ist, dass bei dieser Buchung jetzt das Bruttoprinzip angewandt worden ist, dass die Einnahmen also nicht mehr wie in der Vergangenheit von den Ausgaben abgesetzt werden, sondern Einnahmen und Ausgaben separat ausgewiesen werden und deswegen die Ausgaben gestiegen sind?

(Heinz Rolfes [CDU]: Und die Ein- nahmen entsprechend auch!)

Ich finde, dann sollten Sie den Menschen das auch sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann erst einmal bestätigen, dass Sie die Mittel da deutlich erhöht haben und dass Sie große Schwierigkeiten haben werden, den Menschen in diesem Land das zu erklären.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Zwischen Brutto und Netto ist ein Unterschied!)

Wir haben vier Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht, die die Mittel in diesen Bereichen in die Nähe des Standes von 2008 bringen werden. Das spart 161 000 Euro. Für einen Teil dieser Einsparung nenne ich Ihnen jetzt bessere Verwendungsmöglichkeiten.

Sie wollen die Haushaltssumme für das Europäische Informations-Zentrum kürzen. Sie meinen: Die Europawahl 2009 ist jetzt vorbei. Jetzt kann man da wieder kürzen. - Das haben Sie jedenfalls als Begründung genannt.

(Wilhelm Hogrefe [CDU]: Auch das ist eine schiefe Darstellung!)

Wir haben für eine solche abstruse Haltung wirklich kein Verständnis; das sage ich Ihnen hier ganz deutlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Beteiligung an den Europawahlen ist kontinuierlich gesunken. Bei der ersten Wahl 1979 lag sie immerhin noch bei knapp 66 %. Das ist zwar nicht berauschend, aber das kann man immerhin als ausreichende demokratische Legitimation werten. In diesem Jahr lag die Wahlbeteiligung aber, nachdem sie ständig zurückgegangen ist, in Deutschland nur noch bei 43,3 %, bei deutlich weniger als der Hälfte der Wahlberechtigten.

Jetzt kommen wir zu Niedersachsen. Hier sind nur 40,5 % der Wahlberechtigten zur Europawahl gegangen. Ich als überzeugte Demokratin und überzeugte Europäerin halte das für eine Katastrophe. Ich frage mich ernsthaft, wie diese Landesregierung es eigentlich mit ihrem Demokratieverständnis vereinbaren kann, wenn sie in ihrer Unterrichtung in Drs. 16/1618 als Erfolgsmeldung schreibt:

„Im Vergleich mit den Europawahlen 2004 ist die Wahlbeteiligung in Niedersachsen von 40,1 auf 40,5 % leicht gestiegen. Sicherlich haben viele Faktoren dazu beigetragen, die Wahlbeteiligung auf dem Niveau von 2004 zu stabilisieren.“

Es folgt eine Aufzählung der Aktivitäten.

Meine liebe Landesregierung, eine Wahlbeteiligung von 40,5 % ist nun wirklich kein Grund für eine Erfolgsmeldung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Rolfes, weil Sie so irritiert sind: Das war eine Unterrichtung der Landesregierung zu dem Beschluss dieses Landtages „Europa bewusst machen - Wahlbeteiligung erhöhen“. Das war die Stellungnahme Ihrer Landesregierung: Toll, dass wir die Wahlbeteiligung bei etwas über 40 % gehalten haben!

(Heinz Rolfes [CDU]: In welchem Ka- pitel des Haushaltes steht das denn?)

Die Bürgerinnen und Bürger messen der EU offensichtlich weniger Bedeutung bei, als sie ihren tatsächlichen Auswirkungen nach angemessen wäre. Da fehlt einfach noch ganz viel Transparenz Richtung Straßburg und Brüssel.

Herr Wulff, ich weiß nicht, was Sie als Europaminister wollen. Aber ich sage Ihnen, was wir als Linke wollen: Wir wollen die Identifikation der Menschen mit Europa erhöhen. Deshalb wollen wir ein soziales Europa und haben hier entsprechende Anträge vorgelegt. Wir wollen das politische Verständnis der Menschen für die Bedeutung der Europäischen Union fördern. Eigentlich müssten auch Sie das wollen. Vielleicht dürfen Sie das jetzt nicht mehr wollen, weil es die Linke will; das weiß ich nicht so genau.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Er ist schon länger unter- wegs als Sie!)

Klar ist jedenfalls auch: Europa bewusst machen und die Wahlbeteiligung erhöhen geht nicht, indem man ein paar Monate vor einer Wahl die Aktivitäten hochschraubt und dann wieder bis zur nächsten Wahl die Mittel zusammenstreicht und in eine gewisse europapolitische Zwischenwahlstarre verfällt. - Das sagen im Übrigen nicht nur wir, sondern das sagt auch der Leiter der Vertretung der EUKommission in Deutschland, Matthias Petschke, der betont hat, dass es eben nicht reicht, dieses Thema jeweils ein paar Monate vor der Wahl aus der Versenkung zu holen. In die gleiche Richtung gehen - das hat Herr Tanke schon gesagt - Äußerungen der Europa-Union und auch der Europaministerkonferenz.

Von den vorhin erwähnten 161 000 Euro Einsparungen in diesem Einzelplan wollen wir 75 000 Euro dem Europäischen Informations-Zentrum - dem EIZ - zur Verfügung stellen und damit dessen Budget auf 150 000 Euro erhöhen - für eine noch deutlich intensivere Bildungs- und Informationsarbeit zur Europäischen Union. Wir werden dazu auch inhaltliche Vorschläge vorlegen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des EIZ ausdrücklich für die hervorragende und engagierte Arbeit zu bedanken. Sie machen da einen sehr guten Job und verdienen alle Unterstützung.

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen aus den genannten Einsparungen ein weiteres wichtiges Anliegen finanzieren: die Stärkung der lokalen Bürgermedien. Dafür wollen wir 50 000 Euro bereitstellen. Das ist wirklich keine hohe Summe. Aber damit wird den Menschen in unserem Land ein Mittel der Partizipationsförderung bereitgestellt, und damit wird Demokratie gefördert. Die Landesregierung hat zwar schon im Koalitionsvertrag gesagt, dass sie auch im lokalen Bereich kommerzielle Sender für eine gute Idee hält. Aber wir haben erhebliche Zweifel daran, ob es so gut ist, wenn diejenigen, die uns Konsumgüter verkaufen, auch diejenigen sind, die darüber entscheiden, welche Nachrichten wir hören. Wir sehen das sehr kritisch.

Ich hätte mir z. B. gewünscht, dass aus der gestrigen Generaldebatte zum Haushalt mehr Inhaltliches zur katastrophalen Haushaltspolitik dieser Landesregierung und zur Kritik der Oppositionsfraktionen berichtet worden wäre. Politikverdrossenheit hat einen Grund sicherlich auch darin, dass nur von einem kleinen und leider nicht sehr repräsentativen Ausschnitt der Ereignisse in Parlamenten berichtet wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Bürgermedien bieten die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger Reportagen und Nachrichten selbst gestalten. Das stärkt auch ihre Fähigkeit zum kritischen Umgang mit Medien und schafft einen - wenn auch begrenzten - Raum für Gegenöffentlichkeit. Darum wollen wir diese Medien fördern.

Ich komme jetzt zu Bundesangelegenheiten und greife nur einen ganz aktuellen Punkt heraus: Am Freitag steht im Bundesrat das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf der Tagesordnung. Ganz im Sinne der gewohnten Klientelpolitik von CDU/CSU und FDP sollen von diesem Gesetz in erster Linie diejenigen, die Besserverdienende und Vermögende sind, und große Unternehmen profitieren. Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist unter sozialen Gesichtspunkten völlig schief gewickelt. Wer hat, dem wird gegeben.

Wie sieht es z. B. mit der geplanten Kindergelderhöhung aus? - Kinder, deren Eltern Hartz IV beziehen oder deren alleinerziehende Väter und Mütter Unterhaltsvorschussleistungen beziehen, haben gar nichts von ihrer Kindergelderhöhung, weil sie direkt mit den Leistungen verrechnet wird. Das betrifft in Niedersachsen mehr als 200 000 Kinder.

So gehen Sie mit in Armut lebenden Kindern um! Gleichzeitig wollen Sie mit Ihren neuen Erbschaftsregelungen Großerben, die 50 Millionen Euro und mehr bekommen, steuerlich massiv entlasten. So viel zur sozialen Schieflage der neuen schwarzgelben Idee!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Aber das ist noch nicht des Dramas ganze Härte. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung wird nämlich zum Schuldenbeschleunigungsgesetz für Niedersachsen werden. Nach Angaben von Herrn Möllring kommen da auf das Land Niedersachsen allein im nächsten Jahr Steuermindereinnahmen von 130 Millionen Euro zu, und 2011 sollen es sogar 220 Millionen Euro sein. Die Städte und Gemeinden zwischen Ems und Leine müssen 2010 auf 100 Millionen Euro Steuern verzichten, 2011 noch einmal auf doppelt so viel.

Herr Wulff, ich habe Sie hier Ende Oktober aufgefordert, sich den unsozialen, schuldenbeschleunigenden Ideen der Bundesregierung zu widersetzen, Rückgrat zu zeigen und Ihre Kritik an den Vorschlägen aufrechtzuerhalten, die da diskutiert wurden und sich jetzt auch durchgesetzt haben. Ich wiederhole diese Aufforderung heute: Verweigern Sie am Freitag Ihre Zustimmung zum sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz! Das sind Sie als Ministerpräsident dem Land Niedersachsen schuldig.

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es liegt der Wunsch nach einer Kurzintervention vor. Hierzu erteile ich dem Kollegen Hilbers das Wort.

(Heinz Rolfes [CDU]: Kurz, trocken und präzise!)