Protocol of the Session on December 14, 2009

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe von Herrn Langspecht jetzt etwas gelernt: Wenn man Medienvertreter einlädt, dann ist das ein schwerer Schlag gegen die Verbesserung der Transparenz. - Das muss man sich vor Augen führen.

Meine Damen und Herren, für die freundlichen Wünsche, die Sie Herrn Tanke für die Weihnachtsferien mitgegeben haben, hätte es keiner Aktuellen Stunde bedurft. Das hätten Sie auch persönlich machen können.

(Beifall bei der SPD)

Er ist da in der Tat - darüber sind wir uns durchaus nicht nur einig, sondern das haben wir auch lesen können - mit dieser Bemerkung, die er vorher gemacht hat, über das Ziel hinausgeschossen. Wenn Sie aber glauben, mit dieser Aktuellen Stunde und dem, was Sie hier veranstalten wollen, über den eigentlichen Tatbestand, der Inhalt des Ausschusses war, hinwegzukommen, dann gehen Sie an der Realität vorbei. Der Ausschuss beweist in jeder Sitzung, dass hier über Jahrzehnte hinweg eine organisierte Verantwortungslosigkeit bei der Einlagerung von atomarem Müll geherrscht hat.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Es geht um Manipulation, Herr Bartling!)

- Es geht überhaupt nicht um Manipulation, sondern es geht um das Thema! Dieses Thema ist die Endlagerung von atomaren Abfällen. Das ist das Entscheidende!

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Nicht ablenken! Herr Tanke hat etwas anderes behauptet!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es bleibt ein Tatbestand, der überhaupt nicht wegzudiskutieren ist. Sie - die Landesregierung - sind verpflichtet, vollständig und unverzüglich alle Akten

vorzulegen. In der letzten Sitzung ist Herrn Tanke auf die Frage, ob denn nun alles vorgelegt worden sei, geantwortet worden: Das wissen wir nicht genau. - Ihrer Verpflichtung kommen Sie nicht nach! Das ist das Entscheidende dabei!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wenn ich eben von der organisierten Verantwortungslosigkeit im Umgang mit dem Thema sprach, dann ist es doch das Entscheidende, dass diese Landesregierung mit Herrn Sander diese organisierte Verantwortungslosigkeit fortführt und eben keinen Schlussstrich darunter zieht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn wir heute noch zur Kenntnis nehmen dürfen, dass Herr Röttgen sagt, Gorleben sei etwas, wohin man müsse, das favorisiere er, dann sehe ich, dass Sie die Verantwortlichen dafür sind, dass Niedersachsen zum Atomklo der Bundesrepublik Deutschland werden wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das, was wir durch den Untersuchungsausschuss schon ermittelt haben, die Aktivitäten, die dort entfaltet worden sind, um Atomendlager zu ermitteln und zu untersuchen, wohin so etwas kann - - -

(Christian Dürr [FDP]: Weil Sie die Fragen jahrelang verschleppt haben, Herr Bartling!)

Wenn Sie das jetzt mit der Zielsetzung machen, Gorleben zu favorisieren, dann wissen wir, wohin das geht. Sie werden immer unseren entschiedenen Widerstand gegen ein solches Verfahren finden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Herzog für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich ausdrücklich bei der CDU, dass es hier möglich wird, an exponierter Stelle auch ein

mal über Ihren Stil, Ihre Fakten und Ihre Aufklärungsleistung zu sprechen.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Vorweg: Ich wäre nicht so vorgegangen wie die SPD. Mir ist es wichtiger, dem Untersuchungsauftrag zu folgen. Mediale Platzpatronen sind da nicht hilfreich.

(David McAllister [CDU]: Oha!)

Wenn Atomminister Sander zurücktreten müsste, dann zuvorderst wegen inhaltlicher Überforderung und unterlassener Atomaufsicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch Sie von der CDU haben ja quasi geschworen, das Asse-Desaster brutalstmöglich zu erhellen. Herr Langspecht, ich erlebe aber etwas völlig anderes. Ich erlebe eine fleißig fragende Opposition und auf der anderen Seite eine CDU, deren wichtigstes Ziel es ist, die Atomindustrie, ihre Minister, die wegbereitenden Wissenschaftler und vor allem die saubere Atomenergie als solche zu schützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Fragen sind Alibifragen, so gestellt, dass herauskommen soll: Erstens. Es war alles die SPD.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das haben wir nicht gesagt!)

Zweitens. Das mit der Asse ist ein bisschen schlimm, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Drittens. Heute ist alles besser. Viertens. In Gorleben wurde alles richtig gemacht.

Hier will ich Herrn Försterling - wo ist er? - einmal ausnehmen. Er gibt sich nämlich deutlich mehr Mühe, in die Skandalkatakomben der Asse hinabzusteigen, als Sie, Herr Langspecht.

Schlechter Stil ist es aber durchaus, wenn von CDU und FDP alle, aber auch wirklich alle Verfahrensentscheidungen mit ihrer Mehrheit und nach ihrem Gusto durchgedrückt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wie Ihr Vorsitzender Nacke Fragen unterbindet, zeugt von einem hohen Maß an Unkenntnis über den Untersuchungsauftrag.

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist eine Un- verschämtheit!)

Herr Nacke, ich empfehle Ihnen, den Auftrag noch einmal genau zu studieren. Denn ich werde mir nicht mehr gefallen lassen, wie Sie in der Manier eines Kreisklassenausputzers grobschlächtig in meine Fragen grätschen,

(Beifall bei der LINKEN)

wenn sie sich um den Fragenkomplex Nr. 5 drehen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Dann lassen Sie das doch klären! - Christian Dürr [FDP]: Weil Sie nicht in der Lage sind, richtige Fragen zu stel- len!)

In dem geht es bekanntermaßen - daran will ich erinnern, Herr Nacke - um wissenschaftliche Ausarbeitungen zur Eignung von Salzstöcken und darum, ob Informationen ausgesondert wurden, wie z. B. bei der PTB-Stellungnahme zu Gorleben 1983, oder welche Schlussfolgerungen man aus der Asse für die Auswahl anderer Standorte zog, ob Erkenntnisse auf andere Salzstöcke übertragbar sind, ob sie Auswirkungen auf die Erkundung weiterer Salzstöcke hatten etc.

Meine Damen und Herren, beinahe lachen musste ich aber dann, Herr Nacke, als der vermeintliche Kronzeuge der CDU, der Historiker Anselm Tiggemann, auftrat. Der hat zu Asse kaum gearbeitet, Herr Langspecht, aber zu Gorleben hat er viel gemacht. Zu Gorleben ließ der Vorsitzende Nacke Sie und Ihre Kollegen diesen Ihren Zeugen stundenlang befragen. Pech war allerdings, dass das total in die Hose ging, weil Tiggemann nämlich freimütig zugab, dass ihm schleierhaft sei, wie man „die Probleme der Asse ausblendete“, weil er die Manipulation des PTB-Gutachtens zu Gorleben im Jahr 1983 mit den Worten, hier habe „ein Ministerium nicht hineinzupfuschen“, bestätigte und weil er die Aussortierung des Gorleben-kritischen Projektleiters der PTB, Professor Duphorn, im Jahr 1981 als „sehr problematisch“ und „wissenschaftlich nicht korrekt“ brandmarkte. Das sind die Fakten, Herr Langspecht, Herr Nacke, die wir aus den Zeugen rauszutzeln. Für Sie ist das natürlich ein Schlag ins Atomkontor, weil die das Prinzip von wissenschaftlichem und politischem Versagen, von Vertuschen und bewusstem Manipulieren aufdecken, mit dem die Atomindustrie jahrzehntelang befördert wurde.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sie haben auch kein Problem damit, dass die Akten des NMU so schnarchlappig daherkleckern, dass wichtige Dokumente des NMU exakt erst an dem Tag vorgelegt werden, als sein Chef im PUA schwitzen musste - wohlgemerkt: nach einem halben Jahr -, so z. B. die Minister- und Kabinettsvorlagen aus Ihrer Regierungszeit, Berichte über kontaminierte Laugen aus der Zeit vor Sanders angeblicher erstmaliger Kenntnisnahme usw.

(Widerspruch von Karl-Heinrich Lang- specht [CDU])

Lücken gibt es in den Akten genug; z. B. 15 fehlende Jahre in den Staatssekretärsvorlagen. Diese Lücken sind meiner Meinung nach genauso schlimm wie die Lücken im Gedächtnis und in der Sachkunde des Ministers.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Fazit: Wir fördern im Gegensatz zu Ihnen etliches an Beweisen und Fakten zutage. Hören Sie auf, die Arbeit des Ausschusses durch Verfahrenstricks und Zeugenverschiebungen zu behindern! Wir brauchen im Untersuchungsausschuss, Herr Langspecht, keine Verzögerungstaktiker und politischen Weichzeichner, sondern wir brauchen ehrlichen Aufklärungswillen. Das ist unser Auftrag. Das erwarten die Menschen an der Asse, aber auch in Gorleben und anderswo.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)