„Die Stichtagsregelung muss aufgehoben werden und stattdessen eine Mindestaufenthaltsdauer eingeführt werden.“
Es ist sicherlich nicht unbemerkt geblieben, dass ich schon im Vorgriff die neue Geschäftsordnung anwende. Sonst hätte ich bei dem einen Redner oder der anderen Rednerin schon längst im Blick darauf intervenieren müssen, dass Erklärungen und Reden nicht verlesen werden dürfen. Ich setze die Zustimmung des Hauses voraus, dass ich so verfahre; denn wir werden das ohnehin im Verlauf der Debatte ändern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Oetjen, ich möchte noch einmal betonen, was ich vorhin gesagt habe. Sie sprechen hier von einer Atempause. Den Flüchtlingen steht im wahrsten Sinne des Wortes der Schweiß auf der Stirn. 15 000 Menschen haben nicht von der Bleiberechtsregelung profitiert. Diese sind jetzt schon von
der Abschiebung bedroht. Darunter befinden sich viele Roma. Sie wissen, Niedersachsen hat die meisten Roma. Gerade in dieser Woche wurde wieder die Abschiebung eines Vaters mit seiner jungen Tochter verhindert.
Die Anordnung des Innenministers sagt selbst, dass dieser Beschluss der Innenministerkonferenz überflüssig ist. Dann sagen Sie mir doch bitte, wie dieser Beschluss eine Atempause schaffen soll! Die Bundestagsfraktion der Grünen hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Stimmen Sie dem zu! Er enthält eine gesetzliche Verlängerung, die klar und deutlich ist, und orientiert sich an dem ehemaligen FDP-Gesetzentwurf.
Nun zu Ihnen, Frau Lorberg. Sie haben in Ihren Reden wirklich im Verhältnis 1 : 1 die Pauschalverdächtigungen, die Stereotypen und das tiefe Misstrauen gegenüber diesen Menschen von Innenminister Schünemann übernommen.
Sie lassen die Flüchtlinge wie faule Betrüger und Lügner erscheinen. Ich betone noch einmal: Diese faulen Betrüger und Lügner sind zum größten Teil, zu über 60 %, Kinder und Jugendliche.
Das Asylbewerberleistungsgesetz und alle anderen Gesetze erschweren es den Leuten, sich zu integrieren. Sie sind faktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Den Jugendlichen ist es verboten, eine Ausbildung zu machen. Damit erzähle ich Ihnen doch nichts Neues!
Dann hören Sie doch bitte wenigstens auf Bischof Trelle, der Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat: „Wir dürfen nicht alle Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen.“ Das war ein Appell an die CDU und an Ihre Regierung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bachmann, wir sind ja unter uns. Wenn Sie es nicht weitererzählen, damit kein Mythos zerstört wird: Sie haben Herrn Glogowski und Herrn Bartling besonders gelobt. Ich darf Ihnen einmal die Abschiebezahlen nennen. Im Jahr 1998: 3 480.
Das ist zu den Zeiten von Herrn Glogowski gewesen. Im Jahr 2002: 2 390. Das war das letzte Jahr von Herrn Bartling. Wir haben mit Stand vom 30. November 2009 523 Abschiebungen. Ich wollte hier mit diesen Zahlen einmal darstellen, wie es tatsächlich gewesen ist.
Nun zu Ihnen. Wenn Sie hier darstellen, dass die Bleiberechtsregelung aus den Jahren 2006, 2007 und jetzt eine Scheinlösung ist, dann darf ich Ihnen auch hierzu einmal die Zahlen zur Bleiberechtsregelung aus der Zeit der von der SPD und den Grünen geführten Bundesregierung aufzeigen. Zum Beispiel 24. November 2000: 437. 24. November 2001: 22. 10. Mai 2001: 1 174. 8. November 2001: 12. 24. Juni: 44. Zum 19. November 2006 - das ist die IMK-Lösung -: 2 362, die bereits ein Aufenthaltsrecht bekommen haben. Mit der gesetzlichen Regelung haben jetzt 5 269 ein Aufenthaltsrecht auf Probe bekommen, davon schon 1 267 mit einem echten Aufenthaltsrecht. In Niedersachsen sind es mehr als 2 000, die hier auch wieder ein Aufenthaltsrecht bekommen. Hierbei von einer Scheinlösung zu sprechen vor dem Hintergrund, dass Sie das vorher nicht zustande bekommen haben, zeigt, dass Sie die Realität schlichtweg ausblenden. Das muss man eindeutig feststellen.
Ich möchte an dieser Stelle einen Brief von Herrn Dr. Weber, den Sie ja kennen, von der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig zitieren:
es ist mir ein Anliegen, sowohl als Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, aber auch als Bischof der Braunschweigischen Landeskirche, Ihnen für Ihr Engagement in der letzten Sitzung der Innenministerkonferenz zu danken. Sie haben sich dafür stark gemacht, dass das Bleiberecht um zwei Jahre verlängert wird. Dies schafft mit Sicherheit eine Pause zum Atemholen, die vor allen Dingen die Menschen, um die es geht, entlastet, aber auch den politisch Verantwortlichen für weitere Klärungsprozesse Zeit gewährt.“
So weit dieses Zitat von der evangelischen Kirche. Dann können Sie ja wohl nicht von Scheinlösung sprechen!
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Er sagt nur, was er noch von Ihnen erwartet! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Können Sie vielleicht einmal auf die Rede von Frau Polat eingehen?)
- Das will ich jetzt tun. - Was haben wir jetzt bei der IMK beschlossen? Wir haben beschlossen, dass diejenigen, die bis zum 31. Januar 2010 eine Halbtagsbeschäftigung nachweisen können, ein Aufenthaltsrecht bekommen.
- Nein, ein Aufenthaltsrecht. Das müssen Sie richtig lesen. - Diejenigen, die bis zum 31. Dezember 2009 eine Berufsausbildung begonnen bzw. eine
Diejenigen, die nicht darunter fallen, bekommen noch einmal eine Verlängerung. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich ernsthaft um einen Arbeitsplatz bemüht haben.
Meine Damen und Herren, wer jetzt acht bzw. zehn Jahre hier lebt und sich noch nicht ernsthaft um einen Arbeitsplatz bemüht hat, der darf auch kein Aufenthaltsrecht auf Probe bekommen. Dazu stehe ich, und das ist meiner Ansicht nach auch richtig.
Jetzt muss ich mit einigen Behauptungen aufräumen. Sie sagen, dass man keinen Arbeitsplatz annehmen kann oder dass man sogar keinen Ausbildungsplatz bekommen kann.
An dieser Stelle ist es interessant, einmal in das Gesetz zu gucken. Darin können Sie nämlich sehen: Es ist wahr, ein Jahr lang dürfen sie nicht arbeiten. In diesem Jahr sollen sie nämlich ihren Asylantrag vernünftig voranbringen. Danach können sie arbeiten. Allerdings gebe ich zu, dass dann eine Vorrangprüfung durchgeführt wird. Nach vier Jahren gibt es keine Vorrangprüfung mehr. Bei der Berufsausbildung ist das sogar schon vorher möglich. Hier darzustellen, dass diejenigen, die davon betroffen sind, keinen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz bekommen können, ist schlicht die Unwahrheit. Manchmal ist es gut, in das Gesetz zu gucken.
Frau Polat hat hier dargestellt, dass Schwache, Kranke und Ältere von der Bleiberechtsregelung nicht betroffen sind. Das ist wahr. Das war auch noch nie der Fall, weil die Bleiberechtsregelung für sie gar nicht gilt. Wenn man krank und gebrechlich ist und im Herkunftsland nicht vernünftig betreut wird, hat das BAMF allerdings auch die Möglichkeit, ein Aufenthaltsrecht aus besonderen humanitären Gründen zu erteilen. Das verschweigen Sie hier aber. Das hat mit Bleiberechtsregelungen nichts zu tun. Das hat etwas damit zu tun: Diejenigen, die hier sind und ihren Lebensunterhalt normalerweise bestreiten können, sollen unter diese Regelung fallen. Alle anderen haben eine andere Möglichkeit, nämlich das Aufenthaltsrecht aus besonderen humanitären Gründen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie hier etwas