Protocol of the Session on November 24, 2009

In Rheinland-Pfalz gibt es jetzt einen neuen Entwurf des Hochschulgesetzes. In ihm steht die Forderung: nur eine Prüfung pro Modul. Das ist eine ganz alte Forderung der Studierenden. Eine solche gesetzliche Vorgabe, die dort jetzt gemacht werden soll, könnten wir auch in unser Hochschulgesetz schreiben. Aber nein, davor drücken Sie sich. Sie sagen, dies müssten die Hochschulen machen, Sie hätten damit nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Stratmann, Sie könnten beispielsweise - das ist gesagt worden - direkt in der KMK anfangen, wenn es um gemeinsame Strukturvorgaben der Länder für Bachelor- und Masterstudiengänge geht. Der Qualifikationsrahmen, der 2005 in Bergen angenommen wurde, sieht für ein Bachelorstudium 180 bis 240 und für das Masterstudium 60 bis 120 Credits vor. Es wird nirgendwo erwähnt, dass man dies alles in zehn Semestern schaffen muss und es eine maximale Obergrenze von 300 Credits gibt. Aber das steht so in den KMKVorgaben, und die müssen geändert werden. Das

sind obrigkeitsstaatliche Vorgaben, die überhaupt niemandem irgendetwas bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann ist bestritten worden, dass die Studienbedingungen schlecht seien. Ich weise darauf hin, dass von 2003 bis 2008 die Zahl der Abiturienten um 20 % gestiegen ist - das liegt an den geburtenstarken Jahrgängen -, dass die Zahl derjenigen, die ein Studium aufgenommen haben, aber nur um 2,4 % gestiegen ist. Niedersachsen hängt weit hinterher. Warum ist das so? - Das liegt zum einen natürlich an den Studiengebühren. Das liegt zum anderen aber auch an der abschreckenden Art und Weise, wie das Bachelor- und Mastersystem hier in Niedersachsen umgesetzt worden ist.

(Beifall bei der LINKEN)

In Braunschweig haben beispielsweise von 444 Studierenden im Bachelorstudium Maschinenbau bereits nach einem Jahr 40 % das Studium abgebrochen; sie sind entweder herausgeprüft worden oder haben es freiwillig geschmissen.

Herr Kollege, ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.

Ich hätte jetzt noch viel zu sagen; aber meine Redezeit ist zu Ende.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist halt so im Leben!)

Ich will noch an Sie appellieren: Gehen Sie in die Hochschulen, sprechen Sie mit den Studierenden! Dann können Sie auch konkrete gesetzliche Änderungen vornehmen.

Wir werden hier weiterhin die Position der Studierenden vertreten. Offenkundig sind wir die Einzigen, die das tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile Herrn Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier sind gerade so viel Unwahres, Halbwahrheiten und geradezu Unfug verbreitet worden,

dass man das in einer Aktuellen Stunde leider nicht abarbeiten kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich hätte es als gut empfunden, wenn sich der eine oder andere vielleicht an der Diskussion im Rahmen unseres Hochschulpolitischen Kongresses beteiligt hätte. Da hatten wir mehr Zeit, um über solche Fragen zu diskutieren. Ich will jetzt nicht alles wiederholen.

Herr Perli, vergleichen Sie doch bitte einmal - das habe ich vorhin gemeint - die Abbrecherquoten, die Sie eben aus Braunschweig zitiert haben, mit denen zu Zeiten von Diplom- und MagisterStudiengängen. Dann werden Sie feststellen, dass die Abbrecherquoten beispielsweise im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik sehr viel höher waren, als sie es heute sind. Das ist Fakt. Wir haben Probleme mit Abbrecherquoten, gar keine Frage. Aber das ist doch keine neue Erscheinung. Diese Probleme haben wir vor allem in den schwierigen Fächern immer gehabt,

(Zuruf von der LINKEN: Das stimmt überhaupt nicht!)

weil manche der Studierenden sich vielleicht mehr zugetraut haben, als sie in Mathematik, Physik und anderen Fächern tatsächlich leisten konnten.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wie hat sich das in den letzten Jahren verän- dert?)

Weil ein paar Dinge gesagt worden sind, die ich ergänzen bzw. richtigstellen möchte, komme ich auf meine Vorrednerinnen zurück.

Frau Heinen-Kljajić, natürlich haben Sie recht mit Ihrer Bemerkung, dass die Kapazitätsverordnung immer noch das eine oder andere nicht zulässt, was wir und vor allem die Hochschulen gern täten. Aber Sie können doch gleichwohl nicht bestreiten, dass wir dadurch, dass wir etwa 50 % der Mittel aus dem Studienbeitragsaufkommen mittlerweile für Personalstellen aufwenden, den Studierenden doch erheblich helfen, indem wir zusätzliche Tutorien und zusätzliche Veranstaltungen anbieten, in denen der Stoff noch einmal mit Leuten, die etwas davon verstehen, nachgearbeitet werden kann. Ich persönlich hätte von solchen Bedingungen als Student der 80er-Jahre geträumt; uns konnten solche Bedingungen damals nicht geboten werden.

Vor drei Wochen hatte ich ein schönes Erlebnis in Göttingen. Da hatten mich Studierende eingela

den: Herr Minister, wir möchten Ihnen einmal vorstellen, was wir mit unseren Studienbeiträgen gemacht haben. - Die wollten gern ein Trainingszentrum im Bereich Medizin haben. Sie hätten sich dieses Trainingszentrum nicht leisten können, haben es sich aber aus den Mitteln leisten können, die aus dem Beitragsaufkommen zur Verfügung standen.

Zum Thema Stipendien will ich nur so viel sagen:

Es liegt ein Vorschlag des Bundes auf dem Tisch; das ist richtig. Dieser Vorschlag ist bisher überhaupt nur in groben Zügen erkennbar. Es bedarf einer Bund-Länder-Vereinbarung, um ihn umzusetzen.

Ich sage Ihnen für Niedersachsen zu, dass natürlich auch wir gewisse Vorstellungen haben. Auch ich halte nichts davon, dass im Ergebnis nur Stipendien beispielsweise für die MINT-Fächer herauskommen. Das allerdings würde passieren, wenn man ausschließlich den Vorschlägen von Herrn Pinkwart folgen würde. Ich glaube, dass das falsch wäre. Es wäre auch deshalb falsch, weil dann die neuen Länder so gut wie gar nicht beteiligt würden. Es wäre auch deshalb falsch, weil wirtschaftsschwache Länder kaum Möglichkeiten hätten, an diese Stipendien heranzukommen.

Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt - das ist der Vorschlag, den Niedersachsen machen wird -: Soweit es sozusagen um die privaten Quellen geht, müssen diese Quellen sich natürlich auch für das Ehrenamt öffnen, muss es auch darum gehen, dass wir Stipendien für Studenten ausloben, die sich beispielsweise als Rettungssanitäter oder auch in studentischen Vertretungsgremien und dergleichen mehr ehrenamtlich engagiert haben.

Ich wäre da für Ihre Unterstützung dankbar. Wir brauchen da ja auch die A-geführten Länder, weil wir sonst zu keiner Bund-Länder-Vereinbarung kommen. Aber auch die A-geführten Länder müssen sich überlegen, ob sie sozusagen einen dogmatischen Kurs beibehalten wollen, der sich gegen jegliche Einführung von Stipendien wendet. Das wäre, glaube ich, im Ergebnis falsch und trüge den Ansprüchen der Gegenwart nicht Rechnung.

Was die Vorschläge der KMK, die Strukturvorgaben und dergleichen anbelangt, können wir uns darüber streiten, ob wir gesetzgeberisch tätig werden oder nicht. Wir sind der Meinung, wir sollten das nicht tun. Wir sind der Meinung, dass wir mit dem bisherigen Prinzip, das über Zielvereinbarungen zu regeln, und damit, dass uns die Akkreditie

rungsagenturen zur Seite stehen, weiter kommen als nur über obrigkeitsstaatliche, gesetzliche Regelungen. Ich sage bei allem Respekt: Da sind sich Frau Bulmahn und Frau Schavan zurzeit viel näher - aber das hat vielleicht sozusagen systemimmanente Gründe -, als uns das manchmal lieb sein kann. Wir sind nicht der Meinung, dass so etwas in ein Hochschulrahmengesetz gehört, wie es früher der Fall war. Wir sind auch nicht der Meinung, dass der Bund sich in Detailfragen einzumischen hat. Das hat er zu unterlassen. Hier kommt das föderale Prinzip zur Geltung: Das ist eine Länderangelegenheit. Im Ergebnis müssen wir das ja auch immer bezahlen. So einfach, wie sich das manche Mitglieder der Bundesregierung vorstellen, sind die Dinge nicht. Das ist mit uns nicht ohne Weiteres zu machen.

Eine allerletzte Bemerkung zu Bachelor und Master. Es gibt eine wirklich fatale Fehlentwicklung: 80 % der Angebote bauen „konsekutiv“ aufeinander auf. Das ist nicht im Bologna-Sinne. Vielmehr wollte Bologna den Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Dazu können unter Umständen auch acht Semester nötig sein; das Beispiel Architektur habe ich immer wieder genannt. Der Master soll bis auf wenige Ausnahmen einer weiteren Spezialisierung, einer Vertiefung vorbehalten bleiben. Eine Ausnahme ist beispielsweise die Lehrerbildung; da werden wir um den konsekutiven Bereich nicht herumkommen. Aber in den meisten anderen Fächern muss der Master einer Spezialisierung, einer Vertiefung dienen.

Das heißt, die Frage nach Übergangsquoten stellt sich an dieser Stelle gar nicht mehr, ganz abgesehen davon, dass die Übergangsquoten, die es in Niedersachsen gibt - z. B. die 2,5 in der Lehrerbildung -, dazu geführt haben, dass die Studierenden, die nicht zum Masterstudium zugelassen wurden, an zwei Händen abzuzählen waren. Da sagen uns alle Hochschulprofessoren: Die Studenten, die das nicht geschafft haben, sind für den Beruf auch wirklich nicht geeignet. Lassen Sie also auch da bitte die Kirche im Dorf! Helfen Sie mit, da voranzukommen, wo wir einer Meinung sind! Das gilt auch für Themen, die wir jetzt im Bund-LänderKonzert miteinander vereinbaren müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen zu den Punkten a und c liegen mir nicht vor.

Bevor ich jetzt den Punkt b aufrufe, von mir folgende Bemerkung: Im Rahmen der Debatte ist eine Äußerung gefallen, die ich mir jetzt auch noch schriftlich habe geben lassen, mit folgendem Wortlaut:

„Aber sie“

- die Studenten -

„machen es nicht in irgendeiner kriminalisierten Form, wie sie Ihnen“

- der Fraktion DIE LINKE -

„möglicherweise lieber wäre.“

Das ist für mich keine Grundlage für einen Ordnungsruf. Aber ich betone ausdrücklich, dass gegenseitige Vorwürfe und Unterstellungen der Fraktionen im Hinblick auf Sympathie gegenüber kriminalisierten Formen oder auch kriminellen Handlungen nicht sein sollten. Ich glaube, sie sind kein guter Beitrag zur Debattenkultur. Deshalb nehme ich dies zum Anlass, ausdrücklich an alle Fraktionen zu appellieren, das zu unterlassen.

(Heinz Rolfes [CDU]: An alle! - Unru- he bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Das war das Thema Bank- überfall!)

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 1 b auf:

Wachstumsbeschleunigungsgesetz - Ein Wortungetüm zerstört die finanzielle Handlungsfähigkeit der Länder! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1888

Hierzu erteile ich dem Kollegen Jüttner von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise sind Wachstumsimpulse dringend geboten. Ich stelle aber fest: Dieses sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat mit Wachstum überhaupt nichts zu tun.