(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das tut mehr weh als bei Herrn McAl- lister! - Weitere Zurufe von der CDU: Das können Sie doch nicht verglei- chen! Das war auch eine gute Rede!)
Sie werden der Realität mit diesem Kampfbegriff nicht gerecht. Analysieren Sie doch einmal die demoskopischen Umfragen zu diesem Thema. Es muss Sie doch nachdenklich machen, dass Pauschalverurteilungen umso häufiger sind, je weiter entfernt der Betrachter von der DDR gelebt hat. Diejenigen, die in der DDR gelebt haben, also eigene Erfahrungen gemacht haben, äußern sich in der Regel differenzierter. Dies bestärkt unsere Position. Wir sind für einen demokratischen Sozialismus, d. h. soziale Gerechtigkeit darf nie mehr mit
Umgekehrt gilt aber auch: Freiheit und Demokratie brauchen eine soziale Grundlage. Demokratie ist unvollständig, solange sie auf den Staat beschränkt ist. Sie muss auch in die Wirtschaft Einzug halten. Zu den Menschenrechten gehören auch die sozialen - d. h. z. B. Freiheit von Armut und Wohnungsnot. Gesundheitliche Versorgung muss ohne Diskriminierung gewährt werden.
Sie möchten mit Ihrem Antrag verhindern, dass die Menschen im Nachhinein die DDR positiver wahrnehmen, als sie es verdient hat. Ich will Ihnen sagen, wie Sie das erreichen können: Sorgen Sie für soziale Gerechtigkeit! Verhindern Sie z. B., dass sich im Gesundheitswesen eine Zweiklassenmedizin für immer mehr Menschen durchsetzt!
Was wir gerade auf diesem Gebiet von der neuen Bundesregierung hören, wird vergleichende Betrachtungen zur DDR geradezu provozieren. Erinnern wir uns! In der DDR gab es ein Gesundheitssystem, das privat Versicherte nicht privilegiert hatte. Kassenpatienten mussten auf ärztliche Leistungen nicht länger warten. Beiträge zur Krankenversicherung wurden paritätisch von den Beschäftigten und den Betrieben gezahlt.
An der Finanzierung der aus Bismarcks Zeiten stammenden paritätischen Sozialversicherungen hatte man in der DDR nie etwas geändert - auch nicht in der Bundesrepublik, solange die DDR als Alternativstaat existierte.
(Frank Oesterhelweg [CDU]: Das war toll da drüben! - Björn Thümler [CDU]: Das ist Geschichtsklitterung!)
Erst als dieser Staat als ständige Herausforderung untergegangen war, fingen zuerst SPD und Grüne, später auch CDU und FDP an, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung infrage zu stellen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stellen zum Teil mit Schrecken, zum Teil auch mit Kopfschütteln fest, dass 20 Jahre nach dem Mauerfall insbesondere junge Menschen keine oder zumindest unzureichende Kenntnisse über die ehemalige DDR besitzen. Die Intention des Antrags der Fraktionen von CDU und FDP ist es, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich das ändert. Es ist auch zwingend erforderlich, dass sich das ändert. Das ist erforderlich, weil sich unsere Gesellschaft eine gewisse Verklärung des ehemaligen Unrechtsstaates DDR zu eigen macht. Ich denke, das haben wir gerade ein bisschen gespürt. Dass es dazu gekommen ist, liegt in erster Linie daran, dass wir - und nicht nur den jungen Menschen - zu wenige Informationen über die tatsächlichen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR vermittelt haben. Gerade in diesen Tagen und Wochen nehmen sich die Medien dieser Thematik verstärkt an. Das ist gut so, aber das reicht nicht aus. Es ist dringend erforderlich, Klartext zu reden.
Dazu gehört die Aufklärung darüber, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln die Grundwerte der Demokratie zerstört worden sind: der Aufbau einer tödlichen Grenze, der gigantische Überwachungsapparat, die Folter auf deutschem Boden und die gnadenlose Verfolgung politisch Andersdenkender. Das ist ein Unrechtsstaat gewesen! Nur das Wissen über diese Fakten kann dazu beitragen, dass so etwas bei uns nie wieder möglich sein wird.
Wie zwingend erforderlich die Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte ist, haben wir gestern in der Sendung „Panorama“ verfolgen
können, in der gezeigt wurde, wie sich Frau Ministerin a. D. Honecker, die für die Bespitzelung von Lehrern und Schülern zuständig war und jetzt ihre Rente in Südamerika bezieht, am 7. Oktober 2009 - also in diesem Monat - zum Ausgang der Bundestagswahlen äußerte.
Die SPD kam dabei besonders schlecht weg. Das - ohne Ironie - spricht für Sie. Mir fehlt die Zeit, dazu Näheres auszuführen. Aber Sie können sich das unter http://daserste.ndr.de/panorama anschauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir verlangen von unseren Jugendlichen zu Recht auch heute noch die Auseinandersetzung mit der Zeit des abscheulichen Nationalsozialismus. Wir müssen sie aber auch in die Lage versetzen, die Menschenrechtsverletzungen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der ehemaligen DDR richtig einzuordnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will Ihnen auch nicht verschweigen, was ich in den Kleinen Mitteilungen der Partei DIE LINKE vom vergangenen Monat gefunden habe: Da laden der Marxistische Arbeitskreis der Partei DIE LINKE und die Geschichtskommission der Deutschen Kommunistischen Partei zum 31. gemeinsamen Kolloquium nach Berlin-Mitte ein. Ich möchte jedem, dem daran gelegen ist, die Grundwerte der Demokratie zu bewahren, dringend empfehlen, sich mit der von der Partei Die LINKE propagierten Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR am 26. September 2009 auseinanderzusetzen, bei der der Vorsitzende des RotFuchsFördervereins Berthold in einer insbesondere für die Opfer des DDR-Regimes unerträglichen Art und Weise die Festrede hielt.
Ich halte solche Beiträge für gefährlich. Diesen Beitrag kann man auch nicht als den Beitrag eines Ewiggestrigen bezeichnen. Man muss ihn ernst nehmen und den Menschen zur Diskussion anbieten, damit sie die Gefahren erkennen, die durch Angriffe dieser Art auf die demokratische Grundordnung entstehen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für sehr sinnvoll, wenn Mitglieder unserer Partei auch mit Mitgliedern der DKP diskutieren und dafür geeignete Foren suchen. Ich will Ihnen zum Thema DKP einmal etwas erzählen, was ich selber erlebt habe.
- Hören Sie gut zu! - Wenige Meter von diesem Haus entfernt befindet sich das Gebäude des Innenministeriums. Dort haben in den 70er- und 80er-Jahren Verhöre von Lehramtsbewerbern stattgefunden, die der DKP angehörten oder im Verdacht standen, sie zu unterstützen. Damit komme ich auf das zurück, was Herr McAllister zu dem Begriff „friedliche Revolution“ gesagt hat. Damals gab es eine Diskussion zwischen den Verhörpersonen und den DKP-Mitgliedern über die Frage, ob es eine friedliche Revolution geben kann. Die Vertreter des Innenministeriums und der anderen beteiligten Ministerien hatten damals gesagt, so etwas könne es überhaupt nicht geben, Revolution sei immer mit Gewalt verbunden. - Die Ironie der Geschichte ist, dass sich beide geirrt haben: die Verhörpersonen, die gemeint hatten, es gebe so etwas nicht, und die DKP-Leute, die gemeint hatten, so etwas gebe es nur in der Bundesrepublik. Es hat sich dann anderswo ereignet.
Für mich ist die Schlussfolgerung daraus: Wenn ein System nicht flexibel auf Veränderungen reagiert, sich also nicht als anpassungsfähig erweist, erfolgen die notwendigen Veränderungen nicht über Reformen, sondern revolutionär.
Herzlichen Dank, Herr Adler. Die anderthalb Minuten der Kurzintervention sind vorbei. - Herr Kollege Schwarz möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten Zeit.
Herr Kollege Adler, Sie versuchten, Ihre Position darzulegen. Wir versuchten, unsere Position darzulegen. Ich möchte Ihnen schlicht und einfach empfehlen und allen Menschen sagen, sie möch
ten bitte einmal nach Hohenschönhausen gehen und sich anschauen, wie auf deutschem Boden von denen gefoltert worden ist, die in Ihrer Partei die Verwurzelung haben. Die gehören dahin, und die haben das getan. Für die Zukunft möchte ich, dass die jungen Menschen wissen, wie es bei uns auf deutschem Boden zugegangen ist.
Im Übrigen haben Sie in Ihrem ersten Redebeitrag über die eigenen Erfahrungen gesprochen. Ich möchte Ihnen sagen, dass auch ich dort meine eigenen Erfahrungen gesammelt habe. Beispielsweise wurde am 10. Oktober 1989 die Enkeltochter meines Patenonkels von der Demonstration weggeholt und in ein Gefängnis eingesperrt. Sie musste sich bis auf die Haut ausziehen und musste dort bleiben, bis die Demonstration vorbei war. Diese Dinge haben stattgefunden, und das müssen wir unseren jungen Menschen sagen.
(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Victor Perli [LINKE]: Beim G8-Gipfel und beim Castortransport ist man auch für Tage weggesperrt worden, ohne et- was getan zu haben!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Helmstedterin. Ich wohne gern in dieser kleinen Stadt mit einer großen Tradition an der ehemaligen deutschdeutschen Grenze. Genau wie alle Helmstedterinnen und Helmstedter und die Menschen in dieser Region weiß ich, was diese Grenze tatsächlich bedeutet hat und mit welchen Auswirkungen wir auch heute immer noch zu tun haben. Deshalb kann ich für mich sagen - ich schätze, da sind wir uns wirklich einig -: Der Fall der Mauer ist eine der Sternstunden der deutschen Geschichte gewesen. Darauf können wir stolz sein und uns glücklich schätzen.
Mit dem Fall der Mauer endete das diktatorische System der DDR vor nunmehr 20 Jahren. Aus deutsch-deutscher Geschichte wurde wieder deutsche Geschichte.
Wie ist es dazu gekommen? - Die Antwort ist ganz einfach, nämlich dass sich die weit überwiegende, die große Mehrheit der Menschen in der damaligen DDR eine Zukunft in und mit diesem Staat nicht vorstellen konnte. Sie konnten sich das Leben, die Zukunft in diesem Land nicht vorstellen, in einem Unrechtsstaat und in einem Staat mit einem sozialistischen System, das wirtschaftlich komplett am Ende war.