Protocol of the Session on May 7, 2008

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion haben Sie, Herr Kollege Dürr, das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst zwei, drei Sätze zur Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes sagen. Das war tatsächlich vergleichsweise unspektakulär. Es geht zum einen um die Umsetzung

von EU-Recht, zum anderen um Deregulierung im Bereich der Abfallstromkontrolle. Ich will mich an dieser Stelle - das darf man auch einmal sagen - bei Ihnen, Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch und Herr Kollege Wenzel, ganz herzlich bedanken. Das war nicht nur eine gute, sondern vor allen Dingen eine extrem zügige Beratung. Das war nicht immer so. Dass Sie am Ende zustimmen, freut mich umso mehr. Dafür herzlichen Dank an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber nun - da wird es wahrscheinlich doch einen Tick kontroverser - zum Entschließungsantrag der Grünen. Meine Damen und Herren, wir erleben seit einiger Zeit, dass sich auch auf der Ebene der Verbraucher ein echter Markt für Altpapier etabliert. Endlich geschieht das, was gerade wir als Umweltpolitiker uns immer erhofft haben: Abfälle der privaten Haushalte werden zu begehrten Rohstoffen, die im Sinne der Ressourcenschonung gehandelt und zu neuen Produkten weiterverarbeitet werden. - Genau in dieser Phase treten Grüne, Sozialdemokraten und Linke auf den Plan

(Ulrich Watermann [SPD]: Und die CDU!)

und wollen uns vor diesem Markt schützen. Ich finde es schon interessant, welches Bild vom Bürger in diesem Zusammenhang gezeichnet wird: Der soll doch seinen Abfall gefälligst dem Staat - in diesem Fall der Kommune - geben, damit diese in seinem Sinne Gutes damit tut. Der Bürger müsse vor üblen Geschäftemachern geschützt werden, die es wagen, mit recycelten Rohstoffen Geld zu verdienen.

Meine Damen und Herren, wir haben ein ganz anderes Bild vom Bürger. Zu diesem passt es einfach nicht, dass man ihm verbieten will, sein Altpapier einem anderen als dem Staat zu geben.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin mir sehr sicher, dass jede Verbraucherin und jeder Verbraucher sehr wohl in der Lage ist, diese Entscheidung ganz allein selbst zu treffen. Um nichts anderes geht es im Kern dieser Debatte.

Auch die Botschaft, die man den privaten Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, sendet, ist aus meiner Sicht ziemlich bedenklich - nach dem Motto: Für die Diskussion darüber, dass Altpapier etwas wert ist, und dafür, dass einige kommunale Entsorger - ich nenne nur aha hier in Hannover -, die die Entwicklung verschlafen haben, endlich aufwachen, seid ihr gut genug. Geld ver

dienen und für einen echten Wettbewerb auf diesem Markt sorgen, das dürft ihr aber nicht.

Meine Damen und Herren, es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass das, was in anderen Bereichen funktioniert, wo Rohstoffe durch Recycling gewonnen werden können, nicht auch beim Altpapier funktionieren soll. Im Wettbewerb entstehen die für den Verbraucher günstigsten Preise.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde es schon interessant, wie vor allem von den Grünen immer wieder mehr Wettbewerb z. B. im Stromsektor gefordert wird - dazu haben wir schon einige Debatten geführt, Herr Kollege Wenzel -, wie man den Wettbewerb aber dann, wenn er da ist, auf einmal nicht mehr haben will. Wir erleben das, wenn in Niedersachsen andere Konzerne als die vier großen Stromoligopolisten in Erzeugungskapazitäten investieren wollen, und wir erleben das jetzt beim Abfall. Wettbewerb scheint für Sie ein Schimpfwort zu sein. Für uns ist er eine Frage von fairen Preisen für die Verbraucher.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind jetzt in der glücklichen Situation, dass Altpapier endlich wieder etwas wert ist, weil es einen immer besser funktionierenden Wettbewerb auf diesem Markt gibt.

Ich will in diesem Zusammenhang noch etwas zum Thema Quersubventionierung sagen. Herr Kollege Herzog, es ist schon interessant, dass auf der einen Seite Sie kritisieren, dass im Abfallgesetz die Quersubventionierung nicht ausgeschlossen ist, dass aber auf der anderen Seite die Linken zusammen mit Roten und Grünen immer wieder argumentieren, dass man die Quersubventionierung unbedingt brauche, um die Einnahmen aus dem Altpapier nutzen zu können, um Gebühren an anderer Stelle zu senken. Es ist schon sehr interessant, wie man Quersubventionierung an der einen Stelle sozusagen hofiert und an der anderen Stelle bekämpfen will. Das ist eine Schizophrenie, die ich nicht verstehen kann.

(Beifall bei der FDP)

Es wird argumentiert, dass kommunale Entsorger die Einnahmen aus der Altpapiersammlung brauchen, um die Gebühren bei Restmüll oder Bioabfall zu subventionieren, und daher private Wettbewerber beim Altpapier mögliche Gebührensenkungen für den Verbraucher verhindern würden. Meine Damen und Herren, ich warte noch auf das Beispiel einer Kommune, die sagt: Weil wir vor Ort

keinen Wettbewerb beim Altpapier haben, senken wir jetzt die Gebühren für die anderen Tonnen. - Das ist mir jedenfalls noch nicht untergekommen.

Aber unabhängig davon könnte das örtliche Abfallentsorgungsunternehmen - sei es nun ein kommunaler oder auch gerne ein privater Betrieb - doch demjenigen, der ihm das Altpapier zur Verfügung stellt, einen entsprechenden Rabatt bei den anderen Abfallarten gewähren, also beispielsweise bei Restmüll und Bioabfall. Dann hätten wir echten Wettbewerb: Jeder kann selbst entscheiden, ob er sein Altpapier dem örtlichen Entsorger oder einem anderen gibt. Private wie kommunale Entsorger müssten sich diesem Wettbewerb stellen. Meine Damen und Herren, das wäre am Ende eine Lösung. Dies könnte sozusagen Punkt 6 in Ihrem Entschließungsantrag sein. So könnten wir wirklich etwas für die Verbraucher tun.

Interessant ist an dieser Stelle das Beispiel der Region Hannover. Zunächst wollte man ja die Privaten komplett verbieten. Die Region hat jetzt gesagt - ich glaube, das steht in der HAZ von heute -, dass man zur Besinnung gekommen sei. Um vor Gericht nicht zu unterliegen, will man den Privaten die Abfallentsorgung im Bereich Altpapier erst einmal nicht verbieten. Man muss ganz deutlich sagen: aha hat bei diesem Thema jahrelang geschlafen. Insbesondere die rot-grün regierte Region Hannover hat die ganze Entwicklung beim Thema Altpapier komplett verpennt und den Verbrauchern keine Papiertonne angeboten. Man wollte die Privaten zunächst verbieten. Selbst jetzt ist aha nicht einmal in der Lage, den Bürgerinnen und Bürgern in Hannover Tonnen bereitzustellen.

(Widerspruch von Enno Hagenah [GRÜNE])

Das ist der eigentliche Skandal. Und das war RotGrün. Das muss man auch einmal sagen, Herr Wenzel.

(Beifall bei der FDP - Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist doch überhaupt nicht wahr! Sie haben keine Ahnung!)

Deswegen sagt der Kollege Jens Meyburg von der FDP-Ratsfraktion in Hannover zu Recht: Die Bürger sollen an Altpapier - ich füge hinzu: an ihrem Altpapier; es gehört nämlich den Bürgerinnen und Bürgern - endlich verdienen.

Meine Damen und Herren, der Wettbewerb hat auch das rot-grüne Hannover erreicht - endlich.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Zu Wort gemeldet hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Wenzel. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Dürr, Sie haben hier zwar wieder das große Glaubensbekenntnis zum Wettbewerb aufgesagt. Aber zum Wettbewerb gehören auch vernünftige Marktbedingungen. Zum Wettbewerb gehört auch, dass man nicht eine Situation hat, in der sich nur einige Starke durchsetzen, in diesem Fall z. B. die Firma Remondis, größter Entsorger in Deutschland, ehemals Rethmann und RWE Umwelt. Man sollte den Kommunen durchaus die Möglichkeit geben, privaten Unternehmen den Auftrag zu erteilen, zu entsorgen. Aber dann kommen die Einnahmen erst einmal in den Gebührenhaushalt der Kommune und entlasten dort den Gebührenzahler.

Gucken Sie sich einmal eine Situation wie in Lüchow-Dannenberg an! Da werden am Ende in der Fläche die Papierbündel liegen bleiben. Man nimmt sich die Städte und großen Dörfer heraus; dort entsorgt man. Der kommunale Entsorger muss sein System aber weiter flächendeckend vorhalten. Das führt am Ende dazu, dass alle draufzahlen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Herr Dürr hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Kollege Wenzel, es ist ein berühmter Trick, wie Sie argumentieren: Wenn wir den Wettbewerb erlauben, dann gehen die kleinen Betriebe kaputt, die kommunalen sowieso; dann kommt Remondis und macht alles platt. - Ich will nur kurz an eine Tatsache erinnern; dann komme ich auf die Region Hannover zurück.

Im Landkreis Hannover haben vor der Regionsbildung über Jahrzehnte kleine private mittelständische Unternehmen den Abfall eingesammelt. Seit der Regionsbildung ist aha nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern für die gesamte Region zuständig und hat diese kleinen mittelständischen

Unternehmen verdrängt, teilweise auch aus Niedersachsen. Mittlerweile sind sie woanders tätig. Es sind eben nicht immer nur die großen Privaten, sondern manchmal sind es auch die großen Öffentlichen, die den Wettbewerb kaputt machen. Ich glaube, das gehört zu einem Gesamtbild an dieser Stelle auch dazu.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Kollege Wenzel möchte nicht antworten.

(David McAllister [CDU]: Er war so überzeugend, da warst du platt!)

Deswegen hat jetzt für die Landesregierung Herr Minister Sander das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den Fraktionen der CDU, der FDP, der SPD und der Grünen, dass Sie der Änderung des Niedersächsischen Abfallgesetzes in der vorgelegten Form zustimmen. Sie akzeptieren damit, dass wir gezwungen und gehalten sind, europarechtliche und bundesrechtliche Formulierungen und Begriffe in unser Abfallgesetz einzufügen. Deshalb brauche ich darauf wohl nicht mehr näher einzugehen.

Meine Damen und Herren, man muss schon zugeben, dass die Bürger in Niedersachsen und in der Bundesrepublik Deutschland etwas bewirkt haben. Wir haben sehr unterschiedliche Arten der Papiereinsammlung im Lande festzustellen. Zum Ausbruch ist es aber gekommen, als ein Abfallentsorger die kleinen Vereine oder auch die sozialen Verbände eigentlich nicht mehr so im Geschäft haben wollte. Man glaubte, dass Abfallgebühren gehalten werden können, indem man den anderen das Einsammeln und Vermarkten von Papier wegnimmt und es auf den öffentlichen Entsorgungsträger überträgt. Die Bürger im nördlichen Teil unseres Landes waren aber sehr clever und haben gesagt: Dann werden wir uns eines anderen bedienen, der für uns das Einsammeln übernimmt, um diese Erlöse trotzdem für unsere karitativen und sozialen Zwecke zur Verfügung zu haben. - Das war im Grunde genommen der Anfang der blauen Tonne in Niedersachsen und in Deutschland.

Meine Damen und Herren, wir alle haben das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz für gut be

funden. Dieses Gesetz hat die Aufgabe, Ökonomie und Ökologie zusammenzuführen. Wir müssen beide Dinge beachten. Ein wichtiges Prinzip, Herr Kollege Wenzel, ist Ressourcenschonung. Wir müssen mit den wertvollen Ressourcen sehr streng umgehen und möglichst alles wiederverwerten und vermarkten. In zehn bis fünfzehn Jahren wird es den Abfallbegriff wahrscheinlich gar nicht mehr geben, weil Abfall heutiger Definition so wertvoll geworden sein wird.

Es verwundert nicht, dass sich der Bürger nun, wo der Wettbewerb kommt und er über sein Gut, sein Papier, selbst entscheiden kann, eines anderen bedient und sagt: Du kriegst von mir dieses Papier. - Bei allen Szenarien, die Sie im Augenblick in den Raum stellen, sage ich Ihnen voraus, Frau Schröder-Ehlers: Der Bürger wird dafür, dass er die Genehmigung gibt, sein Gut abzuholen, wahrscheinlich bald eine Vergütung bekommen. - Denn das Szenario wird wohl nicht eintreten, dass die Ressource Altpapier so im Übermaß vorhanden ist, dass man den heute zu erzielenden Preis nicht mehr erzielen kann. Der Marktpreis, der ja durch die Verknappung des Gutes Altpapier entstanden ist, wird eher steigen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf die rechtlichen und gesetzlichen Möglichkeiten zurückkommen. Der Niedersächsische Landkreistag hat gesagt: Nun bewirkt eine Bundesratsinitiative! - Wir haben auf LAGA-Ebene Gespräche darüber geführt, ob es bei den anderen Bundesländern überhaupt eine Absicht gebe, auf die Bundesregierung einzuwirken, um in dieser Frage rechtlich etwas zu verändern. Das wäre - Herr Kollege Wenzel, Sie haben das gesagt - eine der Notwendigkeiten. Aber ich kann Ihnen auch eines sagen: Der zuständige Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium war ja auch einmal in Niedersachsen tätig. Mit ihm habe ich am Montag gesprochen und ihn gefragt: Gibt es in irgendeiner Weise bei euch Überlegungen, dieses zu ändern? - Darauf hat er gesagt: Nein, die gibt es bei uns nicht, weil wir das unter europarechtlichen Gesichtspunkten für mehr als problematisch ansehen. - Frau Schröder-Ehlers, Sie müssten den Bundesumweltminister, mit dem ich auch über diese Frage gesprochen habe, fragen, ob es überhaupt eine Chance gibt. Eine Bundesratsinitiative zu starten, um irgendeinen Luftballon hochgehen zu lassen, ist vertane Mühe auch unserer Ministerialbeamten, die das mitformulieren müssten.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das machen Sie sonst nie!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möhrmann?

Bitte schön, Herr Möhrmann!