Protocol of the Session on October 29, 2009

(Unruhe)

- Herr Kollege Grascha, vielleicht können Sie so lange warten, bis die Kollegen Klare und Nacke ihre Ausführungen beendet haben.

Das ist jetzt offensichtlich der Fall. - Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die Worte von Herrn Wulf gerne auf: Das kleine gallische Dorf, die SPD-Fraktion, ist - das müssen wir zur Kenntnis nehmen - seit der letzten Bundestagswahl wieder ein bisschen kleiner geworden. Schauen wir einmal, wie das noch weitergeht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Lassen Sie uns in einem Jahr darüber reden, wie Sie und wie wir dastehen! Darauf freue ich mich!)

Zurück zur Sache. Herr Wulf, Sie haben über die Bachelor- und Masterreform gesprochen. Wir haben in der Tat in unserem Antrag - zu Recht, wie ich finde - geschrieben, dass wir die Umstrukturierung in der Lehramtsausbildung im Bolognaprozess sehr gut hinbekommen haben. Sie haben natürlich recht - das möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen -, dass es im Bolognaprozess Reformbedarf gibt. Dazu hat unser Wissenschaftsminister Lutz Stratmann ja eine Initiative angeschoben. Bei der letzten KMK ist dazu ein entsprechender Rahmen verabschiedet worden. An der Stelle möchte ich unserem Wissenschaftsminister und dem ganzen MWK für diese Initiative herzlich danken.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU] - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ihr müsst jetzt klatschen! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das tun wir auch!)

Meine Damen und Herren, die zukünftige Ausbildung von Lehrerinnen und Lehren ist eine entscheidende Frage nicht nur in der Bildungspolitik, sondern für unser Land insgesamt. Die Welt, in der unsere Lehrer heute arbeiten, ist vielfältiger, schneller und anspruchsvoller geworden. Allein die vielen Probleme bei der Integration spielen sich häufig in unseren Schulen ab. Häufig genug sollen Lehrerinnen und Lehrer in der Schule ausbügeln, was in manchen Familien schiefgelaufen ist. Hier müssen wir neue Maßstäbe in der Lehrerausbildung setzen. Die FDP-Fraktion will deshalb die Lehrerausbildung grundsätzlich reformieren. Ich möchte drei Punkte nennen, die für die Liberalen besonders wichtig sind:

Erstens. Wir wollen mehr Praxis im Studium, zu Beginn und während des Studiums. Lehrerinnen und Lehrer müssen wissen, ob sie für den Beruf geeignet sind. Sie müssen den Blick des Lehrers schon im Studium vermittelt bekommen.

Zweitens. Wir wollen eine Potenzialanalyse für Studienanfänger, die hilft, Stärken und Schwächen zu erkennen, und die vielleicht auch hilft zu erkennen, ob jemand gar nicht für den Lehrerberuf geeignet ist. Diese Potenzialanalyse soll den Studierenden das Studium über begleiten und zunächst modellhaft eingeführt werden. Ich darf an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, was der Kollege Nacke gesagt hat: Es dient nicht dazu, Zugangsbeschränkungen zu schaffen, sondern es dient ausschließlich der eigenen Orientierung.

Drittens. Wir wollen einen besonderen Schwerpunkt auf die Elementar- und Primarpädagogik legen, also auf die Kindergärten und die Grundschulen.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Präsidium! - Heiner Bartling [SPD]: Das Präsidium döst!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Das scheint der Fall zu sein. Frau Dr. Andretta, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Grascha, wie bringen Sie die Tatsache, dass die Eingangstests oder das Eingangsprüfungsverfahren, das Sie anstreben, bereits zu Beginn des Bachelorstudiums stattfinden soll, mit der Polyvalenzforderung des Bachelors in Einklang? Wäre es nicht sinnvoller, dieses Verfahren

zu Beginn des Masters zu machen, wo die eigentliche Ausbildung zum Lehrer stattfindet?

Herr Kollege!

Herzlichen Dank, Frau Dr. Andretta, für diese Frage. Ich glaube, wir müssen unterscheiden, ob wir von der fachlichen Qualifikation bei den Lehrerinnen und Lehrern sprechen oder ob wir von persönlicher Eignung sprechen. Die persönliche Eignung, die jemand in das Studium mit einbringt, kann, glaube ich, auch schon zu Beginn des Bachelorstudiengangs festgestellt werden. Wie gesagt, es ist keine Eingangsprüfung in dem Sinne, dass man durchfallen kann, sondern es soll eine Potenzialanalyse erstellt werden, um dem Einzelnen eine Orientierung zu geben. Diese Analyse kann auch durch das Studium hindurch laufen und gemeinsam mit den Lehrenden weiterentwickelt werden.

Ich möchte, wie gesagt, noch auf den Bereich der Elementar- und Primarpädagogik zu sprechen kommen, also auf die Kindergärten und unsere Grundschulen. Kinder in diesem Alter haben besondere Potenziale, und diese müssen entdeckt werden. Dabei wollen wir mithelfen. Wir wollen die Studiendauer bei Grundschullehrkräften um ein Jahr verlängern und die Verzahnung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie von Lehrkräften an den Grundschulen intensivieren. Weitere Stichworte sind hierbei die Verbesserung der Durchlässigkeit für fachwissenschaftliche Bachelor in einen Lehramtsmaster sowie Lösungen bei der Besetzung von Mangelfächern.

(Glocke des Präsidenten)

Unser Ziel ist dabei ganz klar: Wir wollen die besten Lehrer für unsere Kinder. Deswegen haben wir uns dieser Herausforderung angenommen.

Mit der Opposition gibt es Übereinstimmungen. Das hat der Kollege Nacke auch zu Recht, wie ich finde, aus dem Ausschuss wiedergegeben. Es gibt Trennendes, aber sicherlich auch Übereinstimmungen. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir mit unserem Antrag ein sehr gutes Fundament geschaffen haben, um Niedersachsen bei diesem Thema weiter voranzubringen. Aber die Diskussion und der Prozess werden sicherlich weitergehen. Wir freuen uns auf die gemeinsame Beratung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile der Kollegin Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts einer ansonsten eher vom Geist der Restauration getriebenen Schulpolitik dieser Landesregierung,

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sehr wahr!)

die sich der Wiederherstellung des Schulwesens der 50er- und 60er-Jahre verschrieben hat,

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wenn überhaupt!)

muss man zu dem jetzt vorliegenden Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zur Lehramtsausbildung immerhin einmal feststellen, dass sich hier so etwas wie ein leiser Hauch von Reformfähigkeit erahnen lässt. Aber ein laues Lüftchen, meine lieben Kollegen, reicht nun einmal nicht, um das auf Grund gelaufene Schulwesen in Niedersachsen wieder flott zu machen. So sind die in Ihrem Forderungskatalog genannten Punkte zwar in der Zielrichtung häufig richtig - Herr Nacke hat darauf hingewiesen; es gab auch viele Überschneidungen zwischen den Anträgen -, aber sie bleiben auf halbem Wege stecken. Nehmen wir z. B. die Schaffung der Möglichkeit eines sogenannten Ein-Fach-Lehrers oder der sogenannten kleinen Fakultas. Sie haben in Ihren Antrag übernommen, diese Option solle geprüft werden. Wir sagen: Sie muss nicht geprüft, sondern umgehend umgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn angesichts des Fachlehrermangels, der sich in den nächsten Jahren noch zuspitzen wird, ist es nicht hinnehmbar, unnötige Zeit zu verlieren, zumal es Bundesländer gibt, die seit vielen Jahren Praxiserfahrung, gute Erfahrungen mit diesem Modell haben.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: NRW!)

Es gibt also keinen Grund, hier noch irgendetwas zu prüfen.

Leider gar nicht aufgegriffen hat der Antrag unsere Forderung nach einer Liberalisierung der Fächer

kombination, die in der Anhörung eine breite Unterstützung gefunden hat. Es kann doch nicht angehen, dass jemand die Zulassungskriterien für ein Hauptfach erfüllt, aber das Lehramtsstudium nicht aufnehmen kann, weil entweder das Zweitfach, das er sich wünscht, nicht in die Fächerkombination passt oder weil er im Zweitfach den Numerus Clausus nicht erreicht. Das ist doch Ressourcenvergeudung ohne Ende!

(Daniela Behrens [SPD]: Das ist Blöd- sinn!)

Kritikpunkt Nummer drei: Es fehlt der Vorschlag, den Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium und später auch die Einstellung in den Schuldienst nicht ausschließlich an die Mindestnote zu koppeln. Beide Punkte wurden in der Anhörung empfohlen. Wir haben daraufhin den Änderungsantrag zu unserem eigenen Antrag eingebracht, über den wir gleich noch abstimmen werden, weil wir das nachträglich eingefügt haben. Denn angesichts der Tatsache, dass in den kommenden 15 Jahren 50 % unserer Lehrerinnen und Lehrer aus dem Dienst ausscheiden werden, halten wir es für unabdingbar, möglichst viele der zur Verfügung stehenden Lehrkräfte tatsächlich für den Schuldienst zu gewinnen. Wir schlagen daher vor, beim Übergang zum Masterstudium die Studienplätze in der Rangfolge der Qualität der Abschlüsse unter Einbeziehung der pädagogischen Eignung zu vergeben.

Außerdem halten wir es für sinnvoll und verantwortbar, dass die Eigenverantwortlichen Schulen die Möglichkeit erhalten, pädagogisch geeignete Bewerberinnen auch dann einzustellen, wenn sie nicht den nötigen Notendurchschnitt erreicht haben.

Mit der Forderung nach einem zehnsemestrigen Studium für alle Lehramtsstudiengänge - auch das ist Teil Ihres Antrags - wird ohnehin nur das nachvollzogen, was die KMK vorschreibt. Für ein Masterstudium sind nämlich schlicht zehn Semester vorgeschrieben.

Ein Punkt, der sich in diesem Antrag überhaupt nicht findet - Herr Wulf hat dies bereits angesprochen -, ist die Aufstockung der Kapazitäten in den Studienseminaren. Schon heute bildet Niedersachsen weniger Lehrkräfte aus, als wir einstellen. Wenn Sie bei den Studienseminaren, die ja quasi eine Art Flaschenhals in der Lehramtsausbildung darstellen, keine Aufstockung vornehmen, dann ist jede Erhöhung der Studienplätze auch im Bereich des Hochschulpaktes reine Ressourcenvergeu

dung. Mittelfristig brauchen wir eine Ausweitung der Studienseminare um 2 000 Plätze. Wir haben gesagt, in einem ersten Schritt bräuchten wir erst einmal 500 Plätze, die dann in den nächsten Jahren bedarfsgerecht auszubauen sind.

Wenn Sie die genannten Punkte nicht schleunigst angehen, werte Kollegen von CDU und FDP, dann wird sich in den nächsten Jahren das Problem des Lehrermangels weiter verschärfen statt entschärfen.

(Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Es gibt effektive Maßnahmen gegen den Lehrermangel, die man schon heute anwenden kann. Man muss sie nur rechtzeitig ergreifen.

Fazit: Ihr heutiger Antrag fordert nichts Falsches, aber er reicht auch nicht aus, um dem Problem des Lehrermangels wirklich zeitnah gerecht zu werden. Damit ist er bedauerlicherweise symptomatisch für die Personalentwicklung im Schulbereich und ist Teil des Problems statt Teil der Lösung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Nacke das Wort. Das Verfahren ist bekannt. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten.

Herr Präsident! Frau Kollegin Heinen-Kljajić, wir sollten zwei Dinge nicht durcheinanderbringen: Den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern in den nächsten Jahren werden wir mit den Maßnahmen aus diesen Anträgen nicht bekämpfen können. Dafür haben wir einen sehr umfangreichen Maßnahmenkatalog der Kultusministerin, der gut gegriffen und für dieses Schuljahr die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen gewährleistet hat.

(Pia-Beate Zimmermann [LINKE]: Wo denn?)

Eines möchte ich sehr deutlich klarstellen: Wir wollen von der eigentlichen Abstufung nicht Abstand nehmen. Wir glauben noch immer, dass es richtig, gut, vernünftig und im Ergebnis besser ist - ich meine, da sind wir in Übereinstimmung mit allen Verbänden und Vertretern -, jemand hat ein volles Lehramtsstudium hinter sich gebracht und damit zwei Fächer, die er in der Schule voll unterrichten kann. Alles andere sind Notfallmaßnahmen.

Wir müssen uns die Frage stellen: Wie können wir die ständig auftretenden Zyklen, dass man einmal viel zu viele Lehrerinnen und Lehrer hat und sie nicht beschäftigen kann und ein andermal viel zu wenig hat, abfedern und abmildern? - Das war eines der wesentlichen Ergebnisse der Anhörung. Darauf müssen wir reagieren.

Aber das, was wir jetzt hier an Maßnahmen einleiten, kann erst in fünf bis zehn Jahren wirken. Das muss jedem klar sein, der über diesen Antrag berät.