Und Herr Niebel? - Nachdem die FDP das Entwicklungsministerium schon abschaffen wollte und ihr dies nicht gelungen ist, ist es natürlich mathematisch logisch, dass Sie jetzt Gerd Niebel dorthin gesetzt haben, der in der Presse treffend - ich zitiere - als Nullnummer beschrieben wird. Diesen Gerd Niebel haben Sie jetzt zum Entwicklungsminister gemacht.
Eine planvolle Besetzung von Ministerämtern ist das, was da passiert ist, jedenfalls nicht. Da hat alles andere eine Rolle gespielt.
Jetzt dreht sich Ihr Personalkarussell hier schneller, als man gucken kann. Ich frage mich, wann Herr Hocker Minister wird. Die Leute rutschen bei Ihnen ja einigermaßen durch. Nichtsdestoweniger herzlich willkommen, Herr Hocker! - Er ist gerade nicht im Raum, aber sei’s drum.
Vielleicht nimmt Herr Wulff das Ganze jetzt zum Anlass für eine grundlegende Kabinettsreform, Kabinettsumgestaltung und -neugestaltung, damit wir hier dann keine Kultusministerin mehr haben müssen, die dieses Parlament anlügt, damit wir hier keinen Kettensägen-Umweltminister mehr haben müssen, damit wir keine Sozialministerin mehr haben müssen, die außer runden Tischen und schönen Ankündigungen bisher nichts zuwege gebracht hat, und damit wir auch keinen Antiintegrationsminister mehr haben. Hier täte Erneuerung not. Setzen Sie qualifizierte Kräfte ein, anders als auf Bundesebene! Seien Sie hier sorgfältiger in der Personalauswahl!
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ein Zitat von Hermann Hesse verwenden, das in diesen Tagen häufig verwendet wird; aber ich möchte auch die dazugehörige Folgezeile anhängen:
Beschützen tut dieser Vertrag höchstens die, die konservative und marktliberale Parteien ohnehin regelmäßig beschützen und die diesen Schutz eigentlich nicht brauchen.
Er hilft auch nicht zu leben, jedenfalls nicht wenn man unter dem Begriff „leben“ mehr versteht als „überleben“. Aber Sie sehen es auch nicht als Ihre Aufgabe an, Menschen ein Leben in diesem umfassenderen Sinne zu gewährleisten, der darüber hinausgeht, ein Dach über dem Kopf zu haben und nicht zu verhungern.
Diese schwarz-gelbe Politik ist eine Politik der Entstaatlichung, eine Politik der brutalen sozialen Einschnitte bis weit in die Mittelschicht hinein, eine Politik der Privatisierung sozialer Risiken, eine Politik der Entsolidarisierung, eine Politik der zunehmenden sozialen Spaltung, eine Politik der Zerstörung unserer Umwelt und, wie wir jetzt gehört haben, auch eine Politik der Regeneration für die CDU. Sie will sich also in der Regierung ausruhen. Das ist an dieser Stelle aber eigentlich nicht ihr Job.
Der vorliegende Koalitionsvertrag erfüllt damit leider alle Erwartungen, die man an eine schwarzgelbe Regierung üblicherweise hat und leider auch haben muss.
Diese Tatsache ist uns als Linke Auftrag und Aufgabe. Wir versprechen Ihnen eines: Diese zukunftslose Blindflugpolitik werden Sie nicht lange machen können, auch wenn Sie sich offensichtlich auf mehr als vier Jahre Regierungszeit eingerichtet haben.
Wir werden auf allen uns zur Verfügung stehenden Ebenen und mit allen unseren Möglichkeiten darüber aufklären, was Ihre Politik für den Alltag der Menschen konkret bedeutet. Nicht wenige werden das leider ganz schnell selbst erfahren. Wir werden mit einem überzeugenden Gesellschaftsentwurf gemeinsam mit Initiativen, Verbänden, Gewerkschaften, Bewegungen gegen die politische Resignation derjenigen kämpfen, die - was einem Demokraten nicht gefallen kann - zurzeit leider nicht einmal mehr wählen gehen. Wir als Linke haben bei verschiedenen Wahlen in der letzten Zeit Nichtwählerinnen und Nichtwähler mobilisieren
können. Das werden wir weiter tun. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Wir werden durch aktive Gegenöffentlichkeit aufklären und mobilisieren.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Würde des Einzelnen geachtet und geschützt wird, wie es unser Grundgesetz vorsieht,
eine Gesellschaft, in der Produktivitätsfortschritte nicht einseitig zur Vergrößerung von Unternehmensprofiten und damit für eine weitere Spaltung der Gesellschaft verwendet werden, sondern in der diese Produktivitätsfortschritte allen zugute kommen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Solidarität und Nachhaltigkeit statt kurzfristiger Profitmaximierung auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen das Leitmotiv sind. Wir wollen eine Gesellschaft, in der nicht Nationaldarwinismus, sondern internationale Solidarität und Frieden Ziele in einer globalisierten Welt sind.
Dafür werden wir jetzt noch mehr kämpfen und alles daransetzen, dass die schwarz-gelbe Eiszeit, die Sie als CDU und FDP in diesem Koalitionsvertrag ankündigen, schnell wieder vorbei ist. Daran arbeiten wir.
Meine Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, erteile ich Ihnen, Frau Flauger, einen Ordnungsruf. Sie haben davon gesprochen, dass es hier eine Kultusministerin gebe, „die dieses Parlament anlügt“. Das kann ich so nicht durchgehen lassen. Ich erteile Ihnen deshalb einen Ordnungsruf.
Meine Damen und Herren, die nächste Rednerin ist Frau Helmhold für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich weiß, laut Geschäftsordnung hat die Regierung das Recht, jederzeit zu sprechen. Gleichwohl ist es eine Stilfrage, wie man sich in diesem Parlament verhält. Ich möchte an dieser Stelle gerne
- ganz besonders auch für Sie - den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zitieren, der in seiner Rede gestern gesagt hat:
„Nicht die Regierung hält sich ein Parlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrolliert die Regierung.“
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN so- wie Zustimmung von Lothar Koch [CDU])