Protocol of the Session on September 24, 2009

Wer aber glaubt, dass diese Missstände durch den so genannten Pflege-TÜV vollständig aufgezeich

net oder gar ausgeräumt werden, kennt die Mängel dieses Instruments überhaupt nicht.

Für die alten Träger der Pflege wird ein weiteres Problem der Konkurrenz im Bereich der Investitionen offenbar. Es existieren deutliche Investitionsstaus in den so genannten alten Einrichtungen, schließlich steht eine qualitativ hochwertige Pflege im Vordergrund, die gerade von erfahrenen Mitarbeitern geleistet wird, während die privaten Anbieter - ich habe es schon angedeutet - Kosten gerade dadurch senken, dass sie weniger qualifiziertes Personal zu Dumpinglöhnen beschäftigen und anfangs in relativ neue Gebäude für ihre Einrichtungen investieren konnten. Diese neuen Pflegeanbieter konnten sich unter den genannten Bedingungen offensichtlich gut etablieren. 60 % der niedersächsischen Einrichtungen sind inzwischen in privater Hand.

Als Politiker sind wir in der Verantwortung, dass Pflege und Gesundheit keine Ware darstellen dürfen. Das war und das bleibt so!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Probleme, die ich hier nur in aller Kürze anreißen konnte, bedürften eigentlich einer viel intensiveren Diskussion. Ich hoffe, dass wir diesen Antrag ernsthaft im Ausschuss diskutieren werden, um wirklich alle Bereiche beleuchten zu können.

Wir können die genannten Umstände nicht länger hinnehmen. Wir brauchen einen niedersächsischen Weg in der Pflege. Wenn es um unmenschliche Umstände und Zustände für abhängige Menschen geht, darf sich die Politik nicht hinter der Nichtzuständigkeit in Sachen Pflegesatz oder Mindestlohnverhandlungen verstecken. Für einen niedersächsischen Weg müssen wir alle Beteiligten an einen Tisch bekommen. Dazu gehören die Pflegekassen, die Pflegeträger, Vertreter und Vertreterinnen der Beschäftigten, der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, der Gewerkschaften, der kommunalen Spitzenverbände, der Heimaufsicht, des Medizinischen Dienstes und - last but not least - der Landesregierung.

Umfassend und langfristig lässt sich diese Perspektivfrage allerdings nur dann lösen, wenn wir auf der Bundesebene das Einnahmeproblem der Kranken- und Pflegekassen beheben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben schon oft betont, dass das Solidarsystem der Gesundheitsversorgung wiederbelebt werden muss. Das geht nur über den Weg, alle Einkommen einzubeziehen. Wir haben dazu viele Vorschläge eingereicht, die sich hoffentlich in Bälde durchsetzen lassen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt Frau Groskurt das Wort. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft der Pflege in Niedersachsen sichern und sozial gestalten wollen wir alle. Die großen Probleme haben wir hier schon häufig erörtert und benannt. Da laufen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, gerade bei den Oppositionsfraktionen offene Türen ein. Bei den Regierungsfraktionen ist das sehr viel schwieriger, wie Sie, seit Sie hier im Landtag sind, sicherlich festgestellt haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE] und Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Wohl wahr!)

Ob Sie mit Ihrem Antrag allerdings die Türen bei der Ministerin öffnen, bezweifle ich.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das liegt an der Ministerin!)

Denn Ihr Antrag ist ein Wünsch-dir-was-Katalog, und ich befürchte, Sie liefern CDU und FDP die Argumente für die Ablehnung gleich mit. Ihre Feststellungen in dem Antrag kann ich überwiegend teilen. Ihre Forderungen sind allerdings wenig zielführend und teilweise erledigt, unkonkret und nicht wirklich durchdacht.

Zu Punkt 1: Dieser Punkt ist erledigt, da alles im Landespflegebericht ab Seite 81 steht, abgesehen von den Überlastungsanzeigen des Pflegepersonals und von Beschwerden der zu Pflegenden und ihrer Angehörigen.

(Uwe Schwarz [SPD]: Die Regierung setzt es nicht um!)

Zu Punkt 2: Einen runden Tisch Pflege gibt es auf Bundesebene, bezogen auf die Bundesländer, von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt initiiert. Außerdem glauben Sie doch wohl nicht allen Ernstes,

dass ein runder Tisch in Niedersachsen, initiiert von dieser Ministerin, zu einem Ergebnis führen würde.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Da haben Sie leider recht!)

Analog zum runden Tisch gibt es ja seit 2007 das Pflegeforum in Niedersachsen, das auch so vor sich hin dümpelt.

(Uwe Schwarz [SPD]: So ist es!)

Es gibt ja runde Tische, die das Ministerium organisiert und von denen ausführlich, aber ergebnislos berichtet wird. Ich habe den Eindruck, dass das Ministerium mit „rundem Tisch“ ausschließlich „rund“ assoziiert, d. h. sich offensichtlich im Kreis bewegt, bis allen schwindlig ist und alle ohne Orientierung das Ziel komplett aus den Augen verloren haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meiner Meinung nach ist so eine Einrichtung bei dieser Landesregierung nicht besonders hilfreich. Wenn man Forderungen stellt, muss man auch sehen, ob denn der Adressat gewillt ist, sie zu erfüllen. Ihr Adressat will nicht. Also macht es mehr Sinn, mit den Ergebnissen des runden Tisches auf Bundesebene zu arbeiten.

Zu den Punkten 3 und 4 wären Zahlen für eine unterstützende Argumentation hilfreich. Wie der Vorschlag eines zinslosen Darlehens in der realen Umsetzung funktionieren soll, kann ich Ihrem Antrag ebenfalls nicht wirklich entnehmen.

Punkt 5 ist okay. Er lehnt sich nämlich deutlich an die von der SPD gewollte Bürgerversicherung an.

(Zuruf von der SPD: Das ist immer richtig!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind mit Ihnen der Meinung, die Ministerin aufzufordern, ihre passive Rolle, was die Situation der Pflege in Niedersachsen betrifft, aufzugeben, da sie sich dringend ernsthaft mit der Situation der Pflegebedürftigen, der Angehörigen, der in der Pflege Tätigen sowie der Träger auseinandersetzen muss. Sie nimmt vom gemütlichen Ministerinnensessel die Position der Zuschauerin ein und vergisst dabei, dass sie für eine humane Versorgung der Pflegebedürftigen sowie der Pflegenden verantwortlich ist.

Was die Zukunft der Pflege in Niedersachsen angeht, lassen auch wir mit unseren Forderungen nicht locker. Aber Ihrem Antrag können wir in der vorliegenden Form nicht ganz zustimmen. Wir sind der Meinung, er kommt dem Ziel nicht näher. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, Sie geben mit Ihrem Antrag der Landesregierung die Legitimation, sich zurückzulehnen und sich darauf zu berufen, dass ja erst einmal vorliegende Anträge beraten werden müssen.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das Gegenteil ist der Fall!)

Sie unterstützen die Untätigkeit der Ministerin.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Nein, wir machen Druck!)

Die Ministerin wird - Sie müssten es schon erfahren haben - bei wirklich jeder passenden und unpassenden Gelegenheit darauf verweisen, dass sie ja erst noch einen Auftrag von der Opposition abzuarbeiten hat. Diese Entschuldigung sollten Sie nicht frei Haus liefern. Das ist schon das Tagesgeschäft von CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD)

Sie erinnern sich vielleicht an den unsäglichen Antrag - - -

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adler?

Frau Kollegin, wenn man Ihrer Logik folgt, dann müssten wir eigentlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Opposition ihre Arbeit einstellen muss, damit die Ministerin überhaupt tätig wird. Ist das so?

(Beifall bei der LINKEN - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist so! - Roland Riese [FDP]: Ein hervorragender Ge- danke!)

Nein, das ist natürlich nicht so, Herr Adler. Die Opposition soll das, was sie will, in kurzen, prägnanten Punkten ganz konkret benennen und nicht in einen so großen, umfassenden Antrag packen, von dem man die Hälfte gleich ablehnen kann.

Damit gibt man der Regierung etwas in die Hand, was sie nicht verdient hat.

(Beifall bei der SPD)

Sie erinnern sich vielleicht noch an den unsäglichen Antrag, den wir im August-Plenum diskutiert haben. Hier wurde öffentlich, ohne das geringste schlechte Gewissen, dafür plädiert, die Arbeit 15 Monate lang auf Eis zu legen, obwohl der Pflegenotstand akut ist und die Pflegekräfte über die Grenze ihrer Belastbarkeit arbeiten.

Die Arbeit zur Behebung des Pflegenotstands kann nicht einen einzigen Tag aufgeschoben werden! Deswegen sollten wir alle gemeinsam die Ministerin weiter hartnäckig zur Arbeit auffordern und sie an ihre Verantwortung erinnern. Für die SPD-Fraktion hat das Priorität.

Danke schön.

(Starker Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte schön!