Protocol of the Session on September 24, 2009

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Wiese. - Das Wort zu einer Kurzintervention hat Herr Kollege Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben anderthalb Minuten.

Ich sage jetzt nichts zu den Studienmöglichkeiten von Pfarrerstöchtern in der DDR, die sogar in Moskau studieren konnten und schließlich Bundeskanzlerin geworden sind.

Herr Wiese, Sie nannten am Anfang Ihres Beitrages ein ganz bezeichnendes Wort, nämlich das Wort „Relikt“. Sie haben gesagt, dieser Antrag wäre ein Relikt einer im Grunde genommen vergangenen Diskussion.

Das ist verräterisch. Der Antrag ist von der SPD zwar schon im Januar gestellt worden, aber er ist das Gegenteil von einem Relikt. Er hat nämlich seitdem eine zusätzliche bedrohliche Aktualität bekommen.

Ich fand es bemerkenswert, dass Sie darauf mit keinem Wort eingegangen sind. Der doppelte Abiturjahrgang sieht ja nicht nur das Leid des doppelten Abiturjahrgangs, für das Sie zu wenig Vorsorge getroffen haben, auf sich zukommen, sondern er wird gleichzeitig derjenige Jahrgang sein, der, jedenfalls zu großen Teilen, in den Höhepunkt der Arbeitslosigkeit dieser Krise hineinmarschieren wird.

Darauf gibt diese Landesregierung, weil es angeblich schon ein Relikt und schon abgearbeitet ist - das ist ja Ihre Denkweise -, noch nicht einmal ein Jota einer Antwort; sie unternimmt noch nicht einmal den Versuch einer Antwort. Das ist der Skandal Ihres Herangehens an diesen Abiturjahrgang 2011. Damit wird auch die Sinnhaftigkeit dieses Antrags bekräftigt und deutlich gemacht, dass Sie sich angesichts dieser Krise, die Sie mit verbockt haben, endlich auch einmal Gedanken machen müssen über so etwas wie einen - - -

(Die Präsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Die anderthalb Minuten für Ihre Kurzintervention sind vorbei, Herr Dr. Sohn.

(Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

- Nein, Sie haben nur anderthalb Minuten.

Möchte für die CDU-Fraktion jemand antworten? - Herr Wiese, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Dr. Sohn hat das Instrument der Kurzintervention geschickt genutzt, um gar nichts zu dem zu sagen, was ich hier vorgetragen habe, sondern um ein paar ergänzende Bemerkungen zu machen.

Hätte er dem, was ich hier ausgeführt habe, auch nur ansatzweise zugehört, hätte er diese Behauptung nicht in den Raum gestellt. Diese Behauptung

entbehrt jeder Grundlage; denn Sie tun so, als wären uns gerade die, die im Jahr 2011 die Schulen verlassen, nicht wichtig. Das Gegenteil aber ist der Fall, und das habe ich deutlich gesagt.

Wenn die Denkstruktur aber so ausgerichtet ist, dass man immer nur das hört, was man hören will, dann hat man auf die Dauer ein Problem, dieser Debatte sachlich zu folgen, und dann muss man zu Instrumenten wie dem der Kurzintervention greifen, am Thema vorbeireden und kurz Behauptungen aufstellen in der Hoffnung, dass sie sich festsetzen.

Hätten Sie sich die Mühe gemacht, sich mit der Sache auseinanderzusetzen, dann wüssten Sie, wie viele Maßnahmen ergriffen worden sind. Aber diese Diskussion wollen Sie nicht führen, sondern Sie machen einen Parallelschauplatz auf, der hier nicht hingehört und der der Sache - am wenigsten den Schulabgängern 2011 - nicht gerecht wird.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Zimmermann das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde mir wünschen - das sage ich zur rechten Seite dieses Hauses -, dass Sie einmal einen Schauplatz zu diesem Thema aufmachen würden, damit wir da einmal gucken könnten, was Sie uns zu zeigen haben.

Meine Damen und Herren, mit ihrem Antrag hat die SPD-Fraktion ein wichtiges Thema aufgeworfen. Ich gebe aber zu, dass Ausdruck und Inhalt ein wenig oberflächlich sind. Mit der Mehrheit des Ausschusses hätten wir diesen Antrag - wenn dort denn ein ernstes Interesse am Thema bestanden hätte - aber noch entsprechend ändern und verfeinern können; denn der Ausschuss - natürlich auch wir und die Landesregierung - trägt auch die Verantwortung dafür, dass 2011 infolge der Einführung des achtjährigen Gymnasiums und der damit verbundenen Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur zwei Schülerjahrgänge gleichzeitig ihr Abitur ablegen.

Eine Benachteiligung darf für die Schülerinnen und Schüler - da es ja doppelt so viele sind, es aber nicht doppelt so viele Ausbildungsplätze gibt - nicht

entstehen. Vergessen wir an dieser Stelle aber nicht, wer das verbockt hat. Wir sind durch die Politik der Regierungsfraktionen in diese Misere geraten, und wir entlassen aus der Schule doppelt so viele Abiturienten in eine Wirtschaftskrise. Herr Sohn hat dies in seiner Kurzintervention eben schon angerissen.

Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise und deren Folgen auch für den Ausbildungsmarkt muss die öffentliche Hand aktiv werden und handeln und mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bedarf ist angesichts des Personalmangels in der Finanzverwaltung und des in den kommenden Jahren zu erwartenden erhöhten Ausscheidens von Polizeibeamten aus dem Dienst vorhanden.

Ich will in Richtung der Regierungsfraktionen noch einmal sagen: Es ist ja nicht schlimm - da müssen Sie gar nicht traurig sein -, dass Sie nicht auf die Idee gekommen sind. Sie sollten aber darüber nachdenken, dass es eine gute Idee ist.

Die Landesregierung darf dieses Thema nicht einfach aussitzen und muss im Sinne des Antrages initiativ werden, um die drohende Arbeitslosigkeit der Abiturientinnen und Abiturienten im Jahre 2011 zumindest ansatzweise aufzufangen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen qualifiziertes Personal. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese jungen Menschen im Zweifelsfall unserem Land den Rücken kehren und somit dieses Potenzial für Niedersachsen verloren geht. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, den Schub aus dem doppelten Abiturjahrgang 2011 mitzunehmen.

Um gleich eines Ihrer Argumente zu entkräften, nämlich dass es mehr Geld kosten könnte, möchte ich Ihnen sagen, dass es natürlich auch sehr viel Geld kostet, diese Jugendlichen in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Das dürfen wir nicht zulassen. Dieses Geld können wir uns wirklich sparen. Dieser Gesichtspunkt muss bei der Diskussion stets bedacht werden. Wir sollten in die richtige Richtung denken. Die Abiturienten haben eine solche Denkweise und ein entsprechendes Handeln verdient.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Zimmermann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Hagenah. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wiese, auch aus unserer Sicht ist der Antrag überhaupt kein Relikt, sondern er wird jeden Tag aktueller; denn mit jedem Tag rückt das Datum näher, an dem der doppelte Abiturjahrgang die Schule verlässt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Würde man Ihrer Argumentation folgen und sie ernst nehmen, dann hieße das, die Betroffenen sollen selber sehen, wo sie bleiben.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Ich glaube, diesen schlanken Fuß können Sie sich als die für diesen doppelten Abiturjahrgang Verantwortlichen nun wirklich nicht machen. Das ist wirklich keine verantwortliche Politik für unser Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie schon die Wirtschaft auch mit Hinweis auf den demografisch absehbaren Fachkräftemangel auffordern, im Jahr des doppelten Abiturjahrgangs, Herr Wiese, über das normale Maß hinaus Ausbildung anzubieten, dann muss das auch für das Land selbst gelten. Es ist eine fatale Selbsttäuschung von CDU und FDP, zu glauben, mit einigen zusätzlichen Studienplätzen in dafür nicht ausgelegten Universitäten könnten Sie das von Ihnen zu verantwortende Problem einfach aussitzen.

Nun hat es sich die SPD mit ihrer allzu schlichten Forderung nach einer Verdoppelung der Ausbildungsangebote für Abiturienten in ihrem Antrag etwas zu leicht gemacht. Dies ist sicherlich weder von der Ausbildungskapazität des Landes her noch von dem zukünftigen Bedarf in den einzelnen Bereichen 1 : 1 umsetzbar. Das war aber im Ausschuss überhaupt nicht mehr das Thema. Ich habe sehr gut nachvollziehen können, was Frau Leuschner und die anderen Kollegen von der SPDFraktion dort eingebracht haben.

(André Wiese [CDU]: Wissen Sie denn, was Ihre Fraktion gesagt hat?)

- Ja. Auch Herr Briese hat gesagt, nicht in dieser pauschalen Form, aber die Sache an sich ist genau der wunde Punkt von CDU und FDP. Deswegen will ich hier deutlich machen, dass wir bereit waren und dass auch die SPD bereit war, gemeinsam ein realistisches Konzept zu beschließen, dass Sie aber überhaupt kein Interesse daran hatten, dass Sie das pauschal vom Tisch gebügelt haben, weil Sie bei diesem so wichtigen Thema gar keine Einigung erzielen wollten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es geht dabei nicht allein um Abiturienten, die im Jahre 2011 nur schwer einen Einstieg in den Beruf finden werden; denn eines ist doch klar: Am Ende bleiben nur die wenigsten Abiturienten übrig. Sie werden sich entweder in anderen Bundesländern nach Studienplätzen umschauen - so vertreiben Sie eben noch mehr; wir sind in dieser Hinsicht schon Rekordhalter -, oder sie werden vor allem die Realschüler und die Hauptschüler aus dem Ausbildungsbereich verdrängen. Genau da hat der Landesdienst ein sehr großes Angebot. Leider wird das im Antrag nicht angesprochen. Aber genau das wäre eine der möglichen Veränderungen gewesen; denn da könnten wir zusätzlich einstellen, und da sollten wir zusätzlich einstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen im Angestelltenbereich - außerhalb des gehobenen Dienstes - im Jahre 2011 mehr Angebote in Niedersachsen.

Was im Hinblick auf den teilweise schon vorhandenen, aber aufgrund der demografischen Entwicklung mit Sicherheit in allen Bereichen bevorstehenden Fachkräftemangel für die Wirtschaft gilt, Herr Wiese, gilt doch letztendlich auch für den Landesdienst. Der doppelte Abiturjahrgang muss deshalb von uns gemeinsam als Chance angesehen werden, um den Fachkräftemangel, der uns im nächsten Jahrzehnt immer stärker drücken wird, in dem Jahr ein Stück weit ausgleichen zu können. Das, was wir in dem Jahr mehr für Auszubildende ausgeben, können wir in den dann folgenden geburtenschwächeren Jahrgängen weniger ausgeben. Das Problem, dass wir zu wenig Fachkräfte haben, wird dadurch nach hinten verschoben. Das wäre verantwortliches Handeln.

Vielen Dank.