Protocol of the Session on September 23, 2009

Meine Damen und Herren, Herr Wulff, Sie und Ihre Regierung haben die Wahl: Sie können jetzt in die Ahnengalerie der unbelehrbaren Atombefürworter eingehen und damit die Politik des Scheiterns in dieser Frage fortsetzen. Sie können aber auch endlich einen Schlussstrich unter die Atomlüge ziehen und den Menschen in Niedersachsen beweisen, dass man ihre Sorgen und Ängste tatsächlich ernst nimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für den Umgang mit dem atomaren Müll, mit dem Stoff, der Zehntausende von Generationen überdauert, für den Umgang mit Plutonium, dem Ultragift, taugt am Ende keine Mehrheit, die nur für vier oder fünf Jahre legitimiert ist. Eine Bewältigung dieses Problems wird es ohne Verständigung in der Gesellschaft - das heißt auch: ohne Verständigung über Parteigrenzen hinweg - nicht geben. Nur einmal hat es bislang den Beginn für einen solchen Konsens gegeben; unter Rot-Grün wurden die Verträge dafür unterzeichnet.

(Zuruf von Karl-Heinrich Langspecht [CDU])

Man kann diesen Konsens kritisieren. Man kann davon sprechen, dass dieser Konsens nur ein halber war, Herr Langspecht,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

weil für die entscheidende Frage einer neuen Endlagersuche nicht die entsprechenden Weichen gestellt wurden. Man kann dies kritisieren; aber die Konsequenz aus dieser Kritik kann nicht sein, den halben Konsens aufzukündigen, sondern sie muss heißen, aus dem halben Konsens einen ganzen Konsens zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Wulff, es war ein niedersächsischer CDU-Ministerpräsident, der die Entscheidung für Gorleben gefällt hat. Es könnte wiederum ein niedersächsischer CDU-Ministerpräsident sein, der diesen historischen Fehler korrigiert. Herr Wulff, Sie haben es mit in der Hand, Sie können maßgeblich dazu beitragen, den Konflikt um Gorleben zu beenden. Deshalb appellieren wir an Sie: Kehren Sie um, leisten Sie Ihren Beitrag für eine nationale Verständigung in dieser Kernfrage für unsere Gesellschaft, helfen Sie mit, vom Land Niedersachsen

Schaden abzuwenden, und erklären Sie für diese Regierung, dass das Endlagerprojekt in Gorleben gescheitert ist!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile der Kollegin Emmerich-Kopatsch von der Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Um auf Gorleben zurückzukommen, lieber Stefan Wenzel: Ich habe ein Gesetzblatt von 1983 gefunden, das die Sicherheitskriterien für die Endlagerung radioaktiver Abfälle in Bergwerken und somit für Gorleben beschreibt. Unter Nr. 4.6, Hydrogeologische Verhältnisse, steht dort schon geschrieben:

„Nach der Stilllegung des Endlagerbergwerks dürfen in den Endlagerformationen vorhandene oder möglicherweise zutretende Wässer und Salzlösungen nicht bzw. nicht in unzulässigem Umfang in die Biosphäre gelangen.“

Dies zeigt ganz deutlich, dass man schon 1983 wusste, dass Gorleben vom Wasser bedroht ist. Es hat aber niemanden gestört, und niemand auf dieser Seite des Hauses möchte solche Dokumente durchlesen und sich damit befassen, weil Sie ideologisch geprägt sind.

(Beifall bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Was soll das denn?)

Wie ideologisch Sie geprägt sind und dass Sie überhaupt nicht von Ihrem Thema abzuhalten sind, zeigt ein wunderbares Fachblatt des Deutschen Atomforums, in dem sich Herr Dr. Rösler am vergangenen Sonntag noch einmal geäußert hat. Ich zitiere wörtlich:

„Manche meinen, dass sich das Thema eignet, um politisch daraus Kapital zu schlagen, indem man auf teilweise unverantwortliche Weise mit den Sorgen der Menschen spielt.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Ja, genau!)

Herr Dr. Rösler, vielleicht kann man dieses Thema einmal mit einer Frage an Sie klären: Würden Sie mit Ihren hübschen Zwillingen in die Nähe eines Kernkraftwerkes ziehen, wenn Sie nicht wissen, welche Gefahren von ihm ausgehen? - Ich weiß, das ist jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber diese Frage muss man sich stellen, weil dort Menschen wohnen, denen Sie so etwas zumuten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

- Das ist überhaupt nicht lustig. Träfe das ein, was Sie sich wünschen, und Schwarz-Gelb würde regieren, dann gäbe es doch auch weiterhin Absprachen zwischen den Ministerien und den Kernkraftwerksbetreibern nach dem Motto: Wie hätten Sie es denn gern?

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist doch eine Frechheit! Was unterstellen Sie ei- gentlich den Beamten, die da recht- mäßig arbeiten?)

- Im Gegensatz zu Ihnen haben wir die ganzen Protokolle gelesen. Aus ihnen geht ganz klar hervor, dass alle Einlagerungsbedingungen für die Asse vorab mit der Kernindustrie abgesprochen waren, sodass heute nicht mehr nachvollziehbar ist, was in dem jeweiligen Fass drin sein mag.

Das ist schon erstaunlich. In einem Protokoll von 1994, das auch in unseren Akten enthalten ist, heißt es:

„BMWi teilt grundsätzlich die BMUAuffassung, intern müsse ohne Zeitdruck geklärt werden, wie die Asse geschlossen wird. Wenn allerdings ein Planfeststellungsverfahren jetzt diskutiert werde, sei das von erheblicher Auswirkung auf die Konsensgespräche. Außerdem müsse eine Auswirkung der Diskussion um die AsseStilllegung auf die Arbeiten in Gorleben und damit auf den Betrieb der laufenden Kernkraftwerke befürchtet werden. Daher ist ein solcher Beschluss kontraproduktiv.“

Ich bitte Sie! Noch deutlicher kann man doch nicht ausdrücken, was in Ihren Köpfen und den Köpfen von Ihresgleichen vorgeht.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch von der CDU und von der FDP)

- Sie haben doch Herrn Dr. Birkner mit einer Rede in den Umweltausschuss gehen lassen, als es mit

den Asse-Laugen und der hohen Kontamination losging, für die er sich noch heute schämen muss. Da stimmte doch nicht ein Wort.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist doch Quatsch! Das ist eine Unver- schämtheit, was Sie hier sagen!)

- Sie waren doch gar nicht dabei. Das stimmte wohl.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Er war dabei! - Glocke des Präsidenten)

Der Statusbericht ist das Papier nicht wert, wie wir heute Morgen wieder gelernt haben: Plutonium, Americium usw. sind alles scheinbar harmlose Stoffe, die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, der TÜV-Bericht, den Sie bezahlt haben, ist, vorsichtig ausgedrückt, sehr gefällig ausgefallen, und in den MU-Akten finden sich keine Protokolle, die sich jetzt allerdings in den BfS-Akten wiederfinden. Warum wohl? Weil Sie die Aktenbearbeitung so vorgenommen haben, dass man nicht merkt, wie viel Sie eigentlich wissen. Sie wollen nicht alles sagen, was Sie wissen.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das müssen Sie Gabriel sagen, was Ak- tenmanipulation betrifft! Das ist doch eine Unverschämtheit!)

- Diese „Unverschämtheiten“ können Sie sich langsam einmal sparen. Da reden Sie zusammen mit der FDP von Steuersenkungen und muten den Bürgern kalt lächelnd zu, dass man - - -

Frau Kollegin, ich muss Sie kurz unterbrechen. - Ich möchte, dass jetzt im Plenarsaal wieder mehr Ruhe einkehrt und Frau Emmerich-Kopatsch die Möglichkeit hat, ihre Argumente vorzutragen.

(Zuruf von der CDU: Die hat ja keine!)

Dies gilt in besonderer Weise für den Kollegen Langspecht. Ich bitte, mit Bemerkungen wie „Quatsch“ angesichts der emotionalen Diskussion zurückhaltend umzugehen. Im Wiederholungsfall werde ich einen Ordnungsruf aussprechen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Wil- helm Heidemann [CDU]: Sie muss hier doch auch keine Wahlkampfrede halten!)

Frau Kollegin, Sie können fortfahren.

Ich halte überhaupt keine Wahlkampfrede. Ich sage nur: Sie sagen, Sie wollten gemeinsam mit der FDP Steuern senken. Wenn Sie Steuern senken wollen, gleichzeitig aber der Kernindustrie so weit entgegenkommen, dass Sie in Karlsruhe 4 Milliarden Euro und in der Asse noch einmal 4 Milliarden Euro dem Steuerzahler aufbürden, dann sollten Sie zumindest so ehrlich sein, zuzugeben, dass Sie über Steuersenkungen nur reden, in Wirklichkeit aber mit den Kosten und Folgekosten der Kernindustrie die Bürgerinnen und Bürgern belasten wollen, ohne jemals die Kernindustrie zu belangen. Was Sie machen, ist verlogen und auch nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Sagen Sie doch mal was zu den Ak- ten von Gabriel!)

Frau Kollegin, Ihre Redzeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich bin am Ende meiner Ausführungen. - Auf jeden Fall sind die Gesprächsprotokolle im Umweltministerium nicht abgeheftet gewesen. Das Bundesumweltministerium hat komplett geliefert, was da war.

(Björn Thümler [CDU]: Falsch!)

Selbst die Verwaltung sagt: Die sind im Vergleich zu den anderen Akten perfekt geordnet.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Was ist mit den Pressemitteilungen?)

- Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich hier um Pressemitteilungen zu kümmern habe.

(Björn Thümler [CDU]: Die fehlen dar- in doch alle!)