Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Sohn, da wir hier so schön beieinander sind, will ich zunächst einmal auf die Gemeinsamkeiten von unserer Position und Ihrem Antrag zu sprechen kommen.
Auch die FDP-Fraktion will 7 % Umsatzsteuer für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Das haben Sie eben schon richtigerweise aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Die Senkung der Umsatzsteuer schafft in den kleinen und mittleren Betrieben Spielräume für Preissenkungen, Investitionen und Mitarbeiterqualifizierung. Neue Arbeitsplätze können entstehen. Diesbezüglich gibt es interessante Schätzungen. Darin ist deutschlandweit von etwa 70 000 Arbeitsplätzen die Rede. Wir schaffen die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie im europäischen Ausland sowie im Bereich des deutschen Lebensmittelhandels. Gerade Niedersachsen als Tourismusland würde hiervon besonders profitieren.
Was aber tut Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD)? - Er stimmt auf europäischer Ebene dieser Maßnahme zu, schafft damit die Möglichkeit, dass andere Länder ihre Steuern senken können - was diese natürlich auch tun -, und verweigert den hiesigen Gastronomen und Hoteliers die Chancengleichheit im Wettbewerb. Das zeugt von Doppelzüngigkeit und Unglaubwürdigkeit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
Eine Senkung der Umsatzsteuer auf 7 % in der Hotellerie und Gastronomie ist auch ein Beitrag zur Vereinfachung der gesamten Umsatzsteuersystematik, da wir dann nur noch einen Steuersatz hätten und somit weniger über Grauzonen diskutieren müssten. Die Umsatzsteuersystematik insgesamt zu vereinfachen, logischer und verständlicher zu machen ist für die FDP-Fraktion ebenfalls eine wichtige Aufgabe, der wir uns annehmen werden.
Herr Dr. Sohn, anders verhält es sich allerdings bei der Börsenumsatzsteuer. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie diesmal nicht die Vermögensteuer zitiert haben.
Dieses Geld ist mittlerweile ja auch schon siebenmal ausgegeben. Insofern müssen wir uns jetzt auch einmal eine andere Steuer vornehmen.
(Kreszentia Flauger [LINKE]: Geben Sie es doch erst einmal zusammen mit uns einmal aus! Das wäre ein An- fang!)
Die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer in Deutschland wäre ein Exportprogramm für deutsches und internationales Kapital, wie internationale Beispiele zeigen. Der Finanzplatz unseres Landes würde erheblich geschwächt, und damit wären weitere Arbeitsplätze bedroht. Schweden hatte 1985 die Börsenumsatzsteuer eingeführt. Ursprünglich wollte der schwedische Staat 165 Millionen Euro einnehmen. Tatsächlich waren es in den besten Jahren nur 9 Millionen Euro. Der Finanzplatz Schweden war nachhaltig geschädigt. Der Handel mit Bonds ging bereits eine Woche nach Einführung der Börsenumsatzsteuer um 85 % zurück. Das Handelsvolumen mit Futures oder Optionen sank gar um 98 %. 1992 schaffte Schweden wie übrigens viele Länder im internationalen Bereich diese Steuer wieder ab.
Das zeigt, dass die Linke hier kein schlüssiges Wirtschafts- oder Steuerkonzept vorgelegt hat. Trotzdem oder gerade deshalb freue ich mich auf die Ausschussberatung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Umsatzsteuer wird im Moment in der Tat heiß diskutiert. Im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise geht es dabei gegenwärtig aber vor allen Dingen um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, um insbesondere den gegenwärtigen Schuldenrausch abzufedern. Vorschläge zur Steigerung dieser Steuer bis auf 25 % sind für die Zeit nach der Wahl im Gespräch. Es gibt CDUMinisterpräsidenten, die über eine Erhöhung des ermäßigten Steuersatzes für Nahrungsmittel, Bücher und Zeitschriften nachdenken.
Dazu setzt die Linke mit ihrer Forderung auf Ermäßigung natürlich einen deutlichen Kontrapunkt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass dies auch etwas mit der Bundestagswahl zu tun hat. Wir wissen aus Umfragen, dass 18 % unserer Wählerinnen und Wähler gern die Horst-SchlämmerPartei wählen würden. Eine zentrale politische Forderung von Horst Schlämmer ist eben auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Damenschuhe. Ich nehme an, die anwesenden Damen und auch einige Männer, die an der Finanzierung beteiligt sind, würden dies unterstützen.
Nun aber im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie fordern die Ausweitung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % auf Kinderbedarf, Hotellerie, Gaststättengewerbe, Handwerksdienstleistungen und Arzneimittel. Hier fehlt doch offensichtlich jeder systematische Ansatz. Der deutsche Mittelstand besteht nicht nur aus Hotellerie und Handwerk, und nicht jeder ist bedürftig, der Kinder hat oder Arzneimittel braucht. Sie komplizieren damit das deutsche Steuersystem weiter für Symbolpolitik. Warum soll es keine ermäßigten Steuersätze für deutsche Holzprodukte, Wasserspararmaturen, Energiesparleuchten, Joggingschuhe, Yogamatten oder Inkontinenzartikel geben?
Wir dürfen doch eines nicht vergessen: Steuern sind zuallererst Einnahmen des Staates, mit denen er seine Ausgaben bestreiten muss. Sie sollen sich in erster Linie an der Leistungsfähigkeit des Besteuerten orientieren. Jeder Eingriff in dieses Prinzip - davon gibt es leider viel zu viele - unter dem Vorwand, mit Steuern zu lenken, bestimmte Kaufanreize zu setzen, bestimmte Verhaltensweisen zu belohnen und vieles andere mehr, macht das System komplizierter, bürokratischer, anfälliger für Missbrauch, aber, wie ich behaupte, in den seltensten Fällen gerechter.
Fachpolitik über Steuergesetze macht nur Sinn, wenn die angestrebten politischen Ziele nicht einfacher über direkte Maßnahmen zu erreichen sind. Wenn Sie etwas für bedürftige Kinder tun wollen, dann sorgen Sie für eine gute Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur. Geben Sie den bedürftigen Kindern von mir aus auch mehr Kindergeld.
Wenn Sie sozial Schwachen helfen wollen, dann tun Sie dies über die Sozialpolitik und nicht über Steuern und Gebühren. Sonst enden Sie am Ende bei Müllgebührenermäßigungen für Plastikwindelbenutzer. Das wird auf die Dauer nicht funktionieren.
Nun noch ein Wort zum Handwerk. Wenn wir etwas gegen Schwarzarbeit bei Handwerksleistungen tun wollen, was zweifellos schwierig ist, dann sollten wir uns wenigstens auf ein steuerliches Element einigen und auch das Ordnungsrecht nicht vernachlässigen. Wir haben die steuerliche Absetzbarkeit bezüglich Handswerksdienstleistungen gerade ausgeweitet. Jetzt reden wir schon wieder über eine Senkung der Mehrwertsteuer in diesem Bereich. Demnächst reden wir vielleicht über eine Spezialeinkommensteuer für Handwerker. Auch das wird nicht funktionieren.
Ein letztes Wort zum Gegenfinanzierungsvorschlag der Linken, die mit ihren Steuererhöhungen ja immer sehr verwegen sind. Auch die Börsenumsatzsteuer nach dem Vorbild der englischen Stempelsteuer ist nicht ganz ohne Klippen. Das britische Vorbild ist nicht unproblematisch, weil man nicht einfach einen Punkt herausnehmen und den Rest ignorieren kann. Dabei sind nämlich viele Privilegien für Finanzakrobaten und Spekulanten im Spiel, die ich in Deutschland mit Sicherheit nicht haben will.
Wenn Sie schon das grüne Bundestagswahlprogramm als Kronzeugen zitieren, dann sollten Sie auch auf die Feinheiten achten. Wir fordern nämlich die Einführung einer europäischen Finanzumsatzsteuer mit dem Ziel, den Finanzsektor an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen und Spekulationen zu bremsen. Das heißt, das ist eine Weiterentwicklung der Tobinsteuer und der Börsenumsatzsteuer. Es handelt sich jedoch um eine Weiterentwicklung und nicht einfach um eine Übertragung des englischen Vorbilds. Das können wir im Ausschuss sicherlich dann noch differenzierter diskutieren.
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich Herr Dr. Sohn von der Fraktion DIE LINKE gemeldet. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klein, um mit den Gemeinsamkeiten zu beginnen: Gegen die Europalösung dieses Vorschlags - deswegen haben wir das in der Begründung zitiert, oder zumindest haben wir darauf hingewiesen - haben wir überhaupt nichts. Uns geht es darum, von Niedersachsen aus eine Initiative für eine solche Börsenumsatzsteuer zu starten. Wenn das dann in eine europäische Lösung mündet, umso besser.
Nun aber zu dem ersten Teil Ihrer Ausführungen. Er hat mich doch ein bisschen in meiner Befürchtung bestärkt, dass Sie in vielen Fragen der Steuerpolitik zu dem zweiten Sturm der FDP mutieren.
Denn all die Argumente sind eigentlich die vorweggenommenen Sorgen eines Finanzministers, der es nie wird. Wir machen uns mehr Sorgen um soziale Fragen. Da kann man das eine tun, ohne das andere zu lassen. Die soziale Belastung von Leuten mit Kindern ist keine Frage, bei der man Kinderkrippen gegen die Frage von Steuererleichterungen für diesen Personenkreis diskutieren sollte. Jedenfalls ist das nach meiner und nach unserer Auffassung so. Da wäre eine Lösung relativ einfach, nämlich die, dass man die Massensteuern - dazu gehört ja die Mehrwertsteuer -, die einkommensunabhängig sind, meinetwegen auf 7 % einheitlich absenkt - das wäre die progressive Auflösung Ihrer Vorschläge - und dafür die einkommensabhängigen Steuern - also Einkommensteuer, Vermögensteuer usw. - nach guter alter sozialdemokratischer Tradition erhöht. Vielleicht könnte man sich auf dieser Linie einigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Sohn, ich versuche, Politikkonzepte zu formulieren, die vernünftig sind, dem gesunden Menschenverstand entsprechen und eine Lösung für die Probleme schaffen. Wenn andere Parteien dem nacheifern, dann finde ich das gut und habe überhaupt nichts dagegen, selbst dann nicht, wenn es die FDP ist.
Noch einmal zu Ihrer Aussage, Sie könnten über Mehrwertsteuerpolitik soziale Fragen lösen. Das ist doch Augenwischerei. Die Beträge, die die Familien dadurch zusätzlich im Portemonnaie haben werden, sind minimal. Hinzu kommt - darauf habe ich Sie bereits hingewiesen -, dass nicht jeder, der Kinder hat, ausgerechnet bedürftig ist oder dass nicht jeder, der Medikamente braucht, zu den Bedürftigen in diesem Land gehört, dass also ein Mitnahmeeffekt über die Mehrwertsteuer entstehen könnte. Ich bin dafür, dass wir die Mehrwertsteuer möglichst ohne Ausnahmen erheben - ich glaube, das ist der gerechteste Weg - und versuchen, die fachlichen Fragen über die Fachpolitik in den Griff zu bekommen. Ich glaube, dann haben wir die vernünftigere, die glattere und die gerechtere Lösung. Vor allem schadet es nicht der Einnahmebasis des Staates; denn diese Einnahmen werden wir gerade in den nächsten Jahren sehr dringend brauchen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haushaltspolitik beruht auf Zahlen, und die Haushälter zeichnen sich durch eine ruhige und sachliche Diskussion aus. Daten, Fakten und Zahlen kann man nicht wegleugnen.
Das, was sich in den letzten Jahrzehnten in Sachen Mehrwertsteuer an Problemen aufgebaut hat, haben wir mittlerweile partei- bzw. fraktionsübergreifend erkannt. Wir haben eine Schieflage, die wie folgt aussieht: 7 % beim Brötchenverkauf, 19 % beim Brötchenverzehr, 7 % bei den Caterern, wenn Pappteller verwendet werden, 19 %, wenn es auf Porzellan liegt, 7 % bei den Originalkunstwerken, 19 % bei den signierten Drucken, 7 % bei den Blumensträußen, 19 % bei den Kränzen, 7 % bei den Gewürzen, 19 % bei den Mischungen, 7 % beim Hundefutter und 19 % bei den Kinderwindeln.
Nun ist der Kollege Bernd-Carsten Hiebing gerade in ein wichtiges Gespräch verwickelt. Aber es kann auf Dauer nicht so weitergehen, dass er im Emsland 19 % für die Hotelübernachtung an den Finanzminister überweisen muss, während es bei seinem Kollegen im 8 km entfernten Ter Apel nur 6 % sind. Das sind Dinge, um die wir wissen. Die müssen wir ändern, da müssen wir ran. Das ist zwischen CDU und FDP so vereinbart. Das gehört - wenn Sie so wollen - entrümpelt.
Hierzu gibt es unterschiedlichste Anträge aus allen Bundesländern inklusive Bayern, die alle zeigen, dass wir dort ran müssen. Dass wir den Kuchen nur einmal verteilen können, ist, glaube ich, hier an vielen Stellen deutlich geworden.
Nun kommt ein neuer Vorschlag - der im Grunde ein ganz alter ist - von den Linken dazu. Von wem sollte er denn wohl auch im Wahlkampf kommen? Herr Dr. Sohn, wir haben schon viele Arten von Steuern gehabt. Wenn Sie in die Geschichte von Steuern zurückgehen, dann werden Sie so tolle Steuerideen finden wie Fenstersteuer, Fahrradsteuer, Papiersteuer. Sie fordern immer die Vermögensteuer, und eben haben wir etwas vom Bildungssoli gehört. Es ist schon bald nicht mehr auszuhalten.