Protocol of the Session on June 17, 2009

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, nach Ihrer Einleitung wundert man sich regelrecht, dass die Bischöfe in Niedersachsen den Pflegealarm ausgerufen haben. Vor dem Hintergrund, dass das daran liegt, dass die Vergütungen in der stationären Pflege in Niedersachsen im Schnitt 20 % unter dem Bundesdurchschnitt liegen und Niedersachsen im westdeutschen Vergleich am wenigsten bezahlt, frage ich Sie, ob der Landesregierung bekannt ist, wie viele Einrichtungen inzwischen nach dem vereinfachten Verfahren nachverhandelt haben, um wenigstens die Grundlohnsummensteigerungen der letzten Jahre auf die Pflegesätze aufschlagen zu können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin Ross-Luttmann, bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Punkt eins: Ich möchte hier Folgendes sehr deutlich sagen. Ich stehe für eine gute, qualitativ hochwertige Pflege ein.

Punkt zwei: Ganz besonders wichtig ist die Anerkennung und Wertschätzung der Menschen

(Ralf Briese [GRÜNE]: Das war nicht die Frage!)

- ich komme noch dazu -, die die Pflege leisten. Deshalb muss gute Pflege auch gut bezahlt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Ich möchte an dieser Stelle aber eines ganz besonders betonen: Die Pflegesätze werden zwischen den Trägern auf der einen Seite und den Pflegekassen sowie den Trägern der Sozialhilfe auf der anderen Seite ausgehandelt. Das Land Niedersachsen sitzt in keinem Fall mit am Tisch. Das Land Niedersachsen kann dort in keinem Fall eingreifen.

Punkt drei: Da ich wirklich für eine qualitativ hochwertige Pflege stehe und es mir sehr am Herzen liegt, dass die Menschen, die die Senioren pflegen und dafür sorgen, dass unsere älteren Mitbürger im Alter ein Leben in Würde haben können und in Würde sterben können, ist es mir wichtig, dass Pflege gut bezahlt wird. Aus diesem Grund hat das Sozialministerium eine moderierende Rolle eingenommen. Wir haben über Gespräche mit den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern ein vereinfachtes Verfahren erreicht, damit es gelingt, für qualitativ gute Pflege die Pflegesätze anzuheben. Hiervon haben nach meinem Kenntnisstand etliche Pflegeheime und Träger Gebrauch gemacht. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt, der genauso wichtig ist, betrifft das Urteil des Bundessozialgerichtes von Anfang 2009. Von diesem Urteil ist uns bislang - wir haben heute noch einmal nachgefragt - nur die Pressemitteilung gekannt. Die Urteilsgründe liegen also noch nicht vor. In diesem Urteil ist sehr deutlich ausgeführt, dass zukünftig die Pflegesätze in einem zweistufigen Verfahren ermittelt werden. Dieses zweistufige Verfahren beinhaltet in der ersten Stufe die Plausibilitätsprüfung und in der zweiten Stufe die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Diese Pressemitteilung - ich möchte daraus gerne genau

zitieren - enthält den meines Erachtens sehr wichtigen Satz: „Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.“ Wir müssen abwarten, wie sich, nachdem die Urteilsbegründung vorliegt, die Pflegesätze in Niedersachsen und bundesweit entwickeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Frau Staudte von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben soeben zum Thema „qualifiziertes Personal“ ausgeführt, dass Sie die Herausforderung annehmen wollen. Man sollte einmal erläutern, worin diese Herausforderungen bestehen. Ich frage Sie daher, wie sich in Ihrer Amtszeit der Anteil der ausbildenden Betriebe in der ambulanten und stationären Pflege tatsächlich entwickelt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Bestimmt ist das wie- der eine Erfolgsgeschichte!)

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe keine Statistik über die Zahl der Ausbildungsbetriebe. Wir haben aber eine Statistik über die Zahl der Schülerinnen und Schüler.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es wäre aber interessant, die Anzahl der Betriebe zu wissen!)

Zu den Zahlen der Schüler und Schülerinnen: In 2000 waren es 4 048, in 2001 4 050, in 2002 4 238, in 2003 4 630, in 2004 4 838 und in 2005 4 922. Man kann also bis zu diesem Zeitpunkt - trotz Abschaffung der Altenpflegeumlage, deren Wiedereinführung Sie so vehement fordern -

(Uwe Schwarz [SPD]: Nicht nur wir!)

einen Anstieg der Zahlen feststellen. 2006 waren es dann 4 629, 2007 4 549 und 2008 4 612. Eine mögliche Erklärung für diesen Einbruch ist, dass der Bund den Umschülern bislang nur zwei Jahre

der Umschulung bezahlt hat. Ab 2009 wird er aber - für die nächsten zwei Jahre - auch wieder das dritte Umschulungsjahr bezahlen. Ich gehe davon aus, dass sich die Steigerung der Zahlen, die sich in 2008 andeutet, weiter fortsetzt.

Ich meine, das Wichtigste in diesem Zusammenhang ist die Anzahl der jungen Menschen, die diesen verantwortungsvollen Beruf ergreifen. Wenn es uns gelingt, im Haushalt des nächsten Jahres Mittel dafür einzuwerben und zur Verfügung zu stellen - dafür setze ich mich ein -, werden wir diese Bereiche fördern können. Das heißt, auf der einen Seite werden wir dann Betriebe fördern können, die ausbilden, und auf der anderen Seite werden wir Schüler und Schülerinnen, die ausgebildet werden, bei den Ausbildungskosten entlasten können.

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege HumkeFocks von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ross-Luttmann, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in Niedersachsen annähernd 60 % der stationären Pflegeeinrichtungen in Händen von privaten Trägern sind, frage ich Sie erstens: Wie beurteilen Sie den massiven Kostenwettbewerb zwischen privaten, öffentlichen und freien Trägern und dessen Auswirkungen?

Ich möchte noch eine zweite Zusatzfrage stellen, die sich auf Ihre Ausführungen in der Antwort zur Dringlichen Anfrage bezieht. Sie haben gesagt, dass es aufgrund des demografischen Wandels eventuell zu einer Unterversorgung kommen könnte - so habe ich Sie jedenfalls verstanden. Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um in Niedersachsen einer eventuellen Unterversorgung an Pflegekräften entgegenzuwirken?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Ministerin, bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Bundesgesetzgeber ist gewollt, dass der Markt regelt. Das heißt, in den Ländern findet keine Bedarfsprüfung statt, wo, von wem und wie viele Altenheime angeboten werden sollten. Aber ein

Betreiber einer Senioreneinrichtung ist natürlich auch darauf angewiesen, einen gewissen Gewinn zu erwirtschaften. Er wird für sich selbst eine Marktprüfung durchführen und prüfen, ob es für den Bereich, in dem er Leistungen anbietet, einen Markt gibt.

In Niedersachsen gibt es gegenwärtig eine deutliche Überversorgung mit Alten- und Pflegeheimplätzen. Gegenwärtig liegt die Auslastung der Heime im Schnitt bei etwa 88 %. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Gesellschaft älter wird, dass die Menschen zunehmend pflegebedürftiger werden, werden natürlich in den Pflegeeinrichtungen auch immer mehr Plätze benötigt. Aber gegenwärtig besteht ein deutliches Überangebot an Einrichtungen.

Mein Interesse ist darauf gerichtet, dass jemand, der pflegebedürftig wird, in dem Umfang Hilfe bekommt, in dem er sie braucht. Ich setze mich dafür ein, dass ein älterer Mensch sein Leben so lange selbstbestimmt und eigenverantwortlich führen kann, wie es ihm möglich ist, und dass er die Hilfen erhält, die er dafür braucht. Wir haben in den letzten Jahren das Netz von ambulanten Hilfen sehr stark ausgebaut, weil es sehr häufig der Wunsch älterer Menschen ist, ihr Leben möglichst lange selbstbestimmt und in ihrer vertrauten Umgebung zu führen. Wir sind dabei, dieses Angebot so wohnortnah wie eben möglich auszubauen. Aber wir erkennen auch an, dass manche Menschen so pflegebedürftig sind, dass sie in einem Altenheim oder einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht werden müssen. Mein Ziel ist es, dass die Pflege, die dort geleistet wird, qualitativ hochwertig ist. Deswegen müssen auch die Pflegesätze dem entsprechen.

(Zustimmung bei der CDU - Klaus- Peter Bachmann [SPD]: Geben Sie doch mal eine konkrete Antwort, nicht nur Allgemeinplätze!)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Möhle von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Ministerin, Sie sprachen eben schon die Werbe- und Imagekampagnen für Ausbildungen im Bereich der Altenpflege an. Diese Kampagnen laufen schon seit 2003. Gibt es konkrete Hinweise darauf, dass aufgrund

dieser Imagekampagnen neue Ausbildungsplätze geschaffen worden sind?

(Uwe Schwarz [SPD]: Und wie viele!)

Frau Ministerin, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte eingangs in der Antwort auf die Dringliche Anfrage ausgeführt, dass es mein Bestreben ist, ein Gesamtpaket zu schnüren. Es geht nicht nur um einzelne Maßnahmen in einzelnen Bereichen, sondern die Gesamtheit aller Maßnahmen muss wirken. Selbstverständlich verspreche ich mir als Ergebnis der einzelnen Maßnahmen - einer Imagekampagne, der finanziellen Förderung von Ausbildungsbetrieben und der finanziellen Unterstützung junger Menschen, die eine Ausbildung machen - eine hohe Wertschätzung für den Beruf und Anreize, diesen Beruf zu ergreifen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Nur Allgemeinplätze! - Zuruf von der SPD: Was ist mit seiner Frage?)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einmal zurück zum Pflegewohngeld: Ich frage die Landesregierung, wie viele Menschen nach Kenntnis der Landesregierung durch die Abschaffung des Pflegewohngeldes auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind.

Frau Ministerin, bitte!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann nur ein sehr geringer Teil sein.

(Uwe Schwarz [SPD]: 10 000! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Fünfstellig!)

Genau wird sich dieser Teil nicht ermitteln lassen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eines deutlich machen: Der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss wurde damals auch einge

führt, um in diesem Bereich überhaupt eine Struktur aufzubauen. Es bestand die Situation, dass sich ein Mensch, der in eine Alteneinrichtung wollte, mit vier unterschiedlichen Fragen auseinandersetzen musste: zum einen mit dem Pflegesatz der Pflegekassen, zum anderen mit dem Einsatz seines Einkommens und Vermögens, weiter musste geprüft werden, ob er den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss erhält, und gleichzeitig möglicherweise - wenn das alles nicht gereicht hat - ein Antrag an das Sozialamt gestellt werden, um ergänzend Sozialhilfe zu erhalten. Das war mit einem großen bürokratischen Aufwand verbunden, weil es viele Doppelstrukturen gab.