Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/1196 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Wer der Nr. 3 der Beschlussempfehlung zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/1214 für erledigt erklären möchte, den bitte ich ebenfalls um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einmütig so beschlossen.
Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Denkmalpflege, Archäologie und Baukultur in Niedersachsen - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1333
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte mit Ihnen gemeinsam über unseren Gesetzentwurf und unsere gemeinsame politische Verantwortung gegenüber unserem kulturellen Erbe beraten.
Das kulturelle Erbe ist ein grundlegendes identitätsstiftendes Element für jede Gesellschaft. Es zu erhalten und zu pflegen, muss das gemeinsame Ziel staatlicher und bürgerschaftlicher Bemühungen sein. Gerade in Zeiten der Globalisierung kommt dem kulturellen Erbe erhöhte Bedeutung zu.
Der Zeitpunkt, meine Damen und Herren, dieses Thema anzugehen, ist genau der richtige, weil, Herr Minister Stratmann, die Unzufriedenheit mit der Denkmalschutzpolitik dieser Landesregierung groß ist.
- Ja, die Unzufriedenheit ist sehr groß! Die privaten Denkmaleigentümer und -eigentümerinnen, die mit viel ehrenamtlichem Engagement für den Erhalt historischer Gebäude und Höfe in diesem Lande einen großen Beitrag zum regionalen Tourismus und zur regionalen Wirtschaftsförderung beitragen, fühlen sich von der Landesregierung im Stich gelassen und können nur verärgert mit ansehen, wie die Landesregierung als Eigentümerin in ihrem eigenen Wirkungskreis den Ausverkauf historisch wertvoller Denkmale betreibt.
Der Niedersächsische Heimatbund, meine Damen und Herren, beklagt sein Jahren, zuletzt wieder in seiner aktuellen Roten Mappe, das Desinteresse dieser Landesregierung am Erhalt des kulturellen Erbes. Ich zitiere aus der letzten Roten Mappe:
„Wo bleibt das Land? Wo bleibt der Landtag? Was ist ein Gesetz wert, das vom Gesetzgeber selbst, von der Regierung, ja der Politik auf allen Ebenen auf die leichte Schulter genommen wird?“
Die ehemalige Präsidentin des Landesamtes für Denkmalpflege, Frau Dr. Segers-Glocke, sprach sogar von personellem Notstand und sah die Fachlichkeit alarmierend geschwächt.
Das architektonische und archäologische Erbe ist ein geistiges, kulturelles, wirtschaftliches und gesellschaftliches Gut von unersetzlichem Wert. In Politik und Gesellschaft besteht ein grundlegender Konsens darüber, dass dieses Erbe zu pflegen und zu erhalten ist. Dieser Konsens umfasst die Überzeugung, dass die Erhaltung des baulichen Erbes den unverwechselbaren Charakter der Kulturlandschaft bewahrt und so die Lebensqualität mitprägt. Denkmale, meine Damen und Herren, und Denkmalschutz machen Geschichte anfassbar und dadurch fassbar. Denkmalschutz und Denkmalpflege genießen in Deutschland auch im internationalen Vergleich höchstes Ansehen, und - das möchte ich betonen - dazu haben die staatlichen Denkmalämter wesentlich beigetragen, auch unser Landesamt für Denkmalpflege, meine Damen und Herren.
Die Politik ist deshalb aufgefordert, deren Aufgabenvielfalt auch künftig zu sichern, Herr Minister, und den gestiegenen Anforderungen anzupassen. Bürgerinitiativen, Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer, Spenderinnen und Spender setzen sich häufig in aufopfernder Weise für Denkmalbauten und andere historische und archäologische Stätten ein. Private und öffentliche Stiftungen machen Schutz und Erhaltung dieses kulturellen Erbes zu ihrer Aufgabe.
Die Politik darf dieses Engagement nicht nur wertschätzen, meine Damen und Herren, sondern dieses Engagement muss anerkannt, unterstützt und auch gefördert werden. Wir wollen deshalb in unserem Gesetzentwurf einen starken Denkmalbeirat, in dem beispielsweise auch die Interessengemeinschaft Bauernhaus vertreten ist, und mehr Mitwirkung von ehrenamtlichen und privaten Denkmalbesitzerinnen und -besitzern bei politischen und administrativen Grundsatzentscheidungen im Denkmalschutz. Die Begeisterung der Eigentümerinnen und -eigentümer für ihr Baudenkmal soll gestärkt, und ihr Engagement soll gewürdigt werden.
Meine Damen und Herren, das geltende Niedersächsische Denkmalschutzgesetz aus dem Jahre 1978 erfüllt weder in seiner Begrifflichkeit noch in seinen Regelungen die vielfältigen Ansprüche an einen Schutz von Baudenkmalen, von Archäologie und, wie wir neu in diesem Gesetz formuliert haben, auch der Paläontologie. Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes in 2004 durch die Landesregierung hat die Situation eher verschlechtert. Wir wollen mit unserem Grünen-Entwurf den Denkmalschutz effektiver, einfacher und bürgerna
her gestalten und sowohl den Schutz als auch die Nutzungsmöglichkeiten von Denkmalen verbessern. Die Bürgerfreundlichkeit und Serviceorientierung der Denkmalschutzbehörden sollen durch unser Gesetz erhöht und das Miteinander von Behörden und Betroffenen soll vereinfacht werden. Entscheidungswege werden deshalb im Gesetz klar festgelegt und formuliert und gestrafft. Außerdem wird die Möglichkeit eingeräumt, auf Einzelgenehmigungen zu verzichten, wenn ein mit der Fachbehörde - mir dem NLD - abgestimmter Denkmalpflegeplan vorliegt, der etwa für einen denkmalgeschützten Straßenzug oder einen Innenstadtbereich ein Bündel von Maßnahmen an den Gebäuden vorsieht.
Zum ersten Mal in einem niedersächsischen Landesgesetz - auch hierin besteht eine Neuerung - wird eine Genehmigungsfiktion vorgesehen, nach der drei Monate nach Antragstellung eine Erlaubnis als erteilt gilt, wenn die Behörde bis dahin der Antragstellerin/dem Antragsteller noch keine Entscheidung mitgeteilt hat. Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf verfolgt auch an dieser Stelle den Grundsatz: Die Erfordernisse des Denkmalschutzes werden mit den berechtigten Interessen der Denkmalbesitzerinnen und der -besitzer in Einklang gebracht, ohne den notwendigen Schutz zu vernachlässigen.
Zum ersten Mal wird in einem Denkmalschutzgesetz in Deutschland die UNESCO-Welterbekommission berücksichtigt, soweit dies in einem Landesgesetz möglich ist. Der Bund kommt nicht umhin, ein Ausführungsgesetz zur UNESCO-Welterbekonvention vorzulegen; denn aus dem Desaster um die Waldschlösschenbrücke in Dresden müssen Konsequenzen gezogen werden. Die UNESCO-Kommission braucht auch im Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz eine Rechtsstellung.
Welterbe-Verpflichtungen müssen ernst genommen werden. Es ist zu hoffen, dass die Stadt Dresden in letzter Minute noch zu einem Kompromiss bereit ist und sich die Blamage erspart und so vermieden wird, dass in der nächsten Woche das Elbtal aus der Welterbe-Liste gestrichen wird.
Meine Damen und Herren, die Bedeutung des Denkmalschutzes in unserer Gesellschaft hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. In der Diskussion um zukunftsfähige Entwicklungsperspektiven für unsere Städte und Dörfer wird ein Niedergang der Baukultur, der Verlust der Unver
wechselbarkeit und Eigenart der Kernbereiche der Innenstädte beklagt. Leerstände und eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten als Folge von Umstrukturierungen in Handel und Gewerbe und natürlich auch als Folge des demografischen Wandels werden absehbar zu größeren Problemen im denkmalgeschützten Gebäudebestand führen. Gleichzeitig werden die Anforderungen an den Erhalt historischer Bausubstanz auch für die regionale Identität der Bevölkerung und als Anziehungspunkte insbesondere für den Tourismus steigen.
Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wird der Denkmalschutz mit unserem Gesetz in einen Zusammenhang mit Stadtentwicklung und Baukultur gestellt. Ziel ist es, die ganzheitlichen Entwicklungen der Städte und Regionen zu befördern.
- Ich komme zum Schluss. - Die Denkmalschutzbehörden und das Landesamt für Denkmalpflege als Fachbehörde brauchen ein praxistaugliches und in seinen Regelungen eindeutiges Denkmalschutzgesetz, das eingehalten wird, um ihre Aufgaben und die Ansprüche der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger erfüllen zu können. Für uns Grüne, meine Damen und Herren - diese politische Aussage ist mir sehr wichtig -, ist und bleibt die Denkmalpflege ein wichtiger Teil der staatlichen Daseinsvorsorge.
Mein vorletzter Satz. - Meine Damen und Herren, Kultur ist ein Fundament unserer Staatlichkeit. Das Einzige, was von einer Gesellschaft bleibt, ist das kulturelle Erbe. Deshalb ist der Denkmal-, Kulturgüter- und Welterbeschutz in Deutschland und Niedersachsen eine Staatsaufgabe von hohem Rang. Geben wir unserer Vergangenheit eine Zukunft!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Denkmalschutzpolitik und auch die Denkmalsituation in Niedersachsen befinden sich
in einer problematischen Situation. Drei Beispiele dafür möchte ich Ihnen nennen. Wir haben am Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege große Probleme aufgrund von Stelleneinsparungen und mangelnden Ressourcen. Wir haben die gescheiterte Idee des Kulturministers zur Gründung eines Instituts für Archäologie und Baudenkmalpflege. Und wir haben die zu hinterfragende Situation der unteren Denkmalschutzbehörden, bei den Kommunen. Zuallerletzt: Es fehlt - das beschreiben alle, die damit zu tun haben - ein ernsthafter Dialog zwischen Ministerium, Fachbehörden, Experten aus Wissenschaft und Einrichtungen im Bereich der Denkmalpflege und der Archäologie, die die Probleme, die wir haben, aufarbeiten können.
Das alles bedeutet, dass wir eine Neupositionierung der Denkmalpflegepolitik in Niedersachsen brauchen. Der von den Grünen vorgelegte Gesetzentwurf bietet einige gute Anregungen und dient als Grundlage für eine neue Diskussion über dieses Thema.
Wir begrüßen die Einrichtung und Installation eines Beirates und der Stelle der Beauftragten für Denkmalpflege sehr. Meine Fraktion hatte bereits im Herbst des vergangenen Jahres einen Antrag auf Einrichtung eines Landesdenkmalrates eingebracht. Der Landesdenkmalrat soll sich aus Fachleuten und Interessenvertretern wie Architekten, Heimatbund und Kommunen zusammensetzen und die Landesregierungen in allen wichtigen Fragen beraten, und er soll auch mitwirken. Wir wollen damit auch der Vernachlässigung des Denkmalschutzes entgegenwirken. Außerdem sind wir der Meinung, dass die derzeitige personelle Ausstattung des Landesamtes für Denkmalpflege eine dem Verfassungsauftrag gemäße Denkmalpflege nicht zulässt.
Unser Antrag ist in der Beratung. Landesdenkmalräte sind in anderen Bundesländern schon lange aktiv, und sie machen eine gute Arbeit. Das Wissenschaftsministerium hat zwischenzeitlich ein Modell für eine Kommission vorgelegt. Wenn alles gut läuft - so haben wir uns beim letzten Mal im Ausschuss erklären lassen -, wird diese Kommission zum ersten Mal in diesem Monat tagen. In dieser Situation meine ich, dass wir partei- und fraktionsübergreifend zu einer Verankerung einer
Protest gibt es allerdings nichtsdestotrotz von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände, die sich in dieser Kommission nicht angemessen wiederfinden und zu spät beteiligt sehen. Zu Anfang dieses Jahres hatte man den Denkmalrat im Hinblick auf zusätzlichen Verwaltungsaufwand und Verzögerungen bei der Beratung von Anträgen sogar abgelehnt. Kritik gab es auch bezüglich der Zusammensetzung der Kommission des Wissenschaftsministeriums. Die Kommunen finden sich als Eigentümer vieler Baudenkmale sowie als untere Denkmalschutzbehörde in der Funktion als Träger nicht ausreichend gewertet.
Ich meine, dass es auch vonseiten des Kulturministeriums in dieser Frage dringenden Gesprächsbedarf mit den Kommunen gibt, um zu einer konstruktiven Wertschätzung dieser Kommission zu kommen und um die vielen Konfliktpunkte, die es an dieser Stelle anscheinend noch gibt, aufzuarbeiten. Die unteren Denkmalschutzbehörden - Kollegin Polat hat es beschrieben - werden für eine Neupositionierung der Denkmalpflege in Niedersachsen gebraucht. Die Arbeit der Kommunen muss hier dringend gestärkt werden; denn nicht in allen Landkreisen und kreisfreien Städten kann man von einer personell gut ausgestatteten Denkmalschutzbehörde sprechen.
Ich unterstütze in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Forderung des Niedersächsischen Heimatbundes, eine Erhebung über die Besetzung der unteren Denkmalschutzbehörden durchzuführen, um zu erfahren, welche fachliche Qualifikation die Mitarbeiter dort besitzen, welche Stellenanteile für die Aufgaben des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege zur Verfügung stehen und wie groß der damit betreute Denkmalbestand ist.
Ich meine, dass diese Erhebung zusammen mit einer Evaluierung der vorausgegangenen Verwaltungsreform nach der Abschaffung der Bezirksregierungen im Arbeitsfeld der Denkmalpflege vorgenommen werden muss. Ohne eine solche Bestandsanalyse und ohne eine ordentliche Aufarbeitung der Situation der unteren Denkmalschutzbehörde ist es, glaube ich, schwierig, ein neues Gesetz vernünftig auf den Weg zu bringen.