Protocol of the Session on May 14, 2009

wie er sich auch in den letzten Monaten fast nie zu Wort gemeldet hat. Auch 80 % der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion halten es offenbar nicht für notwendig, hier teilzunehmen.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Kopfrechnen, Herr Wenzel!)

- Ich habe Sie dabei zusammengerechnet.

Meine Damen und Herren, die Asse war vor allem eine billige Müllkippe der Atomindustrie, und sie war der Prototyp von Gorleben. Daran besteht kein Zweifel mehr. Wer will, kann das an vielen Stellen nachlesen. Darauf war man sogar stolz.

Meine Damen und Herren, aber man wollte offenbar nicht, dass die Öffentlichkeit Genaueres über das radioaktive Inventar, über radioaktive Laugen, über Wassereinbrüche und den Bruch von Atomrecht, Strahlenschutzrecht und Strafgesetzbuch erfuhr. Auch der Landtag und der Bundestag sind falsch und unvollständig informiert worden. Heute müssen wir feststellen, dass beide Statusberichte, die der niedersächsische Umweltminister HansHeinrich Sander vorgelegt hat, grob unvollständig sind, Dinge verzerrt darstellen und offenbar auch wissentlich falsch darstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Völliger Quatsch!)

- Wir können das im Detail sicher ausführen. Ich kann Ihnen gern ein paar Zitate als Beleg vortragen. - Die Landesregierung hat bis in die letzten Wochen hinein die verfassungsgemäßen Rechte der gewählten Volksvertretung verletzt und nicht vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen informiert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Das ist nicht die Wahrheit!)

Meine Damen und Herren, Bundesumweltminister Gabriel spricht in einem Zeitungsartikel von heute davon, dass „die Untersuchung der Versäumnisse in der Asse zu einem Lehrstück für einen künftigen

Umgang mit der Entsorgungsfrage“ werden könne. Ich sage Ihnen: Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss wird mehr. Er wird zu einem Lehrstück über den unverantwortlichen Umgang mit einer Energieform, deren katastrophales Gefahrenpotenzial immer bekannt war, deren Beherrschbarkeit niemals gewährleistet war und für deren Millionen Jahre dauernde Altlastenbedrohung es nie und zu keinem Zeitpunkt auch nur die Spur einer technischen Lösung gegeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Untersuchungsausschuss wird zur Götterdämmerung für alle diejenigen, die als Propheten des billigen Stroms über Land gezogen sind und wissentlich in Kauf genommen haben und nehmen, dass mit der Anbetung der Atomkraft ein Zeitalter der Verantwortungslosigkeit in der Energiepolitik angebrochen ist. Bei allem, was es an Altlasten gab, musste die Kosten immer der Staat tragen, und immer wenn es um Profite ging, haben sich die Atomkonzerne bedient.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von der CDU und von der FDP gibt es bis heute kein Zeichen des Nachdenkens. Heute, nach all den Schrecken, Unfällen und Erkrankungen, nach all den geplatzten Weisheiten und all der Ratlosigkeit in der Endlagerfrage, haben Sie sich hier noch immer nicht neu orientiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb wollen wir die schonungslose Aufklärung vor allem aus zwei Gründen: Erstens. Ohne Wissen und Kenntnis aller Vorgänge und aller Verantwortlichkeiten der Vergangenheit gibt es keine Chance auf Umkehr und auf Veränderung für die Zukunft. Zweitens. Ohne Wissen und ohne Kenntnis aller Einlagerungen und Zusammensetzung der giftigen Stoffe gibt es keine Chance auf eine verantwortungsvolle Sanierung und keine Chance für mehr Sicherheit der Bevölkerung in der Region Braunschweig und darüber hinaus.

Meine Damen und Herren, wir greifen nun zum letzten parlamentarischen Mittel, um einen Vorgang aufzuklären, den sich heute kein normaler Mensch mehr erklären kann. Ich bin froh, dass der Forderung nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Asse heute hier im Parlament drei Fraktionen zustimmen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich bin mir sicher, dass dieser Ausschuss eine erfolgreiche Arbeit leisten wird.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Wenzel. - Der Antrag der SPDFraktion wird durch Herrn Kollegen Jüttner eingebracht. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden in den nächsten Minuten über den wahrscheinlich größten Umweltskandal Deutschlands in den letzten Jahrzehnten, und ich stelle fest, dass die Landesregierung zur Hälfte nicht vertreten und die CDU-Fraktion weitestgehend abwesend ist. Das zeigt Ihr Interesse an diesem Thema!

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Seit Juni ist dieses Thema im Mittelpunkt der landespolitischen Debatte - übrigens nicht, weil wir ihm die notwendige Aufmerksamkeit gegeben haben, sondern weil die Anstöße, die Anregungen und das kritische Nachhaken der Aktivisten in der Region uns dazu getrieben haben. Deshalb noch einmal einen ausdrücklichen Dank an diejenigen, die dieses Thema auf die landespolitische Tagesordnung gebracht haben.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Ausgerechnet Herr Jüttner sagt das!)

Wir haben von Anfang an deutlich gemacht - ich in der Aktellen Stunde am 1. Juli -, dass bei diesem Thema eine uneingeschränkte Aufklärung unabdingbar ist und dass, wenn es notwendig ist, sämtliche parlamentarischen Instrumente dafür genutzt werden. Das war von Anfang an klar. Das ist nicht gegeben. Deshalb beantragen wir diesen Untersuchungsausschuss. Er ist unabdingbar, damit die notwendige Aufklärung zur Asse möglich gemacht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, ich kann mich an die Situation im Juni/Juli erinnern: Da bestand hier Einvernehmen im Hause, was die Empörung über die Qualität des Betreibers und die Unzuverlässigkeit der Aufsichtsbehörden angeht. Wir haben doch hier erlebt, wie Sie darüber empört waren, was dort passiert ist. Deshalb ist von Ihnen verlangt worden aufzuklären. Wir haben zusammen verlangt, dass Änderungen vorgenommen werden.

Heute ist auch die Situation zu erläutern, was inzwischen geändert worden ist. Drei Dinge sind aus meiner Sicht besonders wichtig: Erstens. Das Helmholtz-Zentrum war absolut unfähig und unwillig, als Betreiber angemessene Arbeit zu machen, meine Damen und Herren. Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass ein Betreiberwechsel stattgefunden hat, dass jetzt ein Betreiber agiert, der solche Tätigkeiten als Kernkompetenz hat und der - das hoffe ich doch - auch die notwendigen Anforderungen hinsichtlich der Transparenz und Kommunikationsfähigkeit mitbringt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Zweitens. Wir haben das Rechtsregime verändert, meine Damen und Herren. Über Jahrzehnte - das schließt meine Regierungstätigkeit ein; ich sage das ausdrücklich - ist es den Fachleuten in den Behörden gelungen, ihre politischen Leitungen davon zu überzeugen, dass diese ganze Veranstaltung nach dem Bergrecht gemacht wird. Jetzt ist endlich zugelassen worden, dass das nicht geht. Uns ist gesagt worden: Die Rechtsgrundlage für das Atomrecht fehlt aufgrund der Konstruktion vor 1978, vor der seinerzeitigen Novellierung des Atomrechts.

Im Übrigen, Herr Sander: Sie haben im Umweltausschuss noch im Herbst 2007 einen Vermerk verteilen lassen, in dem unter Hinweis auf einen Verlust von fünf Jahren die Notwendigkeit dargestellt worden ist, am Bergrecht festzuhalten. Als es plötzlich im letzten Sommer bei dieser Frage heiß wurde, waren Sie innerhalb von Stunden bereit, diese Veränderung zuzulassen. Im Ergebnis ist das in Ordnung. Aber ich glaube, die Antriebskräfte waren bei Ihnen anderer Natur: Ihnen wurde das zu heiß, die Veranstaltung zu brisant. Es zeigt sich ja auch jetzt, wie schnell Sie mit dem Finger auf andere zeigen und den Eindruck erwecken, Sie hätten mit der Veranstaltung gar nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die dritte Änderung ist - ich glaube, das ist die wichtigste -, dass die geplante Flutung gestoppt worden ist, meine Damen und Herren. Bis Mitte letzten Jahres - im Bundestag noch im Juni -, Herr Sander, ist der Eindruck erweckt worden, dass die Standfestigkeit der Asse ab 2014 nicht mehr gegeben sei und man deshalb die Zeit nutzen müsse, schnell zu fluten, da eine andere Strategie nicht mehr möglich sei, meine Damen und Herren. Das Fluten, damit das aus dem Auge ist und niemand mehr nachgucken kann, was in den Jahrzehnten dort hineingekippt worden ist, ist eine gefährliche Strategie, die dort gewählt worden ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich sage mit Genugtuung: Diese Änderungen sind inzwischen vollzogen, die ersten Schritte. Aber hier ist auch im Einvernehmen verabredet worden, dass das niedersächsische Umweltministerium uneingeschränkt aufklären wird, meine Damen und Herren. Und was haben wir erlebt? - Ja, Sie haben Statusberichte vorgelegt. Aber schon unser Antrag, das mit einer wissenschaftlichen Kommission aufarbeiten zu lassen, weil doch klar ist, dass das allein im normalen Parlamentsbetrieb nicht leistbar ist, ist von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt worden.

Wie sollen wir, wie soll die Öffentlichkeit damit umgehen, dass nicht die zuständigen Behörden informieren, sondern dass beispielsweise die Tatsache, dass dort unten nicht nur nuklearer Müll liegt, sondern augenscheinlich auch sonstiger Giftmüll, nicht von den Fachbehörden, sondern von einem Wochenmagazin vorgestellt werden muss? Wie sollen wir damit umgehen, dass uns die Tatsache, dass das nukleare Inventar, das in der Asse liegt, möglicherweise deutlich höher ist, durch ein Gutachten von Greenpeace zur Kenntnis gebracht wird, weil die Landesbehörden augenscheinlich diese Fragestellung ignorieren? Da sollen wir Vertrauen zu dieser Art von proaktiver Politik haben, meine Damen und Herren? - Dieses Vertrauen haben wir nicht! Das können wir auch nicht haben!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Deshalb sage ich Ihnen auch: Die Verantwortung dafür, dass wir diesen Untersuchungsausschuss

dringend brauchen, sitzt dort auf der Regierungsbank. Herr Sander, Sie haben zu verantworten, dass dieser Schritt jetzt notwendig geworden ist, weil Sie in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf Nachfragen sehr wohl haben antworten lassen.

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Aber offensive Informationspolitik sieht anders aus, meine Damen und Herren. Ich will Ihnen nur ein kleines Beispiel nennen, an dem deutlich wird, wie die Mentalität der Öffentlichkeitsarbeit Ihres Hauses aussieht. In der Sitzung des Umweltausschusses vor drei Wochen, an der ich selbst teilgenommen habe, hat Ihr Staatsekretär auf eine Nachfrage gesagt: Diese Frage haben wir beantwortet, danach haben Sie gefragt. Aber nach der anderen Sache haben Sie ja nicht gefragt. Was sollen wir dann beantworten? - Zu gut Deutsch: Nur auf das, wo erkennbar eine Lücke bestand, wozu schon Informationen vorlagen, wurden Antworten gegeben. Das, was bei Ihnen bekannt war, was aber noch nicht hinreichend als möglich vorlag, ist der Öffentlichkeit und dem Umweltausschuss vorenthalten worden, meine Damen und Herren.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Genau richtig!)

Das ist defensive Öffentlichkeits- und Informationspolitik.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Deshalb brauchen wir diesen Umwelt - - - diesen Untersuchungsausschuss.

(Ulf Thiele [CDU]: Der Versprecher war gut!)

Wir brauchen ihn, damit er dazu beitragen kann, das Inventar dort festzustellen. Aber ich gehe davon aus, dass das auch in sehr großem Maße eine Aufgabe des jetzigen Betreibers ist.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Aha!)

Aber wir können nachhaken. Da kommen Verschiedene zusammen, die da Arbeiten zu erledigen haben. Das ist schon richtig.