Protocol of the Session on May 13, 2009

Ich zitiere einmal einen Landwirt, der anlässlich einer Veranstaltung zum Thema Gentechnik vor ca. zwei Monaten über seine Beweggründe sprach: „Bis Ende der 90er-Jahre hatten wir ein Gentechnikmoratorium“, so der Landwirt. „Als dann das Moratorium fiel, wurden wir als Landwirte darauf aufmerksam: Da kommt was auf uns zu. Ich habe es eigentlich nie ernst genommen, sondern ich habe gedacht: Bei dieser Technologie, so unsicher, so risikobehaftet, so mit wissenschaftlichen Schwierigkeiten, das erledigt sich von selbst. Hat es aber nicht. Es kam auf uns zu, und wir waren jetzt als Landwirte gefragt. Wie reagieren wir darauf? Es fehlte an Informationen, vor allen Dingen an unabhängigen Informationen. Bei Gentechnik müssen wir Landwirte alle zusammen entscheiden. Es ist zwar möglich, dass der eine konventionell arbeitet, der andere ökologisch. Das gilt aber nicht bei der Gentechnik. Das war der Punkt, warum wir gesagt haben: Wir müssen uns entscheiden. Das war der Beginn eines Prozesses, und am Ende stand die gentechnikfreie Gemeinde.“

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, heißt die Gemeinde Landolfshausen im Landkreis Göttingen. Dem ist nur eines hinzuzufügen: Die gentechnikfreie Region umfasst heute drei Gemeinden.

Meine Damen und Herren, bei der Beratung im Fachausschuss müssen die rechtlichen Möglichkeiten durchleuchtet und notwendige Initiativen beraten werden. Ich bin fest davon überzeugt, Herr Söder aus Bayern und Herr Müller aus dem Saarland würden sich über eine Unterstützung aus Niedersachsen freuen.

(Zustimmung bei der SPD)

Immerhin haben das Agrarland Nummer eins und das Agrarland Nummer zwei durchaus Gewicht im Konzert der Bundesländer, und das sollten sie nutzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Johanne Modder [SPD]: Eigentlich ist alles gesagt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Rede - dies ist für viele vielleicht überraschend - mit einem Lob der Bundesregierung und der Bundesagrarministerin beginnen. Mal sehen, wie Sie reagieren.

Wir haben ja in unserem aktualisierten Änderungsvorschlag ausgeführt, dass wir die Entscheidung der Bundesregierung, den Anbau von Genmais MON 810 zu verbieten, ausdrücklich begrüßen, weil wir finden, dass dies eine gute Entscheidung für Verbraucher, Umwelt und Landwirtschaft in Niedersachsen gewesen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Nichtklatschen bei CDU und FDP macht wieder einmal deutlich, dass sich die niedersächsische CDU immer mehr isoliert und die eigene Bundeslandwirtschaftsministerin kritisiert. Dabei gibt es für das Verbot des giftigen Genmaises - - -

(Jörg Bode [FDP]: Die ist von der CSU, und das ist die CDU!)

- In der Bundesregierung hat aber Frau Merkel die Richtlinienkompetenz, Herr Bode; das wissen Sie. Das ist eine Entscheidung der Bundesregierung gewesen.

Für das Verbot des giftigen Genmaises gibt es viele gute Gründe, die man in dem Entscheid von Frau Aigner nachlesen kann und die wir seit Jahren anführen: von den Gefahren für die Umwelt, Gesundheit, der Resistenz- und Koexistenzproblematik bis hin zur Unkontrollierbarkeit einmal ausgesetzter genmanipulierter Organismen.

Dass nicht nur wir das so sehen und dass es falsch ist, dass Herr Ministerpräsident Wulff gesagt hat, es sei eine rein ideologische Entscheidung, zeigt das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - da sollte auch die Rechtsstaatspartei FDP einmal zuhören! -, das ganz klar gesagt hat, dass die sachlichen Gründe von Frau Aigner für ein Verbot ausreichen. Deshalb hat das Verwaltungsgericht Braunschweig klar und eindeutig die Klage von Monsanto gegen das Verbot zurückgewiesen. Es war also keine ideologische Entschei

dung, sondern eine auf einer Vielzahl von Studien - aus Ungarn, Luxemburg und Deutschland - begründete Entscheidung, die noch einmal deutlich gemacht hat, wie sehr Monsanto etwa beim Monitoring bezüglich der Folgen für bedrohte Schmetterlinge, für bedrohte Pflanzen- und Tierarten, bezüglich der Auskreuzung geschludert hat. Wenn man das einmal liest, stellt man fest, dass das wirklich eine Horrorbilanz ist, die Monsanto versucht hat vorzulegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Wulff ist bei diesem Thema nun auch anwesend. Von Ihnen wird ja Ihre Aussage wie eine Monstranz vorangetragen, dass die Gentechnik ein vermeintliches Zukunftsthema sei. Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, die Bundesregierung und auch alle kritischen Studien, die wir vorgelegt haben, sagen eher das Gegenteil. Ich würde mich deshalb freuen, wenn Herr Wulff den Mut hätte, sich hier vor der Europawahl zu diesem Thema zu äußern. Oder haben Sie Angst vor den Wählerinnen und Wählern, die Herrn Seehofer, Frau Aigner und auch die hessische Landesregierung, die jetzt von CDU und FDP geführt wird, dazu gebracht haben, sich gegen die Gentechnik zu wenden. In Hessen heißt es: Wir wollen Hessen gentechnikfrei haben. Sie können auch NRW als Beispiel nehmen. Von der Kollegin Stief-Kreihe sind eben Umfragen zitiert worden. Es gibt eine Emnid-Umfrage - dieses Institut ist ebenfalls kein GreenpeaceInstitut -, in deren Rahmen gefragt wurde, wie die Bürger zu der Entscheidung der Bundesregierung zum Genmaisverbot stünden. 78 % der Bundesbürger haben die Entscheidung begrüßt, junge Leute sogar mehr als ältere Leute, was ich sehr begrüße und erstaunlich fand.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur 16 % haben die rein ideologische Position von Herrn Wulff und von der CDU und FDP geteilt. Wir als Grüne stehen weiterhin auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher, die selbst entscheiden wollen, was auf ihre Teller kommt, und die keine Agrogentechnik in der Landschaft haben wollen.

Bevor Herr Grascha oder Herr Deppmeyer jetzt wieder mit dem Argument kommen, wir brauchten die Gentechnik gegen den Welthunger, will ich Folgendes sagen. Gerade heute ist ein aktueller Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung des Bundestages - auch dieses ist kein grünes Gremium - vorgestellt worden. Ich zitiere daraus einmal das Fazit, das sehr deutlich ist: Der Anbau

gentechnisch veränderter Pflanzen reduziert Hunger und Armut nicht. - Es wird weiterhin festgestellt: Keine einzige genmanipulierte Pflanze, die im kommerziellen Anbau ist, bringt bisher Ertragssteigerungen. Die bisher angebauten Sorten dienen eben nicht zur Bekämpfung des Hungers, sondern dem Profit und sind für den Export in den reichen Norden bestimmt. Es handelt sich um Baumwolle, und es handelt sich um Gensoja, das wegen des hohen Fleischverbrauchs bei uns angebaut wird. Aus dem dargelegten Grund ist diese Entwicklung abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will hier auch die ehemalige EU-Kommissarin Frau Wallström zitieren: Die einzige Form von Hunger, den die Konzerne, die zu fast 100 % den Markt für genmanipulierte Pflanzen beherrschen, damit stillen, ist nicht der Hunger der Dritten Welt, sondern der Hunger der Aktionäre. - Da hat sie recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielleicht führen Sie auch noch das Argument der Arbeitsplätze an. Es gibt eine Studie der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg, die aufgezeigt hat, dass trotz Subventionen im dreistelligen Millionenbereich deutlich unter 500 geförderte Arbeitsplätze in der Agrogentechnik entstanden sind. Dagegen stehen über 150 000 Arbeitsplätze im ökologischen Landbau und in der Imkerei auf dem Spiel. „Leere Labore“ titelte der Spiegel am 6. Oktober 2008 und wies - das ist sehr lesenswert - auf die Forschungsruinen der Genindustrie in Sachsen-Anhalt hin. Dort hatte die FDP seit 2003 mit über 150 Millionen Euro versucht, eine Genindustrie aufzubauen. Fast alle Firmen sind heute pleite. Das war eine totale Fehlinvestition; am Markt vorbei. Das war FDP-Subventionitis.

Bei der Agrogentechnik geht es eben nicht um ökologische oder soziale Ziele, sondern um das große Geschäft auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern und der bäuerlichen Landwirtschaft. Monsanto will die Landwirte von dieser Risikotechnologie abhängig machen. Es ist daher erfreulich, dass die große Mehrheit der Landwirte keinen Genanbau wollte. In Niedersachsen hat kein einziger Landwirt 2009 den Anbau von Genpflanzen beantragt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung fördert hingegen den Anbau von genmanipulierten Zuckerrüben in Südnieder

sachsen. Sie macht an 25 Hannoveraner Schulen mit dem Projekt „HannoverGEN“ unter Einsatz von 1 Million Euro Propaganda. Der Ministerpräsident hat gesagt, das diene der Überwindung der Kritik an genmanipulierten Lebensmitteln und der Akzeptanzbeschaffung über Praxislabore. Wir sagen, das ist eine einseitige Indoktrination von Schülerinnen und Schülern mit Steuergeldern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

CDU/FDP haben - Herr Minister Sander ist nicht anwesend, obwohl er sich im Ausschuss für zuständig erklärte - als einziges Bundesland den Anbau von Genpflanzen im Naturschutzgebiet zugelassen. Der GBD hat das scharf kritisiert. Mittlerweile wissen wir, dass es dort bedrohte Schmetterlingsarten gibt. Sie wären durch den Genmaisanbau gefährdet worden, wenn die Bürgerinnen und Bürger dort nicht Widerstand geleistet hätten. Sie schaden damit der Existenz Tausender niedersächsischer Imker. Sie schaden der Existenz der Honigbiene. Ebenso schaden Sie der Existenz der gentechnikfreien Landwirtschaft. Sie stehen allein auf weiter Flur. Ich habe es schon gesagt: Schleswig-Holstein, NRW, Berlin, Bremen, Hamburg, das Saarland, Thüringen und Baden-Württemberg haben nicht einen einzigen Freisetzungsversuch mehr angemeldet. Hessen hat sich für gentechnikfrei erklärt. Die Bayerische Staatsregierung lehnt die Gentechnik zumindest verbal ab.

Deshalb appelliere ich an Sie noch einmal, unserem Antrag zuzustimmen. Die Abstimmung ist eine Nagelprobe auch für die CDU-Abgeordneten, die sich vor Ort oft kritisch zur Gentechnik äußern oder sich auf die Seite der Kirchen schlagen.

Als letzten Punkt will ich die Patente auf Leben ansprechen, etwa das Biopatent und das Schweinepatent. Ich würde mir wünschen, dass Sie dem hessischen Antrag zustimmen, keine Patente auf Leben zuzulassen. Wir bitten Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag für ein gentechnikfreies Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Deppmeyer zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen! Meine Herren! Vier Punkte der Tagesord

nung sind zusammengefasst worden. Sie betreffen Entschließungsanträge. Die Anträge haben das Ziel, Gentechnik zu verhindern. Die Grünen beantragen, uns, die Bevölkerung, vor Gentechnik zu beschützen. Die SPD stellt den Antrag, MON810 zu verbieten. Anscheinend haben Sie noch nicht gemerkt, dass er schon verboten ist. Niedersachsen soll gentechnikfrei werden. Regionale Entscheidungen halte ich in diesem Zusammenhang für völlig verkehrt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Linken wollen gentechnikfreie Produkte gewährleisten. Sie haben nicht gemerkt, dass Sie seit zehn Jahren Produkte essen, die auf gentechnisch produzierter Basis entstanden sind. Sie essen diese Produkte seit zehn Jahren, und es geht Ihnen allen nach wie vor gut. Die Linke will die seit Jahren geübte Praxis verbieten lassen. Die Grundlage für unsere Ernährung soll verändert werden. Bisher stellen wir fest, dass diese Praxis keine Nachteile mit sich gebracht hat.

Seit Jahren haben wir alle, die wir hier im Raum sind, Nahrungsmittel zu uns genommen, die gentechnisch produziert wurden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Manche mehr, manche weniger!)

- Ja, Sie sicherlich mehr. - Die SPD nimmt nicht zur Kenntnis, dass mit den Anträgen, die sie gestellt hat, ein Verbot von Forschung hier bei uns in Deutschland verbunden sein wird.

(Rolf Meyer [SPD]: Das ist Quatsch!)

Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde aktuell gerade festgestellt, dass hiermit eine Abwanderung der Forscher verbunden wäre. Die SPD hat auch nicht zur Kenntnis genommen, dass Frau Aigner MON810 verboten hat. Ich begrüße es, dass Frau Aigner sehr differenziert vorgeht und gleichzeitig Amfloraforschung und -anbau weiterhin zulässt.

(Beifall bei der CDU)

Dies macht deutlich, dass es hier nicht um ein billiges Alles-oder-Nichts geht, sondern dass differenziert vorgegangen wird, dass nicht Ängste geschürt werden, sondern sorgfältig geprüft wird, was für unser Land gut oder nicht gut ist. Diejenigen von Ihnen, die die grüne Gentechnik hier so sehr ablehnen, nehmen anscheinend nicht zur Kenntnis, dass Sie alle bei Arzneimitteln und Nahrungsmittelhilfsstoffen täglich Gentechnik tolerieren und

in Anspruch nehmen und ohne diese nicht leben könnten.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der LINKEN: Das macht es nicht besser!)