Um beispielsweise gerade junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte für den Lehrerberuf zu interessieren, ist es nach meiner Auffassung erforderlich, das Berufsbild des Lehramtes insbesondere bei Migrantenfamilien zu verbessern. Deshalb wird an dieser Stelle auch angesetzt.
Für eine erfolgreiche Integration der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund - das habe ich bereits ausgeführt - ist aber nicht nur von Bedeutung, wie viele Lehrkräfte selbst über eigene Migrationserfahrungen verfügen. Von Bedeutung ist vielmehr auch, wie gut alle unsere Lehrkräfte auf den Schulalltag und die Arbeit mit Kindern mit Migrationshintergrund vorbereitet sind.
Gerade in Bezug auf die Verbesserung der Lehrerausbildung hat Niedersachsen in den letzten Jahren viele wichtige positive Entwicklungen eingeleitet. Wie Sie wissen, werden bereits seit dem Wintersemester 2007/2008 in Niedersachsen an allen Lehrer ausbildenden Hochschulen Studienanfängerinnen und Studienanfänger ausschließlich durch Bachelor- und Masterstudiengänge für den Vorbereitungsdienst qualifiziert. Diese Umstellung der Studienstruktur ist in Niedersachsen in einem aufgrund seiner hervorragenden Abstimmung bundesweit viel beachteten Verbundprojekt erfolgt, an dem sich alle Lehrer ausbildenden Hochschulen in Niedersachsen beteiligt haben und in das sowohl mein Haus als auch das Kultusministerium eng eingebunden waren. Mit der Verordnung über Masterabschlüsse für Lehrämter in Niedersachsen wurden in Niedersachsen erstmalig die während des Studiums in den Unterrichtsfächern und den Bildungswissenschaften zu erwerbenden Kompetenzen beschrieben. Natürlich finden sich dort auch die Kompetenzen, die eine Lehrkraft braucht, um Unterricht in herkunftsheterogenen Lerngruppen fachlich, aber auch und vor allem pädagogisch qualifiziert erteilen zu können.
Die von der Kultusministerkonferenz im Herbst letzten Jahres in Saarbrücken einstimmig verabschiedeten, für alle Länder geltenden inhaltlichen Anforderungen in der Lehrerausbildung sind im Übrigen - auch das will ich hier noch einmal sagen - maßgeblich nach dem Vorbild der Kompetenzorientierung in unseren niedersächsischen Masterverordnungen und unter Mitwirkung von Mitarbeitern aus unserem Kultusministerium entstanden.
Eines will ich hier auch noch berichten. Ich habe heute Morgen überlegt, ob ich folgenden Aspekt in die Debatte einbringe. Wir haben hier viel über Mangelfächer gesprochen. Als ich 2003 Minister wurde, habe ich mich an das Kultusministerium gewandt und dieses gebeten, mir mitzuteilen, wie hoch in den nächsten Jahren die Bedarfe in den
Mangelfächern seien, damit ich mich als zuständiger Minister entsprechend auf Kapazitäten, die diese Bedarfe decken, einstellen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, was ich dabei festgestellt habe? - Ich habe festgestellt, dass sich das Kultusministerium bis dato, also bis 2003, um diese Fragen nie gekümmert hatte und gar nicht dazu in der Lage war, diese Bedarfe konkret anzugeben.
Das hat mich einigermaßen erstaunt. Lieber Herr Jüttner, jetzt wird von uns erwartet, dass wir sozusagen die Früchte der Bäume ernten, die Sie hätten pflanzen müssen, die aber von Ihnen nie gepflanzt worden sind.
Wir können heute sagen, dass wir in Bezug auf die Weiterentwicklung der Lehrerausbildung schon dort sind, wohin viele andere Bundesländer erst noch wollen. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns ausruhen können; denn wir wissen, dass Lorbeeren relativ schnell verwelken. Wir wollen das bisher Erreichte fortentwickeln. Wir werden insbesondere die Verzahnung der theoretisch-methodischen Ausbildung an den Hochschulen mit schulpraktischen Erfahrungen weiter verbessern. Auch für die Ausbildung zukünftiger Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer werden wir Möglichkeiten zur Stärkung der elementar- und primarpädagogischen Kompetenzen prüfen. Dies betrifft dann insbesondere den Bereich, um den es hier geht. Gerade im Hinblick auf Kinder, auf Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ist es wichtig, dass wir an den didaktischen Stellschrauben sehr viel intensiver drehen, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Eine abschließende Bemerkung. Hier ist von Quoten gesprochen worden. Liebe Frau Heinen-Kljajić, Sie haben hier die Genderförderung als Beispiel angeführt. Es ist richtig, dass wir in bestimmten Bereichen Anreize geben. Dazu stehen wir auch. Das tun wir insbesondere beim Thema Frauenförderung. Liebe Frau Heinen-Kljajić, es ist aber nicht richtig, Quoten vorzugeben, was die Zahl der Professorenstellen angeht, die mit Frauen zu besetzen sind. Wir haben es trotzdem geschafft - ich habe auch kein Problem damit, das hier zuzugeben, insbesondere deshalb, weil meine Vorvorgängerin Helga Schuchardt hier damals Pflöcke eingeschlagen hat -, dazu beizutragen, dass wir in
Niedersachsen heute deutschlandweit den höchsten Anteil an Professorinnen verbuchen können. Das, was Sie hier einfordern, sind aber klare Quotierungen, die mit Artikel 12 unseres Grundgesetzes nicht vereinbar sind.
Etwas, was verfassungswidrig ist, werden wir hier nicht beschließen. Ich habe im Übrigen festgestellt, dass die Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen, von uns weitestgehend längst abgearbeitet sind. Warum sollten die Regierungsfraktionen einem Antrag zustimmen, der hier nur Showeffekte auslösen soll?
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 971 ablehnen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses eindeutig gefolgt worden.
Ich wünsche Ihnen jetzt eine schöne Mittagspause. Wir sehen uns nach der Mittagspause um 15.15 Uhr wieder. Ich möchte nur noch daran erinnern, dass jetzt der Kultusausschuss tagt. Alle Mitglieder des Kultusausschusses mögen daran denken.
Zweite Beratung: Eine Region stellt sich vor: Erwartungen aus Niedersachsen an das neue Europäische Parlament - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/888 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - Drs. 16/1184 - Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1267
Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE hat die Annahme des Antrages in einer weitergehend geänderten Fassung zum Ziel.
Wir treten jetzt in die Beratungen ein. Dazu erteile ich der Kollegin Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der von CDU und FDP vorgelegte Antrag nicht so traurig wäre, dann könnten wir uns darüber in der Tat köstlich amüsieren, wie Frau Polat hier im März-Plenum gesagt hat.
Traurig ist der Antrag deswegen, weil er eine Menge über Ihr Politikverständnis und über das Verständnis Ihrer Rolle als die Regierung tragende Fraktionen aussagt. In Ihrem Antrag geht es in sechs von neun Punkten um möglichst viele Fördermittel. Damit wir uns da nicht falsch verstehen, füge ich hinzu: Ich finde es grundsätzlich richtig, dass sich die Niedersächsische Landesregierung um Fördermittel für Niedersachsen kümmert. Aber dazu müssen Sie hier keinen Antrag stellen. Wenn Sie dem Europäischen Parlament etwas mit auf den Weg geben wollen, dann doch wohl politische begründete Forderungen zu Schwerpunktsetzungen. Aber da wird es sehr, sehr dünn. So dünn geht es in Ihrem Antrag auch weiter: Zu Landwirtschaft und Ernährung enthält er ein paar nichtssagende Floskeln ohne konkrete Hinweise für die Abgeordneten im Europäischen Parlament. Zu Energie sagen Sie viel zu wenig. So verhindern Sie die Energiekatastrophe jedenfalls nicht.
Nun komme ich zu dem ersten in Ihrem Antrag angeführten Punkt „Soziales Europa“. Die einzige brauchbare Passage in diesem Passus ist die Überschrift „Soziales Europa“. Deswegen haben wir diese Überschrift in unseren Antrag übernommen.
Allerdings muss man mit Ihnen ein bisschen gnädig sein. Ich habe mir einmal die Anträge angeschaut, die Sie in der letzten Legislaturperiode zur Europapolitik gestellt haben. In diesen Anträgen geht es fast ausschließlich um Fördermittel, Strukturen und Ähnliches. Das ist Ihr Verständnis von
Nach einer jahrelangen Abstinenz bei der sozialpolitischen Ausgestaltung Europas muss man mit Ihnen vielleicht Nachsicht haben, wenn das nicht auf Anhieb klappt. Ich finde aber, dass man keine Nachsicht mit Ihrem grundsätzlichen Politikverständnis und Ihrem mangelnden Gestaltungswillen haben darf; denn leider passt Ihr Antrag ins Bild. Politikverdrossenheit wundert mich überhaupt nicht. Die EU ist Ihnen oft genug als Ausrede gut genug. Dann sagen Sie, dass Sie nicht anders handeln könnten, oder Sie verweisen auf die Vorgängerregierungen. An dieser Stelle will ich Ihnen Folgendes sagen: Diese Vorwürfe betreffen uns zwar nicht, weil wir hier vorher keiner Regierung angehört haben. Ich kann die Vorwürfe aber trotzdem nicht mehr hören. Vielleicht lassen Sie dieses Ritual einfach einmal sein.
(Beifall bei der LINKEN - Frank Oesterhelweg [CDU]: Das bestimmen wir noch selbst, ob wir das sein las- sen!)
Außerdem entmachten Sie sich als politische Verantwortungsträger permanent systematisch selbst durch den Verzicht auf Steuereinnahmen, durch Schuldenbremsen, Privatisierung und Deregulierung. Ich finde, dass man mit einem solchen Politikverständnis und einem solchen Mangel an Verantwortungswillen überhaupt keine Nachsicht haben darf.
Wenn Sie dem neuen Europaparlament etwas Substanzielles und konkrete Anregungen mit auf den Weg geben wollen, dann helfen wir Ihnen dabei selbstverständlich gerne. Deswegen haben wir diesen Änderungsantrag vorgelegt. Wir haben den Passus mit den unbestritten schönen Landschaften in Niedersachsen herausgelassen. Ich empfehle Ihnen, auf irgendein Repräsentationsbudget zurückzugreifen und den Abgeordneten im Europaparlament einen hübschen Bildband zu schicken. Dazu müssen Sie aber nicht dieses Parlament belästigen; da gibt es wirklich wichtigere Dinge zu regeln.
Wir fordern auch in diesem Antrag noch einmal eine soziale Fortschrittsklausel, die klar den Vorrang der sozialen Grundrechte vor den wirtschaftlichen Freiheiten regelt. Das haben wir schon sehr lange gefordert. Die SPD hat das bis vor kurzem noch nicht so gesehen. Sie haben im Oktober im Europaparlament den Vorrang abgelehnt und wollten eine Gleichrangigkeit. Sie haben auch hier im März, wie Herr Aller ausgeführt hat, gesagt, dass wir eine soziale Fortschrittsklausel brauchten, weil Sie ein Gleichgewicht wollten. Das wollte die CDU übrigens auch. In diesem Punkt waren Sie ganz auf einer Linie. Aber jetzt, gerade noch rechtzeitig, viereinhalb Wochen vor der Europawahl, ist Ihnen eingefallen, dass Sie den Vorrang sozialer Grundrechte wollen. Wir möchten Ihnen die Chance geben, mit der Zustimmung zu unserem Antrag ganz klar zu sagen, dass Sie es sehr ehrlich meinen und dass das kein Wahlkampfgeplänkel ist.
Ich möchte noch ein paar Beispiele aus unserem Antrag nennen: Wir wollen mehr Demokratie durch Einbindung der Menschen in die Entscheidungsprozesse, z. B. durch Plebiszite. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen durch umfassende Barrierefreiheit mehr am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir empfehlen auch die Einführung eines europaweit einheitlichen Schwerbehindertenausweises. Das würde den Menschen die Mobilität in Europa sehr erleichtern.
Im Bereich Wirtschaft und Verkehr geben wir klare politische Vorstellungen: Ausrichtung der Förderung auf Industriezweige mit nachhaltiger ökonomischer und ökologischer Zukunftsperspektive, z. B. im Bereich der Windenergie, die für Niedersachsen sehr wichtig ist. Wir empfehlen, das VWGesetz als Vorbild zu sehen, in der Landwirtschaft auf Qualität statt Masse zu setzen und die regionalen Absatzmärkte zu fördern, wie wir es auch für die Gesamtwirtschaft wollen.
Wir wollen die Verlagerung von Verkehr auf Wasser und Schiene. Dazu haben wir auch Vorschläge formuliert. Wir wollen mehr Transparenz im Bereich der Subventionen, aber auch im Bereich Lobbyismus, und mehr Verständlichkeit in den Veröffentlichungen der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren, Sie alle haben heute die Möglichkeit, mit Ihrer Zustimmung zu unserem Änderungsantrag einen Schritt in Richtung auf ein Europa zu gehen, das ein Europa der Menschen,
ein Europa der Solidarität, der Demokratie und des Friedens ist, ein Europa, mit dem sich die Menschen identifizieren können und in dem sie mit Überzeugung und Begeisterung sagen können: Ich bin Europäerin! Ich bin Europäer!