Sie hätten natürlich auch eigene Änderungsanträge formulieren können. Dann hatten Sie zumindest Ihren Willen zum entschlossenen Handeln untermauert.
Ebenso wenig kam es zu einer Unterrichtung durch die Landesregierung über die Situation von Migrantinnen und Migranten in Bezug auf Lehrämter. Schade!
Noch bedauerlicher ist allerdings, dass der Ablehnungsbeschluss noch vor der Erörterung in der Integrationskommission zustande kam. Immerhin hat die Vorsitzende der Kommission, Frau Lorberg, den voreiligen Entschluss der Mehrheitsfraktionen im Ausschuss bedauert. Die Vertreterinnen und Vertreter, die dort übrigens ehrenamtlich in ihrer Freizeit sitzen, blieben düpiert zurück. Sie hatten das öffentliche Protokoll der fraglichen Sitzung gelesen und schüttelten den Kopf über das ablehnende Votum.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Lesemann, mit Ihrem Antrag haben wir im Wesentlichen zunächst einmal das Problem, dass Begründung und Antrag nicht zusammenpassen. Hier wird vieles durcheinandergeschmissen. Das bedaure ich zutiefst. Ich finde es schade, dass Sie die Migrationsförderung an sich mit dem in der Überschrift suggerierten Eindruck vermischen, in diesem Antrag gehe es allein darum, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in die Lehrämter zu bringen.
Worum geht es? Niemand - das haben Sie hier dankenswerterweise auch noch einmal ausgeführt - hat etwas gegen das in Ihrem Antrag formulierte Ziel. Ganz im Gegenteil! Wir würden uns freuen, wenn mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen tätig wären.
Die Frage ist aber, wie man dieses Ziel erreichen kann. Natürlich kann man es vor allen Dingen dadurch erreichen, dass man jungen Menschen mit Migrationshintergrund - vielleicht insbesondere solchen, die zunächst nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind - hilft, in der Studierfähigkeit nach vorne zu kommen.
Dafür setzt Ihr Antrag selbstverständlich viel zu spät an. Wir müssen in der frühkindlichen Bildung und in der Sprachförderung ansetzen, wie es diese Landesregierung in besonderer Weise auf den Weg gebracht hat.
Die Lehrkräfte müssen eine besondere Qualifikation haben - da gebe ich Ihnen völlig recht -, damit sie auf alle unterschiedlichen Lebenssituationen und Umweltsituationen der Schülerinnen und Schüler eingehen können. Auf diese besonderen Qualifikationen achten wir auch mit Blick auf Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.
Ich denke, dass man den Lehrerinnen und Lehrern in unserem Land hochgradig unrecht tut, wenn man den Eindruck erweckt, sie seien allein deswegen, weil sie Deutsche sind, nicht in der Lage,
Damit komme ich zum letzten sehr wichtigen Punkt. Gerade jungen Menschen, die in ihren ersten Lebensjahren Probleme haben, ihre volle Leistungsfähigkeit abzurufen - weil sie möglicherweise mit der Sprache Schwierigkeiten haben, weil sie ein schwieriges Umfeld haben, weil sie unter Umständen einen Umzug aus einem anderen Kulturkreis zu verkraften hatten -, gibt die offene Hochschule, die wir in Niedersachsen führend auf den Weg gebracht haben, die Chance, alle Ziele zu erreichen und alle Abschlüsse zu erwerben, zu denen sie in der Lage sind. Die offene Hochschule ist das Gebot der Stunde. Wir brauchen lebenslanges Lernen. Damit helfen wir auch Menschen mit Migrationshintergrund in besonderer Art und Weise.
Wenn wir insgesamt den Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund steigern können, die die Möglichkeit bekommen, an einer Hochschule zu studieren und einen akademischen Abschluss zu erwerben, werden mit Sicherheit auch einige mehr von ihnen das Lehramt ergreifen. In Ihrem Antrag wird suggeriert, sie wollten das nicht, weil sie eher wirtschaftliche Interessen verfolgten. Das finde ich sehr schade. Ich glaube nicht, dass diese These richtig ist.
Für ganz falsch halten wir es, diesen jungen Menschen nun auch noch einen Rucksack mitzugeben, indem wir ihnen sagen: Ihr habt eine besondere Verantwortung gegenüber den anderen Menschen mit Migrationshintergrund und solltet daher ein Lehramt anstreben, anstatt Studiengänge zu belegen, die ihr möglicherweise gerne belegen möchtet, weil sie euren Interessen und euren Fähigkeiten entsprechen. - Das kommt in diesem Antrag ein wenig zum Ausdruck.
So etwas wollen wir nicht. Wir wollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um dafür zu sorgen, dass alle den Beruf der Lehrerin und des Lehrers in besonderem Maße attraktiv finden. Wir müssen dafür werben, dass junge Menschen Lehrerinnen und Lehrer werden - egal woher sie stammen.
Wir wollen auch bei allen jungen Abiturientinnen und Abiturienten sowie denjenigen, die die Hochschulen erreichen, Werbemaßnahmen durchführen, damit sie das Lehramtstudium als eine Option ins Auge fassen.
Natürlich sind Stipendien für Migranten förderungsfähig. Das bedeutet aber doch nicht - Sie haben es auch ganz bewusst gesagt -, dass das Ganze auf das Lehramt beschränkt ist. Stipendien, die nur dann vergeben werden, wenn die jungen Menschen das studieren, was wir für richtig erachten, möchte ich nicht. Ich möchte Stipendien für Migranten, in deren Rahmen sie auch die Möglichkeit haben, das zu studieren, was sie möchten, um anschließend im Berufsleben erfolgreich zu sein.
Für die CDU räume ich gerne ein, dass es für uns natürlich auch hier um eine Frage der Bestenauslese geht.
Auch in Bezug auf die Referendarstellen ist die gesamte Situation zu sehen. Schließlich brauchen wir alle Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb haben wir auch die Anzahl der Referendarstellen erhöht. Im Moment kann jeder sein Referendariat antreten.
Vor diesem Hintergrund halte ich die von Ihnen geforderte besondere Aufteilung für überhaupt nicht erforderlich. Damit wird ein Aktionismus suggeriert, der nicht notwendig ist und den wir hier nicht brauchen.
Damit kommen wir zu der Frage, warum dann ein solcher Antrag gestellt wird. Das ist relativ deutlich geworden. Die Überschrift klingt gut. Man bedient die eigenen Leute. Schließlich ist Wahlkampf. Das ist der Sinn und Zweck. Es ist keine Substanz dahinter. Man merkt diesem Antrag an, dass er zwischen Abendbrot und Tagesschau geschrieben wurde - ohne Substanz, ohne Hintergrund.
Mit einem solchen Antrag werden wir uns in den Gremien dieses Hauses und im Ministerium nicht in besonderem Maße mit Anhörungen usw. befassen. Daher ist die Beratung recht kurz. Sie haben Ihre Position deutlich machen können. Herzlichen Glückwunsch! Nun ist dieser Antrag am Ende, und wir beschäftigen uns mit den wirklich wichtigen Dingen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn zu Recht beklagt wird, dass es zu wenige Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund gibt, kommt man nicht umhin, grundsätzlicher nach den Ursachen zu fragen; denn selbstverständlich ist es nicht erfolgversprechend, einfach Studienbewerberinnen und -bewerber aus anderen Fachbereichen abzuwerben.
Warum haben selbst die zweiten und dritten Generationen eingewanderter Familien im deutschen Bildungswesen weniger Chancen? Warum besucht nicht einmal jeder fünfte ausländische Schüler ein Gymnasium? Und warum haben lediglich 2,1 % aller Abiturienten einen Migrationshintergrund? - In einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung sind Bildungs- und Teilhabechancen von Grund auf ungerecht verteilt.
Weil das so ist, reden Sie in Ihren bildungspolitischen Sonntagsreden davon, dass Bildung der Schlüssel zum Aufstieg sei.
Da, wo Aufstieg nötig ist, gibt es aber auch Abstieg. Beides setzt voraus, dass es in der Gesellschaft weiterhin „oben“ und „unten“ und kein gleichberechtigtes Mit- und Nebeneinander gibt.
Stattdessen verstärkt das viergliedrige Schulsystem die gesellschaftlichen Selektionsmechanismen noch und sortiert bereits Kinder im Alter von zehn Jahren vor allem entsprechend ihrer sozialen Herkunft.
Wissenschaftliche Studien haben nachgewiesen, dass selbst bei gleicher Schulleistung Kinder aus sozial schwächeren Schichten oder mit einem Migrationshintergrund seltener eine Gymnasialempfehlung von den Lehrerinnen und Lehrern bekommen als bessergestellte deutsche Schüler. Dies kann auch mit dem kulturellen Hintergrund
der Lehrer zu tun haben, weswegen besonders mehr Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer wichtig sind.
Das Ergebnis all dessen ist, dass zu wenige von diesen Kindern das Abitur machen, dass zu wenige von diesen Kindern das kostenpflichtige Studium beginnen und dass es in der Konsequenz zu wenige Pädagogen mit Migrationshintergrund gibt.
Der Antrag der SPD-Fraktion konzentriert sich auf diesen letzten Aspekt und schlägt einige Maßnahmen vor, die im Kern unkonkret bleiben und alles andere als eine echte Lösung darstellen. Werbemaßnahmen, Studienstipendien und eine Studienplatzreservierung oder -förderung für Migranten können nur bedingt Erfolg haben, weil sie das Problem nur an der Oberfläche bekämpfen. Dennoch sind die hier vorgeschlagenen Maßnahmen besser als gar nichts.
Es ist zweifelsohne richtig und wichtig, dass es mehr nicht deutschstämmige Lehrerinnen und Lehrer gibt. Wir werden deshalb diesem Antrag zustimmen, Herr Bachmann, weil es wichtig ist, dass wir dieses Thema verstärkt in das politische Rampenlicht rücken.