Protocol of the Session on May 12, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bode, herzlichen Dank, dass Sie für unsere Broschüre Werbung machen. Diese Broschüre haben wir erstellt, als die Landesregierung am 24. Februar ein 13-Punkte-Programm veröffentlicht hatte, das Vorschläge zu diesem Thema enthielt, die sie inzwischen wegen erwiesener Dummheit zurückgezogen hat, sodass sie sich überhaupt nicht mehr in ihrem Gesetzentwurf finden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU und von der FDP)

- Genau darum ging es: um die Übertragung auf das Land. Das, was die SPD zum Thema „Neustädter Modell“ für richtig hält, hat Herr Poppe hier differenziert vorgetragen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als letzte Wortmeldung zu Tagesordnungspunkt 1 c liegt mir die Wortmeldung von Frau Ministerin Heister-Neumann vor. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Jüttner, zunächst einmal: Das 13-Punkte-Programm beschäftigt sich mit der Unterrichtsversorgung, nicht mit der Schulstrukturentwicklung.

(Zustimmung bei der CDU - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Es geht um den Anhang zum 13-Punkte-Programm!)

Aber lassen Sie uns hier eines gemeinsam feststellen - ich finde, das ist etwas ganz Besonderes -: Niedersachsens Schulen sind spitze.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Trotz Ihrer Bildungspolitik!)

Gestern hat die Grundschule „Am Gutspark“ in Salzgitter den Preis für die beste Ganztagsschule in der Bundesrepublik bekommen. Das begeistert uns und ist toll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der vergangenen Woche hat die Kooperative Gesamtschule Neustadt den ersten Preis in dem Bundeswettbewerb „Starke Schule. Deutschlands beste Schulen, die zur Ausbildungsreife führen“ bekommen. Sie hat den Preis aus den Händen

unseres Bundespräsidenten in Empfang genommen. Ich glaube, das ist ein Beweis und ein Beleg zum einen für das unglaublich große Engagement der Schule, der Schulleitung, der Lehrkräfte und aller dort Beteiligten - darüber freue ich mich sehr - und zum anderen dafür, dass die Stärkung der Hauptschule der richtige Weg ist, um den Schülerinnen und Schülern mit entsprechenden Begabungen und Empfehlungen die Kraft und die Stärke zu geben, die sie brauchen, um im Leben erfolgreich sein zu können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb haben wir die Pflichtstundenzahl erhöht. Wir haben die Kernfächer gestärkt. Wir haben Sozialpädagogen an die Hauptschulen gebracht. Wir haben die Betriebs- und Praxistage ausgeweitet. Wir haben erfolgreiche Modelle, die zur Ausbildungsreife führen, eingeführt. Wir haben die Rahmenbedingungen also insgesamt verbessert.

Aber die Rahmenbedingungen sind das eine. Das andere ist, was vor Ort mit entsprechendem Einsatz tatsächlich geleistet wird.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Die Lehrkräfte dieser Schule in Neustadt haben gemeinsam mit den Lehrkräften der Berufsbildenden Schule und mit Herrn Marsch eine ganz tolle Konzeption entwickelt, die auf einer engeren Verzahnung von Allgemeinbildung und berufsorientierter Bildung basiert, bis hin zur beruflichen Grundbildung. Es ist beschrieben worden - ich selber habe das dort erlebt -: Wie die jungen Menschen über die Fachpraxis begeistert werden können und auch wieder an die Theorie herangeführt werden können, an Schule an sich, ist etwas Wunderbares.

Das sind die Bestandteile, das sind die Einzelteile, die wir uns angeschaut haben, die Modelle aus der Praxis, die wir als Grundlage der Weiterentwicklung des gegliederten Schulwesens in ganz Niedersachsen zugänglich machen. Diese Bestandteile sind im Wesentlichen die enge Verzahnung des allgemeinbildenden Schulwesens mit dem berufsbildenden Schulwesen, die systematische Vermittlung grundlegender Allgemeinbildung als Berufsvorbereitung sowie - dieser wichtige Punkt darf nicht verkannt werden - die Öffnung weiterer qualifizierender schulischer Bildungsgänge bis hin zur Fachoberschule und zum Fachgymnasium, und zwar nach dem Prinzip: kein Abschluss ohne Anschluss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Hameln hat ein entsprechendes Projekt gefahren. Springe, Wolfenbüttel und Nienburg wollen folgen. Neustadt macht im wahrsten Sinne des Wortes Schule - und das zu Recht.

An dieser Stelle möchte ich den Damen und Herren der Kooperativen Gesamtschule Neustadt und der BbS noch einmal ganz persönlich gratulieren. Das ist mir ein besonderes Anliegen. Ich habe an der Preisverleihung teilgenommen. Wer erlebt hat, wie die Schulleitung und eine Schülerin als Vertretung der Schüler im Schloss Bellevue den Preis entgegengenommen haben, und zwar mit Selbstbewusstsein und einem unglaublichen Stolz, der kann nachvollziehen, was das für das gesamte Team bedeutet, was das für die Hauptschulen bedeutet und was das für die Hauptschüler bedeutet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben damit viel erreicht. Wir sind stolz auf sie. Wir sind stolz auf die Hauptschulen und auch stolz auf die Hauptschüler.

Das sollten wir alle gemeinsam sein. Dann kommen wir in diesem Land weiter.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu diesem Tagesordnungspunkt spricht noch einmal Herr Bode von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ich kann ja verstehen, dass Ihre Broschüre Ihnen inzwischen peinlich ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie ist uns nicht peinlich!)

Dass Sie uns jetzt erklären wollen, diese Broschüre sei aufgrund des Kabinettsbeschlusses ergangen und danach erstellt worden, weshalb Sie die von uns als Fraktionen beschlossenen Punkte noch nicht berücksichtigen konnten, ist aber natürlich spannend. Sie sagen hier also, es sei ein anderer Sachstand, aus dem ich gerade zitiert habe.

Herr Jüttner, die Beschlüsse der Fraktionen - als Vorsitzender der FDP-Fraktion war ich ja dabei - sind am 17. März dieses Jahres ergangen. Ich zitiere ein letztes Mal aus Ihrer Broschüre: „Stand April 2009“.

Herr Jüttner, Sie sind erwischt. Kommen Sie nach vorne, und ziehen Sie Ihre Broschüre zurück.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist der Tagesordnungspunkt 1 c erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 d auf:

Neuverschuldungsverbot und massive Steuersenkungen - Wen will Ministerpräsident Wulff für dumm verkaufen? - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1249

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Jüttner. Ich erteile ihm das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa kennt mehrere Sozialstaatsmodelle.

So ist beispielsweise in Großbritannien die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, denkbar gering; die Erwartungen an das System sind aber auch niedrig. Inhaltlich kann man das zwar kritisieren; finanziell geht es aber einigermaßen auf.

Außerdem kennen wir das skandinavische Modell. Dort sind hohe Steuern zu zahlen; dafür stellt der Staat aber Infrastruktur, Bildungschancen und umfassende soziale Sicherungssysteme bereit. Meines Erachtens ist das ein sehr überzeugendes Konzept, inhaltlich sinnvoll und finanziell ausgewogen.

In Deutschland unternehmen CDU und FDP den Versuch, diese beiden Konzepte miteinander zu kombinieren, und zwar die britische Bereitschaft hinsichtlich des Steuerzahlens mit den Erwartungshaltungen der Skandinavier an den Sozialstaat. Meine Damen und Herren, nichts zahlen wollen, aber alles in Anspruch nehmen - dieses Konzept geht nicht auf. So ist ein Sozialstaat nicht darstellbar.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb müssen wir ehrlich darüber reden, welche Anforderungen wir an das Gemeinwesen in Deutschland haben. In der Sache können wir durchaus streiten. Wenn wir festgelegt haben, was

wir erwarten - und in der Krise ist deutlich geworden, dass die Erwartungen an den Sozialstaat eher gestiegen sind, auch in Bezug auf seine Interventionsfunktion -, müssen wir uns aber auf eine angemessene Ausstattung der politischen Ebenen verständigen. Das gilt für die Kommunen, die Länder und den Bund.

Das Dilemma der deutschen Politik der letzten 60 Jahre ist nicht, dass Schulden gemacht worden sind, sondern, dass über 60 Jahre so gut wie keine Tilgung geleistet worden ist, weshalb man in der Tat in eine schräge Situation kommen kann. Daher sprechen ohne Zweifel gute Gründe dafür, über eine praktikable Schuldenbremse zu diskutieren. So geht es nämlich nicht weiter; diese Auffassung vertritt das Bundesverfassungsgericht zu Recht. Darüber können wir hier reden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die beiden Dinge, mit denen Sie uns gegenwärtig beehren, gehen aber nicht. Gestern hat das Präsidium der CDU drastische Steuersenkungen in der nächsten Wahlperiode beschlossen. Das Bundesfinanzministerium prognostiziert weit mehr als 300 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen in den nächsten Jahren bis 2013. Ihr haushaltspolitischer Sprecher Kampeter hat gestern erklärt, dass die Neuverschuldung bis 2013 um knapp 500 Milliarden Euro steigen wird, meine Damen und Herren. Das ist das Zehnfache der Planung. Man muss sich einmal vorstellen, was das in der Konsequenz bedeutet. Und dann legen Sie hier solche Vorstellungen von Steuersenkungen auf den Tisch!

Was heißt das denn in der Konsequenz? Wie wird diese Summe erwirtschaftet? Es gibt zwei Wege. Entweder geht die Staatsverschulung dramatisch nach oben - was angeblich doch gerade nicht passieren soll -, oder Sie greifen in einer dramatischen Weise in die Leistungen für die Bevölkerung ein.

Deshalb gehören Steuersenkungen nach meiner Auffassung nicht in diese Zeit. Schauen Sie sich die Kommentare der Zeitungen an. Lesen Sie einmal nach, wie Herr Knebel heute in der HAZ die 180-Grad-Wendung von Frau Merkel bewertet. Und Herr Wulff geht klasse hinterher und klatscht zu dieser Geschichte ordentlich Beifall.