Protocol of the Session on May 12, 2009

2008 - es waren Landtagswahlen - musste man ja etwas tun: mit viel Getöse Anhebung der Verbundquote. Damit stand zwar wieder mehr Geld für den Finanzausgleich zur Verfügung, aber im Vergleich zum Jahr 2005 fehlen uns immer noch etwa 80 Millionen Euro jährlich.

(Björn Thümler [CDU]: Falsch!)

Resultat: Die Verschuldung vieler Städte und Gemeinden wächst in unverantwortliche Höhe an. Nun kommt die Landesregierung in ihrer großen Güte daher und bietet den Städten und Gemeinden eine Entschuldung ihrer Kassenkredite bis zu 75 % an, wenn sie sich zu größeren Samtgemeinden zusammenschließen. Finanziert werden soll dieses Programm mit 35 Millionen Euro vom Land und 35 Millionen Euro - man höre und staune - aus dem Finanzausgleich. Die logische Folge daraus ist: Was ich dem einen gebe, muss ich dem anderen nehmen. Hier noch von Freiwilligkeit zu sprechen, setzt schon ein gewaltiges Maß an Ignoranz voraus.

(Beifall bei der SPD)

Das ist zumindest für die Gemeinden, die finanziell am Ende sind, keine Freiwilligkeit, sondern ein absoluter Zwang zum Zusammenschluss. Was geschieht jedoch, wenn diese Vorgehensweise in der Praxis umgesetzt wird? - Die Gemeinden werden alles daransetzen, sich unter dem finanziellen Druck zu Samtgemeinden zusammenzuschließen. Nicht die Einsicht zur Zusammenarbeit wird eine solche Absicht lenken, sondern der schiere Überlebenskampf.

Gefahren, die dabei entstehen können, scheinen keine Rolle zu spielen. Es entsteht ein nicht gewollter Flickenteppich, der eine sinnvolle Gestaltung der Städtelandschaft auch für die Zukunft verhindert. Das Leitbild, das wir uns alle selbst gegeben haben, wird verzerrt. Unser Leitbild sollte dazu beitragen, dass keine unübersichtlichen Gebietskonstruktionen entstehen. Eine Samtgemeinde sollte die Zahl von zehn Mitgliedsgemeinden eigentlich nicht überschreiten. Nun gibt es jetzt schon Samtgemeinden - Sie wollen sie ja zusammenschließen -, die jetzt schon sechs, sieben und mehr Mitgliedsgemeinden haben. Abweichungen vom Leitbild sind somit vorprogrammiert. Wie sieht dann die Abweichung aus, frage ich Sie. Entsprechen 11 Gemeinden noch unserem Leitbild? Wenn

wir eine Gemeinde draufsatteln, dann können es auch 12 werden. Wer 12 hat, kann auch 13 machen, und wenn wir bei 13 sind, macht eine zusätzliche Gemeinde auch nichts mehr aus. Irgendwann werden wir dann bei 20 Gemeinden landen. Das ist dann Ihr Leitbild einer Samtgemeinde!

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist doch an den Haaren herbeigezogen, Herr Kollege!)

- Vielleicht werden es sogar noch mehr als 20.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Ihre Vorstellung, die Finanzprobleme der Städte und Gemeinden auf eine solche Weise zu lösen, zeigt Ihre Mutlosigkeit, dieses Problem sinnvoll anzufassen und gestalterisch zu lösen.

(Beifall bei der SPD)

Der Handwerker würde das Pfusch nennen. - Ich habe selbst einmal einen Handwerksberuf gelernt.

Ich erinnere an eine Anhörung im Ausschuss für Inneres, Sport und Integration und weise auf die Aussage des Vertreters des Beamtenbundes hin.

(Johanne Modder [SPD]: Ja, die war klasse!)

- Weil sie so schön war, zitiere ich sie ja auch. - Er sagte:

„Wenn Sie den Städten und Gemeinden sinnvoll helfen wollen, dann statten Sie sie wieder mit den notwendigen finanziellen Mitteln aus, damit diese auch künftig ihre Pflichtaufgaben erfüllen können, ohne neue Schulden machen zu müssen.“

Das ist ein ganz einfacher Satz, der ebenso einfach das beschreibt, was Sie tun sollten. Wir selber sind natürlich nicht gegen Fusionen; dies betone ich hier ganz besonders.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Auch wir wollen den Zusammenschluss von Städten und Gemeinden. Dies sollte jedoch zukunftsweisend geregelt und umgesetzt werden. Daher unterstützen wir auch den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Eines habe ich von Ihnen heute wieder sehr oft gehört - das höre ich von den Regierungsfraktionen eigentlich immer -: „Wir sind auf dem richtigen Wege.“ Ich stelle aber immer nur fest: Sie kommen nie an.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Auf dem Holzweg!)

Man kann auf dem richtigen Wege sein, aber trotzdem rückwärts gehen oder stehen bleiben. Ich schlage Ihnen vor: Marschieren Sie nach vorne und bleiben Sie nicht stehen und gehen Sie auch nicht rückwärts.

Frau Präsidentin und meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Herzlichen Dank. - Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Oetjen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Novelle des Kommunalverfassungsrechts sollen Änderungen vorgenommen werden, die sich im Bereich der kommunalen Praxis als erforderlich erwiesen haben. Dies zeigt, warum wir diese kleine Novelle der Niedersächsischen Gemeindeordnung und anderer Regelungen auf den Weg gebracht haben. Es sind die Kommunen gewesen, die gesagt haben, hier hätten sie Handlungsbedarf, hier müsse etwas getan werden. CDU und FDP tun dann auch etwas.

(Beifall bei der FDP)

Ein wesentlicher Bereich, der schon angesprochen wurde, betrifft den Zusammenschluss von Samtgemeinden und die Erleichterung des Verfahrens. Hier haben wir eine Regelung eingebaut, die vorsieht, dass dann, wenn sich Samtgemeinden zu einer neuen Samtgemeinde zusammenschließen wollen und vor Ort keine Probleme bestehen, also dort im Prinzip Einstimmigkeit herrscht, dies auf dem Verordnungswege durch das Innenministerium geregelt werden kann. Dadurch erleichtern wir das Verfahren zum Zusammenschluss von Samtgemeinden. Deswegen ist dies auch ein direkter

Beitrag zum Bürokratieabbau und zur Erleichterung des Verfahrens zum Zusammenschluss von Kommunen. Dies gilt natürlich dann nicht - das muss hier ganz deutlich gesagt werden -, wenn der Zusammenschluss vor Ort strittig ist, wenn beispielsweise einzelne Gemeinden einem solchen Zusammenschluss von Samtgemeinden nicht zustimmen. Dann bedarf eine solche Verordnung der Zustimmung des Gesetzgebers. Das heißt, wir haben hier einen Parlamentsvorbehalt: Der Landtag muss dann darüber entscheiden.

Vom Kollegen Briese ist hier unter Hinweis auf Artikel 59 der Niedersächsischen Verfassung gesagt worden, dies sei verfassungswidrig. In Artikel 59 ist aber nicht von Samtgemeinden die Rede. Unter Verfassungsrechtlern ist umstritten, ob Samtgemeinden tatsächlich unter diesem verfassungsrechtlichen Schutz stehen. Dies sage ich, um hier ein abgewogenes Bild darzustellen. Wir gehen davon aus, dass wir durch diesen Parlamentsvorbehalt in dieser Frage keine verfassungswidrige Regelung bekommen.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Frage des Sponsorings eingehen. Wir haben von der CDU und von der FDP eine Regelung vorgeschlagen, die auf der rechtlichen Regelung des Landes Baden-Württemberg fußt. Herr Kollege, uns ist Baden-Württemberg lieber als Bayern. Dies gilt in der Freien Demokratischen Partei übrigens grundsätzlich.

(Zuruf von der SPD: Wieso seid ihr dann in Bayern in der Regierung?)

Diese Regelung haben wir dann aber dahin gehend verändert, dass wir eine Beratung in nicht öffentlicher Ratssitzung vorgesehen hatten. Diese Anregung kam auch von der kommunalen Seite. Dies haben wir in dem Gesetzgebungsverfahren aus unserem Regelungsvorschlag zum Sponsoring wieder herausgenommen. Jetzt soll darüber in der Ratssitzung beraten werden.

Herr Kollege Oetjen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adler?

Nein, vielen Dank. - Da der Grundsatz der Ratsöffentlichkeit gilt, bleibt es dabei, dass solche Fragen des Sponsorings grundsätzlich ratsöffentlich behandelt werden - es sei denn, es stehen gute Gründe dagegen; dann hat der Einladende zur Ratssitzung, d. h. der Bürgermeister, die Möglich

keit, dies auf die Tagesordnung des nicht öffentlichen Teils zu setzen. Natürlich kann ein solcher Vorschlag dann auch kommunalrechtlich überprüft werden. Ich meine, dass wir für das Sponsoring insgesamt ein gutes Verfahren auf den Weg gebracht, das hoffentlich dazu führt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das wichtige Instrument des Sponsorings in Zeiten knapper Kassen stärker angewandt wird.

Ich bitte Sie, diesem Gesetzentwurf insgesamt Ihre Zustimmung zu geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Oetjen. - Es gibt nun zwei Kurzinterventionen. Zunächst Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte drei Punkte nennen, die mir ganz wichtig sind.

Erster Punkt: Niemand in der Fraktion der Grünen hat etwas dagegen, dass wir über die kommunale Gebietsstruktur in Niedersachsen reden. Das ist gar keine Frage. Wir brauchen diese Debatte in unserem Land unbedingt. Wir scheuen sie auch nicht. Wir haben sie auch immer wieder eingefordert. Wer sie scheut, ist Herr Schünemann, der stets sagt, eine Gebietsreform werde es mit ihm nicht geben, er mache sie am liebsten gar nicht, ansonsten allenfalls auf freiwilliger Basis. Jetzt macht er sie aber doch: heimlich, still und leise per Verordnung, wenn er dies kann. - Dies zeigt das Problem. Wir müssen diese Debatte vom Kopf auf die Füße stellen. Wir brauchen eine offene, transparente und breite Debatte über die kommunale Landschaft in Niedersachsen. Diese Debatte scheuen Sie.

Zweiter Punkt: Ich habe nicht gesagt - Herr Kollege, das würde ich mir gar nicht anmaßen -, das sei definitiv alles verfassungswidrig. Hier haben Sie mich schlicht und ergreifend falsch zitiert. Ich habe nur gesagt, es gebe wieder einmal erhebliche Rechtsbedenken bei einem Gesetzentwurf aus dem Hause Schünemann. Das kennen wir schon zur Genüge. Das scheint bei Ihnen mittlerweile schon ein Gütesiegel zu sein. Ohne verfassungsrechtliche Bedenken scheinen Sie es aus dem Innenministerium nicht machen zu wollen.

Der dritte Punkt ist: Herr Oetjen, ich verstehe nicht, warum Sie sich sozusagen degradieren und die Macht der Koalitionsfraktionen an die Regierung abgeben. Warum machen Sie das? - Hier in diesem Hause sitzt der Gesetzgeber. Der Landtag ist der Gesetzgeber. Dieses Recht haben Sie sogar qua Verfassung. Sie aber sagen: Ich will dieses Recht gar nicht haben. Ich will lieber Staatsverträge, die nur noch unterschrieben werden müssen. - Das ist schlicht und ergreifend Denkfaulheit, was Sie da an den Tag legen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für weitere anderthalb Minuten hat jetzt Herr Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, ich kann es ganz kurz machen.

Ich habe nur eine kurze Frage; die haben Sie ja vorhin nicht zugelassen. Wenn Sie der Meinung sind, dass in der Sache ein verfassungsrechtliches Risiko besteht - Sie sagen ja, dass es umstritten sei, ob diese Regelung zu den Gebietsänderungen bei Samtgemeinden unter Artikel 59 fällt oder nicht -, dann frage ich Sie: Warum gehen Sie denn dieses Risiko ein? Gebietet es nicht die Achtung vor der Verfassung, dass man solche Risiken gar nicht erst eingeht?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Unterschied zwischen einer Verordnung, der der Landtag zugestimmt hat, und einem Gesetz, das der Landtag beschlossen hat, ist schließlich nicht allzu groß. Da hätten Sie doch auch lieber den sicheren Weg, nämlich den Weg der Verfassung, gehen und die Regelung per Gesetz beschließen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Oetjen möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten Zeit. Bitte schön!