Wie sieht denn die Schuldenlandschaft gegenwärtig aus? - Sicherlich ist der Bund im Moment der Hauptakteur. Herr Steinbrück sagte vor gar nicht allzu langer Zeit, er wolle 2011 ohne Schulden auskommen. Inzwischen muss er in seinen Nachtragshaushalt eine Neuverschuldung von fast 37 Milliarden Euro hineinschreiben, das Doppelte dessen, was ursprünglich vorgesehen war. Jeder weiß: Wenn man die Sondervermögen und diverse Finanzierungslücken hinzurechnet, müssten dort ehrlicherweise sogar über 70 Milliarden Euro stehen.
Aber auch die immer wieder versprochene große Schuldenwende im Land können wir längst vergessen. Sie hat ohnehin nie eine realistische Perspektive gehabt. Die wenigen Überschüsse, die aus dem noch guten Einnahmejahr 2008 stammen, werden jetzt schlicht und einfach in einem Wahlkampfverfügungsfonds der Landesregierung verfrühstückt.
Währenddessen, Herr Kollege McAllister, steigt der Handlungsbedarf für 2010, der bisher bei einer knappen Milliarde lag, kontinuierlich weiter an und wird sich in kürzester Zeit verdoppelt haben. Aber auch die Kommunen werden ihre Eigenanteile am Konjunkturpaket, von der Aufsichtsbehörde entsprechend beflügelt und ermuntert, mittels zusätzlicher Schulden aufbringen. Das ist keine Schuldenbremse, das ist ein Schuldenturbo.
Von 1,5 Billionen Euro Gesamtschulden am Anfang dieses Jahres werden sie am Ende des Jahres bei 1,7 Billionen Euro Gesamtschulden landen. Vor diesem Hintergrund ist das Ganze eine reine Symbolpolitik, eine Beruhigungspille, wobei man darüber streiten kann, ob sie bei den Bürgern oder bei den handelnden Politikern zu mehr Beruhigung führt.
Im Übrigen gilt auch hier: Nach der Einigung ist vor dem Streit. Es ist doch überhaupt nichts klar. Nicht nur, dass wir die Lösung der nächsten Generation zuschieben - die 0,35 %, die der Bund zusätzlich noch aufnehmen darf, werden doch im Zweifel keine Schuldenbremse, sondern eine Schuldenermächtigung sein, solange diese Kreditermächtigung nicht an entsprechende Nettoinvestitionen gebunden ist. Außerdem gibt es problematische Ausnahmeregelungen, eine nicht funktionierende Altschuldenregelung - jeder kann Ihnen garantieren, dass die dafür zur Verfügung stehenden Mittel
objektiv nicht reichen werden -, und das Ganze wurde, wie Sie selbst gesagt haben, auf verfassungsrechtlich recht wacklige Füße gestellt. Die ersten Klagen sind doch schon angedroht.
Für mich gibt es da nur ein Fazit: Das beweist, dass die Großen Koalitionen nicht in der Lage sind, ihre großen Mehrheiten in Reformen umzusetzen; denn die Lösungen bestehen nicht aus den besten Ideen von beiden großen Parteien, sondern der Murks bildet die Kompromissmasse, die letzen Endes die Lösung bestimmt. Daraus sollten wir langsam lernen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke teilt ausdrücklich die Sorge der Föderalismuskommission um die Verschuldung der öffentlichen Hand. Es ist keine Frage: Damit Politik handlungsfähig ist, muss es stabile Haushalte geben. Aber egal, welches Extrem man einschlägt - entweder maßlose Neuverschuldung auf der einen Seite oder ein plattes Verschuldungsverbot auf der anderen Seite -: Das macht Politik handlungsunfähig. In unserer Politik berücksichtigen wir das.
„Keine Schulden in den Ländern“ - das hört sich erst einmal gut an. Aber klar ist auch, wer die Handlungsunfähigkeit, die sich daraus ergibt, nachher zu bezahlen hat: die kleinen Leute, die Arbeitnehmer, die Arbeitslosen, die Kinder in unserem Land, also die Schwächsten, weil Sie sich nicht trauen, den Leuten in die Tasche zu greifen, in deren Taschen das meiste Geld ist.
In der Tat, Herr Althusmann, da gibt es Unterschiede zwischen der rechten und der linken Seite in diesem Haus. Ihnen ist es zu unbequem, in diese Taschen zu greifen. Sie wollen sich mit den Reichen nicht anlegen. Wir sind dazu sehr wohl bereit.
Diese Schuldenbremse ist übrigens umso unverständlicher, als es gar nicht erst so weit hätte kommen müssen, dass man so etwas überhaupt in Erwägung zieht. Herr Althusmann, der Weg in die Schuldenfalle, den Sie gerade wieder einmal bemüht haben, ist doch selbst gegraben. Dieses Thema ist doch nicht vom Himmel gefallen!
Dieser Staat hat sich über Jahre und Regierungen hinweg durch immer neue Steuergeschenke, durch immer neue Steuerentlastungen an der falschen Stelle selbst handlungsunfähig gemacht - und Sie versprechen immer noch mehr davon, anstatt endlich damit aufzuhören.
Jetzt den Ländern platt zu verbieten, neue Schulden zu machen, ist der falsche Weg. Diese Finanz- und Wirtschaftskrise hat gerade erst angefangen. Niemand kann sagen, was das im Jahr 2020 für die öffentlichen Haushalte bedeutet. Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden in der Öffentlichkeit schon diskutiert. Wir Linken kennen uns mit dem Grundgesetz aus. Ich informiere Sie hier gerne noch einmal ausdrücklich darüber, dass in Artikel 109 Abs. 1 unseres Grundgesetzes klargestellt wird, dass Bund und Länder voneinander unabhängige und selbstständige Haushaltshoheit haben.
Als Linke verteidigen wir diese Budgethoheit der Länder im Bundestag und auch in den Landtagen. Für die Zeit, die jetzt vor uns liegt, sind die bestehenden Regelungen - die verfassungsrechtliche Obergrenze in Höhe der Investitionssumme und die Ausnahmeregelung im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz - ein ausreichender Rahmen. Da braucht es keine weiteren Einschränkungen.
Diese Schuldenbremse ist weder ein Erfolg für unser Land, Herr Althusmann, wie Sie gerade gesagt haben, sie ist auch keine historische Entscheidung, wie es Herr Steinbrück gesagt hat, sondern sie ist ein historischer Fehler, und zwar ein großer.
Ich fordere die in der Bundesregierung vertretenen Parteien auf: Hören Sie mit dieser Politik für Klientele und Reiche auf! Sorgen Sie für politische Handlungsfähigkeit von Bund und Ländern! Sorgen Sie für eine reformierte Vermögensteuer, wie die Linke sie schon lange fordert! Sorgen Sie für ein gerechtes Einkommensteuersystem mit einem deutlich höheren Spitzensteuersatz! Wir haben Ihnen weitere Vorschläge gemacht. Sie haben es in der Hand, die nachhaltige Handlungsfähigkeit der Politik in Bund und Ländern wiederherzustellen. Tun Sie es endlich! Dann brauchen Sie auch keine Schuldenbremse auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine übermäßige Staatsverschuldung ist eine ernste Bedrohung für die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit des Staates.
Bei einer ungebremsten Verschuldung der öffentlichen Hände kommen Demokratie, Rechts- und Sozialstaat langfristig unter die Räder. Darauf hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes heute zu Recht hingewiesen.
Die Staatsverschuldung ist in den letzten drei Jahrzehnten nahezu unaufhörlich gestiegen und hat damit die Handlungsspielräume für staatliche Aufgaben erheblich eingeschränkt. Die Einigung auf eine Schuldenbremse ist daher ein wichtiges Ergebnis der Föderalismuskommission II. Wir hätten uns natürlich auch gewünscht, dass die darüber hinausgehenden Ziele, z. B. beim Thema mehr Steuereinheitlichkeit und Steuergerechtigkeit im Steuervollzug, auch erfüllt worden wären.
Mit dem Instrumentarium der Schuldenbremse soll wirkungsvoller als bisher erreicht werden, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen sind. Es ist allerdings ein Irrweg zu glauben, die Verfassungsänderung allein sei schon der Ausweg aus der Schuldenfalle. Eine Lösung der Verschuldungsfrage ist nur erreichbar, wenn die staatlichen Einnahmen dauerhaft so stabil sind, dass sie für jede Staatsebene eine aufgabenangemessene Finanzausstattung sicherstellen.
Wie gering die Gestaltungsspielräume sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben auf Länderebene sind, zeigt sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass es der Landesregierung bis heute noch nicht gelungen ist, im Haushalt 2009 die Steuerausfälle darzustellen, die sich aus den Konjunkturpaketen I und II und aus der Rechtsprechung zur Entfernungspauschale ergeben.
Eine Schuldenbremse, die nur dadurch eingehalten werden kann, dass Aufgaben und Verantwortlichkeiten einfach auf eine andere staatliche Ebene verschoben werden oder Transferleistungen, wie z. B. der kommunale Finanzausgleich, gekürzt werden, wird ihre Wirkung verfehlen. Insofern hoffe ich sehr stark, dass es nur ein Zufall war, dass in der Rede von Herrn Dr. Althusmann von den Kommunen sehr wenig die Rede war.
Eine Schuldenbremse wird auch dann ihre Wirkung verfehlen, wenn unwirtschaftliche Transaktionen oder Verlagerungen in Schatten- oder Nebenhaushalte stattfinden, nur um formal die Kriterien des Verschuldungsverbotes einzuhalten. In diese Richtung gingen ja die Überlegungen in den Regierungsfraktionen im vergangenen Jahr, landeseigene Gebäude im Sale-and-lease-back-Verfahren zu veräußern und hinterher zurückzumieten.
In diesen Wochen und Monaten zeigt sich auch sehr deutlich, dass viele Einflüsse, die sich der Kontrolle des Staates weitestgehend entziehen, auf die staatlichen Haushalte einwirken. Es bleibt also die Herausforderung, die Regelungen zur Schuldenbremse so auszugestalten, dass Staat und Politik auch in Sondersituationen - dazu zählen eben nicht nur Naturkatastrophen - handlungsfähig bleiben. Es ist daher unseriös, wie es CDU
und FDP immer wieder tun, einerseits immer weitergehende Steuersenkungen anzumahnen und andererseits eine möglichst noch weitergehende Schuldenbremse zu fordern, ohne gleichzeitig deutlich zu machen, welche Leistungseinschränkungen des Staates dies zur Folge hätte.
Die Einigung auf die Schuldenbremse ist also ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg, die Neuverschuldung aller staatlichen Ebenen dauerhaft zurückzuführen. Es bleibt aber die größere Herausforderung, die Regelungen so auszugestalten, dass sie die dauerhafte Handlungsfähigkeit des Staates sicherstellen.