Protocol of the Session on April 9, 2008

Der Erfolg in Gesprächen und Kontakten lässt sich nicht am anschließenden Medienwiderhall messen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wür- den Sie Herrn Schröder eher als schüchtern bezeichnen?)

Ich sage Ihnen auch: Wir lassen uns von Ihnen in gar keiner Weise belehren, wie man das macht. Angesichts unserer erfolgreichen Entspannungspolitik unter Willy Brandt und Egon Bahr, die zum Zusammenbruch des Ostblocks geführt hat, lassen wir uns von Ihnen überhaupt nicht belehren, wie wir damit umzugehen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf Ihnen abschließend sagen, dass sich die SPD-Fraktion mit den Grünen insoweit einig ist, dass Menschenrechte universell überall eingehalten werden müssen und dass wir dazu auch alle Kontakte, die Niedersachsen hat, nutzen müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile noch einmal Frau Helmhold für die Restredezeit der Grünen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Man erfährt ja immer noch etwas Neues. Dass Bundeskanzler Schröder zu den Schüchternen gehört haben soll, ist mir heute das erste Mal untergekommen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber Spaß beiseite, meine Damen und Herren. Ich freue mich darüber, dass wir in weiten Teilen Einigkeit in Bezug auf die Menschenrechtssituation in China erzielt haben. Ich bin allerdings etwas irritiert über Ihre Einlassung, Herr Sohn. Wollten Sie uns damit sagen, dass die Mönche an allem schuld sind, an ihrer Unterdrückung, an ihrer Einsperrung?

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Verdre- hen Sie ihm doch nicht das Wort im Mund!)

Ich frage mich wirklich, was Sie uns sagen wollten. Denn bei Straftaten, so es denn richtig geschildert ist, gäbe es in einem Rechtsstaat doch vernünftige Verfahren mit Anwälten und wäre es nicht möglich, dass die Polizei Menschen jahrelang in Umerziehungslager schicken kann. Genau dafür stehe und kämpfe ich doch heute hier. Ich wünsche mir rechtsstaatliche Prinzipien in diesem Land. Vielleicht werden wir uns ja am Ende sogar wieder einig. Ich weiß es aber nicht. Ich würde gerne mit Ihnen darüber noch einmal sprechen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das kön- nen wir machen!)

Meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen begrüßt natürlich ausdrücklich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai Lama empfangen

hat. Sie haben Claudia Roth an dieser Stelle schon erwähnt.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Un- gern, aber ich habe es getan!)

- Das ist an dieser Stelle auch wirklich ganz wichtig. - Aber was ist denn eigentlich jetzt? Was wird im Mai sein, wenn der Dalai Lama wieder kommt? Ich bin sehr gespannt, ob sie ihn dann auch empfängt. Jetzt fände ich es tatsächlich sehr nötig.

Ich habe auch eine Einlassung zu der Frage vermisst, - - -

Frau Helmhold, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss kommen!

- - - was der MP und der Wirtschaftsminister in Zukunft vorhaben.

Meine Damen und Herren, wir werden morgen die beiden Anträge beraten. Ich würde mich freuen, wenn wir zu einer Einigung kommen könnten. Im Kern sind wir da ja beieinander.

In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Ministerpräsident Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe für die nächsten Stunden die Hoffnung, dass es zu einer gemeinsamen Entschließung kommen möge. Wenn ich es hier richtig verstanden habe, wird das zwischen SPD, Grünen, FDP und CDU möglich sein. Als erste Bewährungsprobe der Demokraten hier im Haus wird es die Frage sein, ob dies mit oder ohne Zustimmung der Linken sein wird.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das kommt auf die Formulierung an!)

Herr Sohn, Ihr Beitrag hier hat mich zutiefst erschüttert. Er wird heute in der Zeitung zitiert, dass die Presse „eine Bande“ sei, bei der es ab und zu heißen müsse: „Tür zu, draußen bleiben, jetzt nicht.“ Das erinnert sehr an den Umgang der chinesischen Parteiführung mit den Journalisten in Tibet in den vergangenen Tagen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie nach der Entgleisung Ihrer Parteifreunde der Linkspartei in Hamburg, die den Dalai Lama mit Khomeini verglichen haben, hier nichts Besseres zustande bringen als eine Schilderung der Vorfälle, von außen betrachtet, ohne Bewertung dessen, was dadurch und anschließend auch gegenüber den Ausländern in Tibet, der Presse in Tibet und der Berichterstattung über Tibet passiert ist, dann ist das für dieses niedersächsische Parlament einfach empörend. Ich sage das ausdrücklich für die Landesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung bei der SPD)

Wir haben uns in der Kabinettssitzung am 1. April ausführlich mit der Menschenrechtsfrage in der Volksrepublik China und mit der Situation in Tibet befasst. Es hätte weiß Gott nicht des Hinweises der Grünen vom Wochenende bedurft, Frau Helmhold. Sie hatten es bis zum Wochenende nicht einmal geschafft, regulär einen Antrag oder eine Entschließung einzureichen oder einen Punkt anzumelden, und werfen uns vor, nicht genügend für die Menschenrechte in Tibet zu tun. Wissen Sie, wir sind im Moment vollauf damit beschäftigt, die sieben Jahre Ihrer rot-grünen Außenpolitik aufzuarbeiten: die Frage der Ausbildung in Libyen bei Gaddafi, die Frage der deutschen Gefangenen in US-Gefängnissen, die Frage der Bezeichnung von Putin als lupenreinem Demokraten und auch der Bemerkungen zu China. Als ich 2005 dort Gespräche geführt habe, hat man mir an jedem Ort vorgehalten, dass Rot-Grün mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Fischer die Beendigung des Waffenembargos für China wollte, und gefragt, warum wir das Waffenembargo nicht aufheben wollten. Da musste ich mich dort in China ständig auf dünnem Eis bewegen; denn die Länder dürfen ja keine Außenpolitik betreiben. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich habe jedem meiner Gesprächspartner gesagt: Solange immer noch Studenten von 1988 vom Platz des Himmlischen Friedens in Haft sind, verschwunden sind - ohne rechtsstaatliches Verfahren -, kann es keine Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China geben.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen, Herr Kollege Tanke, ganz ausdrücklich: Mit wem und an welchem Ort sich demokratisch gewählte, in einer freiheitlichen Demo

kratie befindliche Politiker treffen, dürfen sie sich von niemandem vorschreiben lassen, sondern Frau Merkel entscheidet, mit wem sie sich wo trifft. Da lassen wir nicht durch Liebesentzug Druck auf uns ausüben. Dass Sie dann die Scherben, die dabei entstanden seien, von Herrn Steinmeier reparieren lassen müssten - - - Nein, Länder, die die Gespräche abbrechen, die Einladungen zurückziehen, müssen lernen, dass sich freiheitlichdemokratisch gewählte Politiker in freiheitlichen Ländern nicht durch solche Verhaltensweisen vorschreiben lassen, mit wem sie wo reden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung bei der SPD)

Wir missbilligen Menschenrechtsverletzungen an jedem Ort, zu jeder Zeit. Wir bemängeln bestehende Demokratiedefizite, Zensur der Medien, Inhaftierung von Regimekritikern, Inhaftierung von Menschen ohne richterliche Entscheidung oder Unterbringung in Umerziehungslagern oder exzessive Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe - das ist gar keine Frage - in allen Gesprächen, allen gegenüber.

(Heinrich Aller [SPD]: Überall?)

Da werden Sie keinen anderen Fall finden. Das gilt für die ganze Welt: gegen rechts und links, gegen faschistische und kommunistische Systeme.

Da ist klar, dass die Volksrepublik China nach unseren Vorstellungen heute noch überhaupt nicht in die Nähe eines Rechtsstaates kommt. Dennoch hat sie sich dem Rechtsstaatsdialog geöffnet. Und dennoch werden Schritte durch die Bundesregierung - durch die alte wie die jetzige - vollzogen, hier miteinander über diese Fragen zu reden, über chinesische Vorstellungen von Harmonie in der gesellschaftlichen Entwicklung, bis zum 100. Jahrestag der Volksrepublik China einen Zustand von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erreicht zu haben. Das wäre allerdings erst im Jahre 2049. Dieser Prozess muss dringend nachhaltig beschleunigt werden.

Ich habe 2005, 2007 und auch in diesem Jahr immer die Kontakte genutzt, weil ich davon überzeugt bin, dass wir hier entscheidend vorankommen müssen. Das sind wir den Menschen dort schuldig. Ich habe zweimal mit dem dortigen Bildungsminister gesprochen. Der dortige Forschungsminister, Professor Wan Gang, ist ein Freund Niedersachsens. Er hat in Clausthal studiert, er hat für Volkswagen gearbeitet. Er ist jetzt

einer der wichtigsten Männer in der Volksrepublik China.

Er ist einer der wenigen, die nicht Mitglied der KP Chinas sind. Wir haben mit anderen wichtigen Vertretern gesprochen, auch mit dem neuen Außenminister habe ich in Peking gesprochen. Wir nutzen diese Kontakte. Im Moment ist der Chef der Staatskanzlei dort. Walter Hirche war dort. Ich werde nach jetziger Planung je nachdem, wie konsequent und hartnäckig wir sind, in diesem Jahr den Tag der Deutschen Einheit mit dem Land Niedersachsen in Peking mit rund 1 000 Gästen aus China und aus Deutschland, die an den deutschchinesischen Kontakten Interesse haben, ausrichten. Das ist ein wichtiges Unterfangen, weil es dort für beide Seiten Chancen gibt. Wir haben mit Volkswagen, TUI und anderen wirtschaftliche Interessen. Wir sind dort auf dem Markt Marktführer. Wir haben aber auch ökologische Interessen. Die meisten unserer gemeinsamen Projekte finden auf dem ökologischen Gebiet statt: Wasseraufbereitung, Bekämpfung der Eutrophierung in den dortigen Seen, Luftreinhaltung. Das Thema meiner Vorlesung an der Tongji-Universität in Schanghai waren der Klimawandel, der Klimaschutz, die Frage der Auswirkungen für Indien und China, wenn die Gletscher im Himalaya und andernorts durch die übertriebene Inanspruchnahme von Rohstoffen und der Umwelt abschmelzen. Das ist ein gemeinsames, ein globales Anliegen dieser Welt. Da gibt es keine einfachen Antworten.

Wir werden über das Thema morgen weiterdiskutieren. Ich wünsche mir, dass es hier zu einem gemeinsam getragenen Entschließungsantrag kommt.

Selbstverständlich wird auch der Aufsichtsrat von Volkswagen über die Frage „Volkswagen in China“ im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen reden müssen und reden. Das ist von uns selbstverständlich bereits auf den Weg gebracht worden, weil die Themen der Völkerverständigung, der friedlichen Spiele und des sportlichen Wettbewerbs ganz zentrale Anliegen sein müssen. Das muss im Mittelpunkt stehen. Hier wünschte ich mir Einigkeit. Diejenigen, die sich hier nicht zu bestimmten Selbstverständlichkeiten durchringen können, müssen dann außen vor bleiben. Dann wäre es mir aber wichtig, dass die anderen vier Fraktionen gemeinsam entscheiden.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu Punkt 1 e) liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Stunde für heute beendet.

Ich möchte einen Hinweis geben: Ich rate den Parlamentarischen Geschäftsführern, einmal zu besprechen, ob die jetzige Gesamtredezeit je Fraktion von 20 Minuten bei fünf Fraktionen ausreichend bemessen ist. Eventuell müssen wir die Regelungen zum Klingeln umstellen. Vielleicht können Sie darüber einmal nachdenken.

Meine Damen und Herren, ich halte das Haus für damit einverstanden, dass wir die Tagesordnungspunkte 2 und 3 noch vor der Mittagspause abhandeln, obwohl wir den ursprünglich vorgesehenen Zeitkorridor schon verlassen haben.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf: