Herr Briese, das Recht, das am weitesten in die Privatsphäre der Bürger eingreift, ist das, was am meisten angewandt wird. Der Lauschangriff ist ja fast nie - Sie haben das ausgeführt - angewandt worden. Aber täglich werden aufgrund Ihrer Gesetzesinitiative auf Bundesebene Tausende Konten von Bürgern abgefragt.
Eingeführt haben Sie das zur Terrorismusabwehr, und genutzt wurde es - genauso wie es die FDP vorausgesehen hat - von den Finanzbehörden. Mir ist nicht bekannt, dass das tatsächlich Terrorismusbekämpfung bei den Finanzämtern ist.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung an Ihre Adresse, Herr Biallas: Sie haben vorhin davon gesprochen, dass die SPD aus „staatspolitischer Verantwortung“ diesem Gesetz zustimmen sollte. Etwas Ähnliches habe ich heute Vormittag auch schon von Herrn McAllister gehört. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Es gehört auch zur staatspolitischen Verantwortung, Opposition zu spielen und
einem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Auch das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Tun Sie nicht immer so, als sei man nur staatspolitisch verantwortlich, wenn man - - -
(Beifall bei der LINKEN - Heiner Bart- ling [SPD]: Spielen tun wir nicht! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja un- glaublich! Der spielt hier! - Zuruf von der CDU: Wir haben nichts anderes erwartet!)
Ich werde Ihnen auch sagen, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen werden, nämlich nicht aus den Gründen, die Sie meinen. In Artikel 13 des Grundgesetzes - das müssten Sie, Herr Biallas, jetzt einmal aufschlagen, um nachzuvollziehen, was ich Ihnen jetzt sagen werde - steht abgestuft in den verschiedenen Absätzen, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung zulässig sind. In Absatz 3 steht, was zulässig ist, wenn eine Straftat begangen worden ist. In Absatz 4 steht, was zulässig ist, wenn die dringende Gefahr besteht, dass eine schwere Straftat begangen wird. In Absatz 4 steht auch, dass bestimmte Maßnahmen nur bei einer „dringenden“ Gefahr zulässig sind. In Ihrem Gesetzentwurf steht aber in § 6 a, dass der Einsatz von technischen Mitteln zur Abwehr der Gefahr, dass jemand eine besonders schwerwiegende Straftat begehen wird, zulässig ist - also zur Vermeidung zukünftiger Straftaten, von denen befürchtet wird, dass sie begangen werden, für die man konkrete Anhaltspunkte hat. An der Stelle, an der eine Prognose erstellt werden muss, sehen Sie schon die Gefahr als ausreichend an, um Maßnahmen einzuleiten, obwohl im Grundgesetz steht, dass eine dringende Gefahr vorliegen muss. Deshalb ist Ihr Gesetzentwurf - das sage ich Ihnen klipp und klar - verfassungswidrig.
Lesen Sie bitte Artikel 13 Abs. 4 des Grundgesetzes! Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat dazu immer sehr vorsichtig und höflich Stellung genommen - aber nicht - wie Sie es gesagt haben, Herr Biallas -, um sich zu schützen, sondern um Sie davor zu warnen, erneut ein verfassungswidriges Gesetz zu verabschieden. Das ist doch seine Aufgabe, aber nicht, sich zu schützen.
Sie sind also gewarnt. Wenn Sie jetzt gleich die Finger heben wollen, überlegen Sie sich bitte dreimal, ob Sie es wirklich tun. Anschließend wird das Verfassungsgericht darüber entscheiden.
Danke, Herr Adler. - Als nächste Rednerin hat sich Frau Wegner zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort für zwei Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Zeit brauche ich nicht. - Im angeblich freiesten Land der Welt, den USA, gibt es noch viel weitergehende Gesetze. Da sperrt man Menschen ohne Verhandlung und Urteil jahrelang unter den allerschlimmsten Bedingungen ein, die nicht vorstellbar sind.
In Zukunft verbitte ich mir von Ihnen oder von irgendjemand anders eine Empfehlung zu meinem Abstimmungsverhalten!
Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Schünemann zu den beiden Tagesordnungspunkten gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute das modernste Verfassungsschutzgesetz bundesweit.
Es ermöglicht eine maximale Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf die Bedrohungslage. Es schützt aber auch wie kein anderes Verfassungsschutzgesetz die Rechte der Betroffenen durch verfahrenssichernde Maßnahmen.
kompliziert und aufwendig. Da gebe ich Ihnen sogar recht. Sie fordern, dass die Bürgerrechte berücksichtigt werden müssen. Das bedeutet, dass wir komplizierte Verfahren einführen müssen, damit diese gewahrt werden. Tun wir dies, wird das kritisiert. Wenn es nur um Sicherheitsbelange ginge, könnten wir es sehr viel schlanker machen. Aber da die Bürgerrechte gerade in diesem Bereich besonders geschützt werden müssen, brauchen wir diese komplizierten Verfahren. Da müssen Sie sich schon entscheiden, ob Sie ein ganz schlankes Gesetz haben wollen oder ob wir die Bürgerrechte tatsächlich auch in diesem Gesetz gewahrt sehen wollen. Wir haben dies getan. Dann dürfen Sie es aber auf gar keinen Fall kritisieren.
Dann haben Sie dargestellt, dass wir immer über Bürokratieabbau sprechen und hier gerade die Wirtschaft und den Mittelstand belasten, Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Sie sollten sich das Gesetz genauer anschauen. Mit diesem Gesetz wird mitnichten eine Vorratsdatenspeicherung in irgendeiner Weise festgelegt. Das hat mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun. Das sollten Sie sich noch einmal genauer anschauen.
Meine Damen und Herren, es wurde schon darauf hingewiesen, dass hier eine breite Zustimmung gegeben ist. Das hat auch die Debatte gezeigt. Nicht nur die Regierungsfraktionen werden diesem Gesetzentwurf zustimmen, sondern auch die SPDFraktion. Dafür bin ich sehr dankbar. Das zeigt, dass wir angesichts der Bedrohungslage einen breiten Konsens hier im Parlament haben. Das ist wichtig, auch für die Sicherheitsbereiche insgesamt.
Es wurde auch bereits dargestellt, dass wir überhaupt keine neuen Befugnisse einführen, sondern dass jetzt hier nachvollzogen wird, was im Jahr 2001 unter Otto Schily mit rot-grüner Mehrheit vorgesehen worden ist. Wir haben 2004 unser Gesetz mit Befristung eingebracht. Das war richtig. Wir haben dies dann analysiert und evaluiert und festgestellt, dass auf der einen Seite die Befugnisse notwendig sind und auf der andere Seite auch der Verfassungsschutz und die Behörden sehr sorgsam mit diesen Mitteln umgehen und nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist, von diesen Befugnissen Gebrauch machen.
Vor diesem Hintergrund sind die Schlagzeilen überhaupt nicht zu verstehen, dass mit diesem Verfassungsschutzgesetz der Überwachungsstaat eingeführt werde. Angesichts dessen, was der Bericht vorgelegt hat, ist das absurd, und ich muss das entschieden zurückweisen.
Herr Minister Schünemann, ich würde Ihren Ausführungen gerne folgen, aber kann das nicht, weil der Geräuschpegel zu hoch ist. - Eine Sitzungsunterbrechung brauche ich nicht anzukündigen, weil jetzt alle wieder sehr still sind. Herzlichen Dank. - Herr Schünemann, Sie haben das Wort.
Es ist ganz interessant, dass im Verlaufe der Debatte hier dargestellt wurde, dass aus verschiedenen Richtungen Formulierungsvorschläge gemacht worden sind - vom GBD, zum Teil von Experten in der Anhörung -, die dazu geführt haben, dass wir hier das modernste Gesetz haben. Unter dem Strich ist es tatsächlich das modernste Gesetz. Ich kann nur hinzufügen: Es ist auch das aktuellste Gesetz; denn wir bzw. Sie haben in den Beratungen die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit aufgenommen. In der Regel ist es so, dass das Bundesverfassungsschutzgesetz Vorreiter ist und die Länder sich daran anpassen. Jetzt können wir sagen: Mit den Regelungen, die Sie bzw. wir heute mit breiter Mehrheit beschließen, haben wir eine Vorreiterrolle auch für den Bund und das Bundesverfassungsschutzgesetz. Ich denke, das ist auch richtig so.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass auch das nachrichtendienstliche Mittel der Wohnraumüberwachung für den Verfassungsschutz unverzichtbar ist. Natürlich gehen wir mit diesem Instrument sehr sensibel um. Angesichts der Intensität des Grundrechtseingriffs und der hohen verfassungsrechtlich vorgegebenen Schwelle wird es sicherlich nur auf wenige extreme Fälle beschränkt bleiben. Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Verfassungsschutz in der Lage sein muss, zur Abwehr einer dringenden Gefahr eine Wohnraumüberwachung durchzuführen.
schussberatungen dargestellt worden. Die durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über den sogenannten Großen Lauschangriff getroffenen Regelungen über den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sind in das Verfassungsschutzgesetz eingeflossen. Insoweit wird das Gesetz jetzt der Rechtsprechung unseres höchsten Gerichts angepasst, und zwar in Anlehnung an die Regelungen des SOG.
Herr Briese, ich finde es schon sehr interessant, dass Sie darstellen, wir sollten diese Regelung ganz herausnehmen, weil sie in Niedersachsen noch nicht angewandt worden ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es nach dem Terrorangriff 2001 war. Ich erinnere an die Rasterfahndung. Da waren Sie, Herr Bartling, bei uns - wir waren noch in der Opposition - und haben gesagt: Wir haben es leider noch nicht drin, wir müssen es aber innerhalb von vier bis sechs Wochen in das Gesetz aufnehmen, weil es auf Bundesebene gefordert ist. Gerade im Bereich der Sicherheit möchte ich eines klarstellen: Wenn es schwerwiegende Angriffe bzw. Terrorangriffe gibt, dann muss dieser Staat in der Lage sein, alle Instrumente zu ergreifen. Das bedeutet hier, dass wir nicht davon ausgehen dürfen, dass wir es nicht brauchen, weil wir es bisher noch nicht anwenden mussten, sondern dass wir auf Eventualitäten, die wir uns nicht erhoffen, vorbereitet sein müssen, anders als früher unter der SPD. Jetzt ist klar, dass wir Sicherheitsgesetze vorlegen, um wirklich gerüstet zu sein. Das ist wichtig.
Dann behaupten Sie, dass es noch überhaupt keine Wohnraumüberwachung gegeben hat. Das ist schlicht falsch. Ein rot-grün regiertes Land hat nämlich eine Wohnraumüberwachung durchgeführt. Die Maßnahme läuft noch. Dass das gerade in einem rot-grünen Land durchgeführt wird, zeigt ja, dass man dort durchaus weiß, was notwendig ist, wenn man in der Regierungsverantwortung ist. Hier spielt man Opposition. Dazu kann ich nur sagen: Wenn es um Sicherheit geht, geht es nicht um Spiel, sondern dann muss man handeln und braucht man auch Verantwortung und Rückendeckung des Parlaments!
Den Grünen müsste bekannt sein, dass das Instrument der Wohnraumüberwachung in Niedersachsen keineswegs im Vorfeldbereich, wie Sie in Ihrer Antragsbegründung schreiben, sondern nach der ausdrücklichen Regelung in § 6 b zur Abwehr
einer dringenden Gefahr eingesetzt werden soll. Herr Adler, Sie haben das ja zitiert. Das ist genau die rechtstechnische Umsetzung, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, und keine Formulierung der Landesregierung, sondern in diesem Punkt des GBD. Suggerieren Sie also nicht, dass wir hier etwas Verfassungswidriges tun. Wir setzen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1 : 1 um. Das hat der GBD auch eindeutig dargelegt. Wenn Sie etwas anderes behaupten, ist das falsch. Das sollten Sie nicht tun!