Protocol of the Session on January 14, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber das ist Ihre Sache. Nicht Ihre private Sache ist jedoch die Frage, ob Sie Ihr Vorruhestandsverhalten hier noch weiter fortführen wollen.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Die Presse schreibt: weniger Leidenschaft, die Kunst des Stillstands, kraftlos. - Damit ist ausnahmsweise nicht die SPD gemeint, wie oft zuvor, sondern Sie persönlich, Herr Wulff.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auffällig ist, dass die Kommentare zur Krisenpolitik der Kanzlerin und Ihrer Großen Koalition nicht wirklich freundlicher ausfallen. Natürlich geht es in dieser Krise nicht darum, ob Politiker mit mehr oder weniger Geschick herangehen, es geht auch nicht um Charakterfragen, sondern es geht um Fragen des Inhalts, um Fragen des politischen Programms und der politischen Überzeugung. Daran mangelt es offenbar. Deshalb fallen die Urteile für Frau Merkel nicht freundlicher aus, und offenbar aus dem gleichen Grunde hat die schwarz-gelbe Koalition hier im Parlament ihre Sprache angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise verloren.

(Widerspruch von David McAllister [CDU])

Das Mantra „Privatisierung“ und das Mantra „Der Markt wird es schon richten“ haben uns vor die Wand gefahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wie es in Niedersachsen weitergehen soll, wissen Sie nicht. Antworten auf die Herausforderungen der Krise haben Sie im Kern auch nicht. Während hier in Niedersachsen das Phlegma regiert, sind andere Teile der Politik, auch und insbesondere Akteure der CDU-Politik, Herr McAllister, ins gegenteilige Extrem verfallen: Schutzschirme, wohin man blickt! Sie gründen einen volkseigenen Be

trieb, den VEB Commerzbank, und Herr Rüttgers möchte am liebsten gleich die ganze Deutschland AG verstaatlichen. Der Ministerpräsident Seehofer ist mit seinen Steuergeschenken für Besserverdienende wohl weniger von der Banken- und Finanzkrise getrieben als vielmehr von dem Zustand seiner arg lädierten Regionalpartei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Über die Ursachen der gegenwärtigen Krise spricht fast niemand mehr. Die überfällige Regulierung der Finanzmärkte ist eigentlich nur noch eine Randnotiz in der Debatte der letzten Wochen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr McAllister hat uns dafür kritisiert, dass wir diesem Schutzschirm nicht zugestimmt haben. Aber wir müssen jetzt lesen, dass die Regierung den Schutzschirm, den sie erst vor wenigen Wochen beschlossen hat, jetzt schon für reparaturbedürftig hält.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Althusmann, auch die Wirkung dieser Schutzschirme, die Wirkung des Konjunkturpakets I und aller Einzelmaßnahmen, wird schon gar nicht mehr diskutiert oder geprüft.

Meine Damen und Herren, ich behaupte, dass das neue Konjunkturpaket in allererster Linie als gigantische Wahlkampfnummer der Großen Koalition geplant und gepackt wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Welche Wirkung die einzelnen Maßnahmen dabei tatsächlich erzielen, schien offenbar in weiten Teilen zweitrangig zu sein. Im Vordergrund stand der Wunsch, möglichst vielen ein Geschenk zu machen, koste es den Staat, was es wolle. Ob dabei die Ursachen der Krise tatsächlich abgestellt werden, ist bereits ganz und gar aus dem Blick geraten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein zweiter Teil des Pakets dient offenbar der Reparatur von Fehlleistungen der Großen Koalition, etwa beim Gesundheitsfonds. Unterlassene Reformen wirken jetzt plötzlich kostentreibend. Das wird jetzt, vor den Wahlen, mit Steuergeld und neuen Schulden kaschiert, damit die Bürgerinnen und Bürger bei den Wahlen vielleicht doch nicht so genau darauf schauen, was die Große Koalition in den letzten Jahren alles nicht gemacht hat.

Höchst bedenklich scheint mir auch die Tatsache, dass die Große Koalition und die Landesregierung die Produktion von Gütern um ihrer selbst willen subventionieren. Die Produktion eines Autos erfolgt für sie nicht mehr, um Mobilität zu ermöglichen, sondern nur noch, um die Produktionsprozesse von Unternehmen am Laufen zu halten,

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Ganz genau!)

die längst als „Too big to fail“ gelten, als so groß, dass jeder fürchtet, vom Strudel des Untergangs mitgerissen zu werden.

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

Das Ergebnis ist aberwitzig, Herr Thiele: Steuerbefreiung für Spritfresser, Abwrackprämien für Autos und Bau neuer Straßen, weil nur dafür Planfeststellungsbeschlüsse in den Schubladen liegen.

(David McAllister [CDU]: Umweltprä- mie!)

Das erfüllt doch schon fast den Straftatbestand der Nötigung zum Autofahren und zur Umweltzerstörung.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Ganz genau!)

Meine Damen und Herren, reden wir über die Ursache der Krise: Die Autokonjunktur brach nicht im Herbst 2008 ein, sondern bereits im Jahre 2007.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Richtig, das wird gern verschwiegen!)

Das war das schwächste Jahr seit der Wiedervereinigung, hieß es damals. Der Automobilverband sprach 2007 von einem Horrorjahr, weil die Nachfrage um 9 % und bei den privaten Haushalten sogar um 25 % einbrach.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann kam das doch nicht so überraschend!)

Wirtschaft und Politik haben die Wirkung der Klimadebatte auf die private Nachfrage unterschätzt. Sie haben insbesondere die Wirkung der steigenden Ölpreise verkannt, die im letzten Sommer doppelt so hoch lagen wie 2007. Jetzt wird auch noch die Wirtschaftskrise gegen die Klimakrise ausgespielt. Statt Ursache und Wirkung wirklich sauber zu trennen und zu erkennen, dass wir endlich die Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren müssen, werden hehre Klimaziele auf Eis gelegt und die alten Dinosaurier mit Steuergeld und neuen Schulden künstlich beatmet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie werden den Wandel nicht aufhalten können. Der Kater nach dem Erwachen wird nur noch größer werden, wenn der Kampf gegen die Abhängigkeit von fossilen Energien noch ein paar Jahre aufgeschoben wird. Mitten im Trubel stapft unverzagt eine Kanzlerin, die, wie eine Zeitung vorgestern schrieb, sich programmatisch von fast allem verabschiedet hat, was sie einst wählbar gemacht hat. - Herr McAllister, es ging um Ihre Kanzlerin, falls Sie gerade nicht zugehört haben. Mitten im Trubel räsoniert ein Ministerpräsident Wulff, der mangels eigener Ideen nur hin und wieder dazwischenruft, und bittet, dass man die Stimmung doch nicht kaputt reden möge.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sollten sehr ernsthaft darüber streiten, welche Maßnahmen das Land in der aktuellen Lage ergreifen muss. Viel zu viel Steuergeld wird in Norddeutschland für unsinnige Projekte verbrannt: eine Elbvertiefung, die die Deichsicherheit gefährdet und die Investitionen in Wilhelmshaven konterkariert, neue Autobahnen, die für die Hinterlandverbindungen der Häfen nichts bringen und noch unberührte Landschaft zerschneiden. 4 Milliarden Euro sollen hier versanden. Beim Umbau und Neubau öffentlicher Gebäude kommt die Energieeffizienz zu kurz. Wir könnten längst Null-Energie-Häuser bauen. Wir könnten hier wirklich innovative Sachen machen. Meine Damen und Herren, wir brauchen in Niedersachsen endlich Leuchtturmprojekte, die dem Klimaschutz einen kräftigen Impuls versetzen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die Energiekosten einsparen, Exportchancen nutzen und Arbeitsplätze sichern und hier auch neu schaffen. Wir brauchen Projekte, die Mut machen, als Zeichen einer neuen Zeit, als Zeichen für einen Aufbruch. Wir brauchen Projekte, die das schon heute vorwegnehmen und die zeigen, was Menschen möglich machen können. Die ganze Welt braucht in den nächsten Jahren und Jahrzehnten energieeffiziente Techniken für Stromproduktion, für Mobilität, für Immobilien, für Produktion und Gewerbe.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ein- verstanden! Und wie finanzieren wir das alles?)

Der Ölboom ist vorbei. Gas ist endlich. Uran ist endlich und gefährlich. Kohle ist dreckig. Wir alle kennen heute die Grenzen des Wachstums. Was

könnten wir mit den von Ihnen vergeudeten 4 Milliarden Euro heute alles machen, Herr McAllister, wenn wir gezielt in innovative Projekte investieren würden!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Land der blauen Dächer, ein Land mit Blockheizkraftstrom und Biogasnetz, ein Land mit einer Verdoppelung des Windstroms - onshore; offshore kommt noch hinzu. Niedersachsen könnte zum Mekka einer neuen Zeit werden. Unser grünes kommunales Programm für Energieeffizienz und Gebäudesanierung würde 3 Milliarden Euro allein nach Niedersachsen bringen; dreimal so viel Geld wir Ihr Programm, Herr Althusmann, aber mit einer deutlich geringeren Verschuldung, weil wir hier nur zinslose Darlehen vergeben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Irgendwo muss es ja herkommen!)

- Die Abzahlung könnten wir aus den eingesparten Energiekosten organisieren. Keine Kommune würde sich hier verweigern, mitzumachen, meine Damen und Herren.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie haben sie erst hochgetrieben, und jetzt treiben Sie sie wieder runter!)

- Herr Althusmann, wir gucken uns das im Ausschuss noch einmal genauer an.

Wir könnten den Soli in einen Bildungssoli umwandeln und die Lasten in der Bildungsfinanzierung deutlich verschieben, zugunsten unserer Kinder, zugunsten einer Bildungsoffensive, die die Kreativität unserer Kinder in all ihren Facetten fördert. Hier liegt die zweite zentrale Herausforderung unseres Landes. Das verlangt von unseren Schulen viel. Das verlangt auch von unseren Lehrerinnen und Lehrern sehr viel. Aber ich bin sicher: Sie würden am Ende mitmachen. Kreativität und Fantasie sind die wichtigste Ressource unserer Kinder. Das ist der Stoff, aus dem die Träume und die Visionen sind. Das ist der Stoff, den wir brauchen, um Grenzen zu überwinden.