Ich war überrascht und entzückt und dachte, wir von der Linksfraktion sind eigentlich ziemlich bescheiden, weil wir nur eine Dreiviertelmilliarde zusätzlich fordern. Ich wollte meine Rede umschrei
ben und einige lobende Worte für Herrn Stratmann finden, aber dann schrillte der Wecker. Ich wachte auf und musste nach meinem Morgenkaffee feststellen, dass Sie diese 3,5 Milliarden Euro den Banken und nicht dem Bereich Bildung und Wissenschaft versprochen haben.
(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Meine Güte! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Auf welche Uhr- zeit war denn der Wecker gestellt, 10 oder 12 Uhr?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Landesregierung will „Vorfahrt für Bildung und Wissenschaft“. Sie hat jedoch den Rückwärtsgang eingelegt. Der Anteil des Einzelplans am Gesamtetat sinkt von 10,2 % im Wahljahr auf 10 % im kommenden Jahr. Im Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur gibt es schon lange wenig Licht und viel Schatten, weil Finanzminister Möllring vor der Lampe steht und sie weiter herunterdimmt.
Auch die mittelfristige Finanzplanung macht keine Hoffnung auf bessere Zeiten. Vielmehr verschärft sie die Unterfinanzierung von Lehre und Forschung sowie den Verfall der Hochschulgebäude. Das MWK kann dem nichts entgegensetzen. Dies sagt schon eine ganze Menge, Herr Minister Stratmann, über Ihre Stellung im Kabinett aus.
Auch eine zweite Relation macht Sorgen: Niedersachsen wendet pro Jahr ca. 1,1 % des Bruttoinlandsprodukts für den Tertiärbereich, also die Hochschulen, auf. Im OECD-Durchschnitt sind es 1,3 %. Es fehlen uns allein zur Erreichung des Durchschnitts 400 Millionen Euro; wollte man überdurchschnittlich sein, müsste man noch mehr Geld in die Hand nehmen. Wir, die Linke, machen das!
(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: DDR-Mark? - David McAllister [CDU]: Kuba-Dollar?)
Heben wir den Kopf einmal von den Zahlenkolonnen, und werfen wir einen Blick auf die Hochschulen des Landes. Heute können wir es noch machen; wer weiß, wie lange manche von ihnen noch stehen. Wir reden hier, Herr Althusmann, jetzt nicht über Haare in der Suppe, sondern über eine unglaubliche Vernachlässigung der Hochschulen: der Kapazitäten, der Betreuungsrelationen und des Gebäudebestandes. Vor wenigen Wochen gab es dazu einen sehr eindrucksvollen Bericht bei „Fron
„Wer heute durch Deutschlands Universitäten reist, der findet marode Gebäude, in denen es gerne mal durchregnet, Hörsäle, in die jahrelang nicht investiert wurde, Professoren, die für viel zu viele Studierende zuständig sind, kurzum, ein chronisch krankes System.“
Meine Damen und Herren, genau an dieser Stelle hinkt doch Ihre gesamte Rederei von den angeblichen Sparmaßnahmen zugunsten der künftigen Generationen. Diese Rechnung wird irgendwann zu bezahlen sein, und dann werden sich die Menschen daran erinnern, was ihnen die Wulffs, McAllisters, Steinbrücks und Röslers erzählt haben, die heute vorgeben, Schulden für die kommenden Generationen abbauen zu wollen, aber nichts anderes machen, als den jetzt notwendigen Sanierungs- und Investitionsbedarf auf die kommenden Generationen abzuwälzen. Dies wird für die Jungen erst recht teuer werden.
Dabei - das sei wenigstens angerissen - ist die junge Generation bereits heute die erste in der Geschichte der Bundesrepublik, der es im Arbeits- und Bildungsleben schlechter als der Generation ihrer eigenen Eltern geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen schon heute eine funktionsfähige Infrastruktur. Deshalb schlagen wir ein umfassendes Hochschulbausanierungsprogramm vor. Die Landesregierung selbst hat zugegeben, dass an manchem Gebäude erheblicher Substanzverlust droht und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit technischer Geräte oder sogar zur Gefahrenabwehr notwendig sind. Was nützt uns ein Brimborium à la NTH, wenn es zu wenig Geräte gibt, an denen gut geforscht werden kann?
rien, weil es weder ausreichende Fläche noch ausreichendes Personal gibt. Mit den Zielsetzungen des Hochschulpaktes wird sich die Lage noch verschärfen. Der Hochschulpakt ist nicht ausfinanziert. Wir brauchen zusätzliche Investitionen in Studienplätze. Wir fordern daher beispielsweise einen Landespakt zur Verbesserung der Lehre in Höhe von 120 Millionen Euro.
Diese Summe entspricht sämtlichen Einnahmen aus den Studiengebühren des Jahres 2009, die wir im Gegenzug streichen wollen. Studiengebühren verschärfen die soziale Selektion an unseren Hochschulen und das Denken in Verwertbarkeitskriterien bei Bildungsfragen. Beides lehnen wir ab.
Die Streichung der Gebühren bei Einführung des Landespaktes zur Verbesserung der Lehre ist kein Nullsummenspiel für die Lehre, sondern eine weitergehende Investition, weil wir damit im Unterschied zu Ihnen keinen Ausfallfonds für die Gebühren sponsern, keine NBank für ihre Kreditverwaltung finanzieren und keine Rücklagenbildung an den Hochschulen unterstützen. Die Mittel können stattdessen sofort dort eingesetzt werden, wo es am dringendsten notwendig ist.
Allein aus dem Jahr 2007 liegen noch mehr als 50 Millionen Euro an Einnahmen aus Studiengebühren auf Konten der Hochschulen. Das heißt, dass die Gebühren von 51 000 Studierenden - 51 000 mal 1 000 Euro - zwar auf die Konten der Hochschulen eingezahlt worden sind, dort aber vergammeln, anstatt auch nur für eine klitzekleine Verbesserung eingesetzt worden zu sein. Das ist ein Skandal und ein doppelter Betrug.
Sie haben den Studierenden vor der Regierungsübernahme versprochen, dass es beim kostenfreien Erststudium bleibt. Daran haben Sie sich nicht gehalten. Bei der Einführung der Studiengebühren haben Sie versprochen, dass die Mittel „unmittelbar der Verbesserung der Studienbedingungen“ dienen sollen. Herr Stratmann weiß ganz genau, dass auch diese Zusage nicht eingehalten wurde. Bis heute fließen weniger als 50 % der Studiengebühren unmittelbar in die Verbesserung der Studienbedingungen.
Die Linke will diesen Betrug beenden. Wir wollen als einzige Fraktion in diesem Haus sämtliche Studiengebühren abschaffen.
Wir hoffen aber, dass bei SPD und Grünen noch eine Überarbeitung der eigenen Position stattfinden wird, sodass auch in Niedersachsen möglich wird, was in Hessen möglich geworden ist,
Ebenso setzen wir uns für eine Qualitätssicherungsinitiative ein. Wenn schon alle Studiengänge an den Hochschulen akkreditiert werden sollen, dann müssen die Hochschulen auch in die Lage versetzt werden, mit den daraus resultierenden Anforderungen klar zu kommen. Ein Akkreditierungsvorgang kostet für einen einzigen Studiengang mindestens 10 000 Euro, Berge von Papier und viel Zeit. Bei Systemakkreditierungen kann man mit einem Vielfachen dieser Summe rechnen. Wir wollen daher 10 Millionen Euro für die Qualitätssicherung bereitstellen, mit denen Expertinnen und Experten an die Hochschulen geholt werden, die bei der Qualitätssicherung und -verbesserung mitarbeiten und die bestehenden Strukturen entlasten helfen.
Wir gewinnen damit mehr Freiräume für hochwertige Lehre und Forschung. Unsere Forderung, auf vier Professuren eine neue Sachbearbeiterstelle einzurichten, entspricht 1 : 1 einer Forderung des Wissenschaftsrates für eine exzellente Lehre. Wir halten diese Forderung für richtig, weil der Aufwand durch einen Anstieg der Zahl von Prüfungen, Begutachtungen etc. gestiegen ist. Die Entlastung der Lehrstühle ist notwendig, damit sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, nämlich das Lehren und das Forschen. Das bringt dann alle Studierenden voran.
Ich komme - last, but not least - zu den Studentenwerken. Sie bilden die soziale Säule des Studiums und sind eine unverzichtbare Einrichtung an den Hochschulen. Sie, Herr Minister, haben den Studentenwerken im Vorfeld 1,3 Millionen Euro zugesagt, aber was dann am Kabinettstisch tatsächlich durchgesetzt worden ist, ist nichts. Da das offensichtlich peinlich war, haben die Wissenschaftspolitiker der Koalition in der letzten Runde
gerade ein Drittel der in Aussicht gestellten Summe zugesagt und in den Haushalt eingestellt - nur ein Drittel! Und das, obwohl bereits heute z. B. die Studentenwohnheime komplett belegt sind. Die Auslastungsquote beträgt 96 %. An vier von fünf Standorten ist sie höher. In Göttingen müssen Interessenten ein ganzes Jahr lang auf einen freien Wohnheimplatz warten. Das ist völlig inakzeptabel. Hier ist die Politik gefragt. Deshalb schlagen wir vor, die Mittel hierfür um 3 Millionen Euro zu erhöhen. Das wäre ein Ausweg aus der Krise statt einer Fortsetzung dieser.
Meine Damen und Herren, in meiner restlichen Redezeit komme ich zur Kultur. Hier setzen wir einen eindeutigen Schwerpunkt auf die kleinen Kulturprojekte, insbesondere bei der kulturellen Jugendbildung und der Soziokultur. Man kann mit wenig Geld viel erreichen, weil gerade dort kleine Projekte bereits mit ein paar tausend Euro umgesetzt werden können, weil diese Mittel über das Zustandekommen entscheiden. Wir fordern einen deutlichen prozentualen Aufwuchs der Mittel für soziokulturelle Projekte. Auch in diesem Jahr gab es wesentlich mehr Anträge, als mit den vorhandenen Mitteln bedient werden konnten. Wir wollen die Kultur insgesamt stärken, sind für die Vielfalt in der Breite, weil die Teilhabe an Kultur ein integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Teilhabe ist.
Wir sind gegen eine Fokussierung auf kostspielige Projekte und gegen zusätzliche Mittel für fragwürdige Einrichtungen wie das reaktionäre Ostpreußenmuseum.
Unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Kleinkultur werden wir auch die Neuorganisation der Stiftungslandschaft im Auge behalten und schauen, wie die kleinen Kulturträger und die Soziokultur formal und materiell mit den neuen Anforderungen zurechtkommen. Wir werden sehr genau hinschauen, ob Sie Ihre Zusagen in dem Bereich einhalten werden
Die Mehrheitsfraktionen haben eine Glaubwürdigkeitskrise. Ihre Wissenschafts- und Kulturpolitik ist einfallslos, unterzuckert und ein Albtraum, nur weil sie nicht bereit sind, endlich für genügend Staatseinnahmen zu sorgen, damit z. B. unsere guten Ideen umgesetzt werden können, damit endlich eine ausfinanzierte Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturlandschaft bereitgestellt werden kann.