Protocol of the Session on December 10, 2008

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die von der FDP lange geforderte Abschaffung des Landesvergabegesetzes ist vom Tisch. Das ist immerhin ein Stück weit auch Ihr Verdienst, Herr Kollege Bley.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider sind Sie aber auf halber Strecke im Parteienkompromiss stecken geblieben. An dieser Stelle muss ich dem Kollegen Schminke recht geben: Letztendlich konnten Sie in den vergangenen Monaten nur einen Papiertiger zusammenbasteln, mehr nicht.

(Widerspruch von Björn Thümler [CDU])

Immer mehr Branchen drohen ins Lohndumping abzugleiten. Immer mehr Menschen können sich trotz Vollzeitstelle ihr Leben nicht mehr leisten. Neben der Baubranche sind gerade auch das Verkehrsgewerbe und viele Dienstleister gefährdet, in einen Wettbewerb um Niedrigstlöhne zu geraten.

Gleichzeitig wird die finanzielle Not der Kommunen größer. Wegen des Wirtschaftsabschwungs ist mit massiven Gewerbesteuerausfällen zu rechnen. Daher dürfte die Versuchung groß sein, bei Vergaben dem billigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen und nicht so genau hinzusehen, wie die Billigangebote zustande gekommen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken wollen, wie Herr Kollege Bley das gerade richtig festgestellt hat, und wenn die Mehrheitsfraktionen es mit dem Vorbildcharakter der öffentlichen Hand auch ernst meinen, dann brauchen wir ein Gesetz, das sich nicht umgehen lässt und das alle gefährdeten Bereiche umfasst.

(Ursula Körtner [CDU]: Quatsch! Das kann man doch gar nicht regeln!)

Erstens brauchen wir rechtsverbindliche Sanktionen sowohl gegenüber den Unternehmern als auch gegenüber den Kommunen. In einigen Branchen wird mit harten Bandagen ums nackte Überleben gekämpft. CDU und FDP haben an dieser Stelle den Entwurf weichgespült. Im Gegensatz zum alten Gesetz, nach dem es noch Strafzahlungen für Unternehmen gab, sind jetzt nur Rügen möglich. Damit schafft man ein Stück Narrenfreiheit.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Hört, hört!)

Zweitens müssen wir die Kommunen in die Pflicht nehmen; denn gerade die kommunalen Spitzenverbände, die in der Anhörung deutlich gemacht haben, dass sie dieses Landesvergabegesetz nicht gerade zu ihrer Herzensangelegenheit machen wollen, wären am Ende diejenigen, die es umsetzen müssten. Wenn das künftig nur auf freiwilliger Basis passieren soll, weiß man schon, was dabei herauskommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens. Im Baugewerbe und in vielen anderen Branchen kämpfen die Unternehmen inzwischen um kleinste Auftragshäppchen. Vor diesem Hintergrund ist es falsch, dass CDU und FDP den Geltungsbereich dieses Gesetzes wieder auf mindestens 30 000 Euro festgesetzt haben und nicht auf 10 000 Euro heruntergegangen sind; denn auch dort tobt heute der Wettbewerb.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein wirksames Landesvergabegesetz könnte auch die ungewollte Staatssubvention von Lohndumping-Firmen korrigieren. Schließlich haben wir trotz des Wirtschaftsaufschwungs in der ersten Hälfte des Jahres 2008 wieder einen Anstieg der Zahl von Aufstockern festzustellen, die auf Hartz IV angewiesen sind, obwohl sie voll in Lohn und Brot stehen und steuerpflichtig sind. Wieder sind 65 000 Aufstocker hinzugekommen. Herr Kollege Bley, mittlerweile erhalten in Deutschland 1,35 Millionen Menschen zusätzlich zu Ihrem Arbeitsentgelt Aufstockungsleistungen. Das macht deutlich, wie breit das Problem mittlerweile ist. Im ersten Halbjahr 2008 hatten wir tatsächlich noch eine boomende Konjunktur. Jetzt laufen wir in völlig andere Situationen hinein.

Wir brauchen ein Instrument, das alle gefährdeten Branchen umfasst. Entsprechende Maßnahmen könnten wir mit dem Landesvergabegesetz jetzt einleiten und dem Wildwuchs den Nährboden entziehen. Der vorliegende Papiertiger von CDU und FDP schafft das leider keinesfalls.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin König das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hagenah und Herr Schminke, billig ist das, was wir hier gemacht haben, noch lange nicht. Wettbewerbsfähig und preiswert müssen wir sein. Preiswert heißt u. a., dass manchmal auch jemand, der teurer ist, bei einer Vergabe zum Zuge kommt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Trotz aller Widrigkeiten haben wir von CDU und FDP uns entschlossen, ein moderates, anwendbares und für die Bauwirtschaft vernünftiges Landesvergabegesetz neu zu beschließen, um das aus

laufende alte Gesetz, das Passagen beinhaltete, die vom EuGH nicht mehr gebilligt wurden, zu ersetzen. Wichtig war dabei die klare Vorgabe - das haben Sie alle hier nicht erwähnt -, dass die VOB und die VOL in die NGO eingebracht werden müssen - Grundlage für eine veränderte Form und vonseiten der Bauwirtschaft schon seit Langem gefordert.

Auf Basis dieser Verordnung konnte ein kurzes, prägnantes Gesetz erarbeitet werden, das sowohl vor Missbrauch im Baubereich schützt als auch Handwerksbetrieben Sicherheit gewährt und Bürokratie minimiert. Die Veränderungen gegenüber dem in Teilen noch bestehenden Gesetz betreffen in erster Linie die von der EU zu Recht kritisierten örtlichen Tariftreueregelungen, die eine Allgemeinverbindlichkeit vermissen ließen. Dieser Punkt zu § 3 wurde angepasst. Somit ist die Allgemeinverbindlichkeit aufgenommen und gilt auch für Nachfolgevergaben bzw. für Subunternehmen. Eine Mindestlohnforderung, die die Linken in jeder Debatte wiederholen, kann kein Bestandteil dieses Landesvergabegesetzes sein. Herr Schminke, der Baulohn beinhaltet bereits durch das Entsendegesetz einen Mindestlohn.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieser liegt bei 12,57 Euro und teilweise bei über 13 Euro. Wollen Sie ihn wirklich auf möglicherweise 7,50 Euro absenken?

(Widerspruch bei der SPD und bei der LINKEN)

Gesetzliche Mindestlöhne lehnen wir per se ab. Löhne sind Sache der Tarifparteien, denen Sie anscheinend nicht viel zutrauen. Nicht alles muss man per Gesetz aufzwingen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die weiteren Aufnahmen des ÖPNV oder von Dienstleistungen, die von Ihnen auch gefordert werden, wurden von uns schon im Zuge der Beratungen über das alte Gesetz abgelehnt, sind von den Verbänden nicht gefordert und somit auch nicht umzusetzen. Was nicht zwingend gesetzlich geregelt werden muss, müssen wir auch nicht in ein gesetzliches Korsett packen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen staatlich nur dort in Aktion treten, wo es wirklich erforderlich ist und der Wirtschaft, dem Bürger und dem Land hilft. Sie dagegen lassen erkennen, dass Sie gerne als Vormund fungieren und alles vorschreiben, überwachen und ahnden

wollen. Das ist der Staat, den wir uns nicht vorstellen können und den wir auch nicht anstreben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe bei der LINKEN)

Alle wichtigen Vorgaben aus den schriftlichen Anhörungen sind in das Landesvergabegesetz eingeflossen und alle überzogenen sind ausgeklammert. Mit diesem Gesetz können wir auch in Zukunft EUkonform umgehen. Unterlassen Sie, Herr Schminke, bitte Ihre ständigen Unterstellungen, dass jeder und alle gesetzwidrig handeln.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Das Wort hat jetzt von der Fraktion DIE LINKE Herr Sohn zu einer Kurzintervention auf die Rede von Frau Kollegin König. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe FDP, zum Thema Mindestlohn möchte ich Ihnen etwas vorlesen, weil heute schon zweimal - auch von Herrn Försterling - die Freiburger Thesen erwähnt worden sind. Da ich demnächst ein bisschen zu Liberalismus und Sozialismus publizieren werde,

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

habe ich sie sehr gründlich gelesen.

(Jens Nacke [CDU]: Keine Drohun- gen!)

Ich möchte Ihnen jetzt die drei Kernsätze aus der Erläuterung der These 4 der Freiburger Thesen vortragen. Ich zitiere:

„Der moderne Liberalismus überlässt darum nur da die Erfüllung der Ziele liberaler Gesellschaft dem Selbstlauf privater Wirtschaft, wo diese durch Mechanismen des Marktes zureichend gesichert werden kann … Freiheit und Recht sind nach unseren geschichtlichen Erfahrungen bedroht durch die Tendenz zur Akkumulation von Besitz und Geld, die die Reichen immer reicher werden lässt, und die Tendenz zur Konzentration des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen … Dem freien Selbstlauf überlassen müssen eben diese negativen Tendenzen, bei aller

ungebrochenen Leistungsfähigkeit, dessen Menschlichkeit am Ende zerstören: durch permanente Überprivilegierung der Besitzenden gegenüber den Besitzlosen, der Reichen gegenüber den Armen, der Produzenten gegenüber den Konsumenten, des Faktors Kapital gegenüber dem Faktor Arbeit.“

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist ja entsetzlich!)

Wie wollen Sie denn diesen Freiburger Thesen ohne Mindestlohn folgen?

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention auf Frau Kollegin König hat von der SPD-Fraktion Herr Schminke für 1:30 Minuten. Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau König, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass in unserem Antrag von Mindestlohn überhaupt nicht die Rede ist. Das Wort ist in unseren Unterlagen überhaupt nicht zu finden, sondern das ist ein Antrag, der aus der Feder der Linken kommt. Wir wissen sehr wohl, dass im Arbeitnehmer-Entsendegesetz ein Mindestlohn verankert ist, und wir wissen, dass dieser auch in einem Tarifvertrag, der allgemeinverbindlich ist, für den Bau bereits Gültigkeit hat. Das wissen wir. Uns geht es hier aber in allererster Linie - insofern haben Sie das völlig verwechselt - darum, deutlich zu machen, dass Kontrollen nicht stattfinden; denn das Hauptzollamt darf nur nach den Bestimmungen eines Bundesgesetzes, aber nicht nach denen eines Landesgesetzes kontrollieren. Wenn wir die Prüfer losschicken und ihnen aufgeben, die Einhaltung der Tarifverträge, die jetzt zur Anwendung kommen müssen, zu kontrollieren, dann schütteln diese mit dem Kopf und sagen, dass sie dafür überhaupt nicht zuständig seien. Nur darum und um nichts anderes geht es hier. Das sind die Kontrollen, die wir einfordern und wo Sie nicht mitgehen wollen. Deshalb meinen wir, dass Sie an dieser Stelle falsch gehandelt haben, weil das im Grunde genommen ein zahnloser Tiger ist. Da läuft nichts.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Falsch!)

Eine letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt liegt mir von der Landesregierung vor. Herr Minister Hirche, bitte schön!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt gib schon klein bei!)