Wir behandeln heute nur noch die Tagesordnungspunkte 14 bis 18. Die Präsenz hier im Hause finde ich zu dieser späten Stunde fantastisch. Ich hoffe, dass Sie auch weiterhin so diszipliniert mitarbeiten, wie es jetzt der Fall ist.
Zweite Beratung: a) Einführung eines Mindestlohns in das Landesvergabegesetz - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/43 neu - b) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 16/48 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/725 - c) Entwurf eines Niedersächsischen Landesvergabegesetzes - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/600 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/663 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/743
Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP unverändert anzunehmen und den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD sowie den Antrag der Fraktion DIE LINKE abzulehnen.
Zur allgemeinen Aussprache gebe ich Frau Kollegin Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als der Europäische Gerichtshof im April dieses Jahres verkündet hat, dass bei öffentlichen Aufträgen von Unternehmen nicht mehr verlangt werden darf, dass das in den Tarifverträgen der Branche vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zu zahlen ist, hat Finanzmi
nister Möllring noch am gleichen Tag angekündigt, dass die Niedersächsische Landesregierung ab sofort bei ihren Aufträgen keine Tariftreue mehr verlangt.
Das geschah offenkundig in der Hoffnung, mit dem sogenannten Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs gleich noch das durchaus ungeliebte niedersächsische Landesvergabegesetz zu den Akten zu legen.
Die SPD-Fraktion und die Links-Fraktion legten unter Beachtung des Rüffert-Urteils eigene Entwürfe zur Änderung des niedersächsischen Landesvergabegesetzes vor, über die heute abgestimmt wird. Ihnen liegt zugrunde, dass bundesdeutsche Gerichte die Zulässigkeit regionaler Vergabekriterien ausdrücklich festgestellt haben. Diese Position setzte sich nach langwierigen und hartnäckigen Beratungen schließlich auch im federführenden Wirtschaftsausschuss durch. Schließlich konnte sich die schwarz-gelbe Landesregierung diesem Argument nicht länger verschließen.
Die Links-Fraktion begrüßt, dass das Landesvergabegesetz über den 31. Dezember hinaus weiter bestehen wird. Der anhaltende Druck der parlamentarischen Opposition sowie der Gewerkschaften hat sich also gelohnt.
Die Links-Fraktion wird sich dennoch bei der heutigen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP enthalten; denn der Entwurf ist bei aller Würdigung insgesamt nur halbherzig und greift viel zu kurz.
Die Ausweitung des Vergabegesetzes auf alle öffentlichen Aufträge fehlt im Gesetzentwurf ebenso wie die ausdrückliche Verankerung des öffentlichen Personennahverkehrs. Weiterhin fallen erst
Aufträge ab einem Volumen von 30 000 Euro unter den Geltungsbereich des Gesetzentwurfs der Landesregierung. Zusammen mit den Gewerkschaften halten wir es für dringend geboten, den Schwellenwert auf ein Volumen von 10 000 Euro abzusenken.
Schließlich fehlt im Gesetzentwurf der Landesregierung auch weiterhin die Verankerung eines Mindestlohns im Landesvergabegesetz. Da diese Forderung nach einem Mindestlohn auch im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion keine Rolle spielt, werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Entwurf ebenfalls enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, in Bezug auf wirksame Vergaberegelungen ist Ihr Verstand nicht willig und nicht empfänglich. Ihnen fehlen der Mut und die Courage, konkret zu sagen, dass Sie eigentlich gar kein Vergabegesetz wollen.
Das ist die Wahrheit. Deshalb müssen wir uns heute mit Ihnen über ein inhaltsarmes Rumpfgesetz auseinandersetzen, einen Papiertiger ohne Wirkung und ohne Kraft. Ihnen ist es gerade noch gelungen, sich auf die Position des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes einzulassen, der Sie sehr früh darüber aufklären musste, dass auch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines niedersächsischen Tarifvertrages als rechtlich unbedenklich und europakonform zu bewerten ist.
Da Ihnen auch dieses Ergebnis nicht schmeckt, vergessen Sie es, diese wichtige Information im Gesetz zu erwähnen. Auch dabei zeigen Sie, welche Gesinnung Sie tatsächlich haben und welche Ziele Sie damit verfolgen.
Wie immer reden wir Tacheles. Arbeitnehmer und Gewerkschaften sind von Ihnen massiv enttäuscht, weil Sie alle Möglichkeiten in den Wind schlagen,
Der Schulterschluss zwischen DGB-Gewerkschaften und Kreishandwerkerschaften sollte Ihnen eigentlich zu denken geben; denn auch die Kreishandwerkerschaften haben Alarm geschlagen und fordern wirksame Regelungen. Unsere Vorschläge finden also auch bei den Arbeitgebern volle Zustimmung. Das können Sie in der Dransfelder Erklärung, die bei uns abgegeben worden ist, sehr gut nachlesen. Die Handwerksmeister fordern und wollen faire Regeln; denn die Schmutzkonkurrenz ist leider viel zu oft mit Billigtarifen auf dem Plan und im Vorteil und bekommt dann bei Submissionen den Zuschlag. Genau das wollen wir damit verhindern.
Aber bei CDU und FDP sind faire Spielregeln überhaupt nicht gefragt. Sie wollen nur eines: billig und noch mal billig. Es muss billig sein, koste es, was es wolle.
- Das ist kein Quatsch! - Die Zeche zahlen am Ende wir. Sie wissen das ganz genau. Alle Bürgermeister schreien heute, dass die Aufträge nicht bei ihnen bleiben, und beschweren sich, dass zu wenig Gewerbesteuer reinkommt. Das ist der Kreislauf, den ich Ihnen schon beschrieben habe: Wer heimischen Betrieben solche Nachteile aufbürdet, der muss damit rechnen, dass keine Steuereinnahmen erzielt werden.
Meine Damen und Herren, uns trennen Welten. Sie setzen den Auftragswert auf 30 000 Euro fest, wobei automatisch ein Großteil der Vergaben nicht mehr vom Gesetz erfasst wird. Wir wollen den Schwellenwert auf 10 000 Euro festsetzen. Auch Christian Wulff - hören Sie gut zu - wollte das noch im August 2002. Auch das können Sie nachlesen. Er wollte ihn ebenfalls auf 10 000 Euro heruntersetzen.
Sie wollen, anders als die SPD Ihnen vorgeschlagen hat, den Bereich ÖPNV und SPNV sowie den Bereich Dienstleistungen nicht in das Gesetz mit aufnehmen und integrieren. Aber gerade das wäre
angesichts der massiven Vergaben, die in den nächsten Jahren anstehen, das eigentlich wichtige und richtige Signal.
Sie wollen keine verbindlichen Kontrollen. Auch daran scheitert es. Wir wollen vernünftige und verbindliche Kontrollen. Sie wählen im Gesetz eine Kannformulierung. Aber das wird bei den Kommunen niemanden vom Hocker reißen und dazu bringen, tatsächlich Kontrollen auf den Baustellen durchzuführen. Da wird wie bisher nichts passieren.
Aus Ihrer Sicht folgerichtig, aus unserer Sicht fatal fahren Sie auch in der Frage des Gesetzesvollzuges in § 7 einen Schmusekurs. Sollte überhaupt jemals ein Verstoß festgestellt werden, wird wie bisher immer Gnade vor Recht ergehen. Jeder emsländische Eierdieb wird härter bestraft
als dieses moderne Sklaventreibertum, das andere Menschen in Not versetzt und damit Millionen verdient.