Protocol of the Session on December 10, 2008

denn wir haben die Privatisierung gar nicht beklagt. Wir haben vielmehr die unkontrollierte Übertragung von Kernbereichen des staatlichen Gewaltmonopols auf private Betreiber beklagt.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist ein gewaltiger Unterschied!)

Genau diesem ist der Staatsgerichtshof gefolgt. Ich bin mir sicher, dass dies eine hochkomplexe und auch teure Angelegenheit für das Land wird. Es stellt darüber hinaus eine neue Geschäftsgrundlage für die privaten Betreiber dar. In Wahrheit wollten Sie die Häuser mit Gewalt loswerden, u. a. deshalb, weil Sie bis heute nicht in der Lage sind, eine Psychiatrieplanung für das Land vorzulegen. Gleiches gilt übrigens nach wie vor für ein Konzept in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Das, was Sie bisher erreicht haben, ist eine Niederlage vor dem Staatsgerichtshof.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das ist über- haupt nicht wahr!)

Darüber hinaus haben Sie zwischenzeitlich die gesamte Psychiatrie dieses Landes massiv gegen die Wand gefahren. Dies geht ausschließlich zulasten der Patientinnen und Patienten!

(Beifall bei der SPD)

In unserem ländlich strukturierten Bundesland ist eine qualifizierte wohnortnahe Krankenhausversorgung unverzichtbar. Über einem Drittel der 200 Krankenhäuser in Niedersachsen geht gegenwärtig fast die Luft aus; ihre Existenz ist massiv bedroht. Was macht das Land?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es duckt sich!)

Seit dem Amtsantritt der Regierung Wulff sind die jährlichen Investitionsmittel für unsere Krankenhäuser drastisch zurückgefahren worden. Um die Menschen optisch zu täuschen - dies war gestern wieder der Fall und auch heute -, nennen Sie seit Neuestem immer die Gesamtsumme der Investitionen. Dadurch wird das allerdings unter dem Strich pro Jahr nicht mehr, meine Damen und Herren.

Mit 120 Millionen Euro Fördermitteln pro Jahr ist Niedersachsen mit großem Abstand Schlusslicht aller Bundesländer. Dabei erklären Sie immer stramm, dass Sie den Krankenhäusern Planungssicherheit geben. Das stimmt im Übrigen, weil sie sich relativ sicher sein können, dass sie in der Regel nichts bekommen.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt nicht!)

- Doch, das stimmt. Fragen Sie einmal Ihre kommunalen Vertreter, wie das vor Ort aussieht!

(Norbert Böhlke [CDU]: Ich bin selbst einer!)

Was wir dringend brauchen und einfordern, sind ein neues Landeskonzept zur zukünftigen Krankenhausstruktur und eine verlässliche Krankenhausinvestitionsplanung des Landes. Meine Damen und Herren, anstatt das vorzulegen, fährt Frau Ross-Luttmann zum Krankenhausgipfel der Bundesregierung erst gar nicht hin. Ich finde, dass ein solches Verhalten unverantwortlich ist. Hier vor Ort bluten unsere Krankenhäuser in der Substanz aus, und zu Gesprächen mit dem Bund fahren Sie nicht.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Sie sollten einmal erzählen, wie viele Ministerin- nen und Minister überhaupt teilge- nommen haben!)

Ich finde, Ihre Krankenhauspolitik ist absolut desaströs, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD)

Vor 90 Jahren wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht erkämpft. Peinlich fanden wir, dass Frau Mundlos versuchte, die Leistungen für die CDU zu reklamieren.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Pein- lich!)

In Wirklichkeit hat damals die SPD gegen erhebliche Widerstände der Bürgerlichen und Konservativen in Deutschland das Frauenwahlrecht durchgesetzt. Darauf sind wir mit Recht stolz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bis heute allerdings ist die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern nicht erreicht. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist noch immer eine Illusion. Noch heute verdienen Frauen - auch in Niedersachsen - rund 25 % weniger als Männer. Es ist an der Zeit, dass das nicht mehr akzeptiert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Niedersachsen hat die Landesregierung die hauptamtlichen Frauenbeauftragten weitgehend abgeschafft.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nein!)

Mit der Änderung des Gleichstellungsgesetzes wird Frauenpolitik auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf reduziert. Frauenförderpläne werden komplett gestrichen. Was wir brauchen, ist ein Qualifizierungs- und Beratungsprogramm für Frauen, um sicherzustellen, dass ihnen tatsächlich Führungsfunktionen übertragen werden, ohne auf die Familie verzichten zu müssen. Dies gilt sowohl für den öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft. Eine Rückkehr zum Adenauer’schen Familienbild hingegen braucht diese Gesellschaft nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus ist diese Landesregierung seit fünf Jahren deutscher Meister bei Erklärungen zum Kinderschutz. In der Sache selbst haben Sie im Prinzip vollständig versagt. Sie haben 2006 unseren Antrag zur Einrichtung eines landesweiten Kindernotruftelefons übernommen. Diese Sozialministerin hat es noch nicht einmal geschafft, solch ein einfaches Telefon im Interesse der Kinder zu schalten. Nach 24 Monaten haben Sie diesen Haushaltsansatz nun komplett verschwinden lassen. Ich finde, ernsthafter Kinderschutz sieht wirklich ganz anders aus!

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Es gibt einen bundesweiten Telefonanschluss!)

- Ich weiß, dass es einen bundesweiten Telefonanschluss gibt. Wir haben uns zigmal darüber unterhalten. Das ist eine 15-stellige Nummer, die in Niedersachsen an drei oder vier Werktagen für drei Stunden geschaltet wird. Das ist doch für Kinder, die in Not sind, völlig ungeeignet! Hören Sie mit so einem Quatsch auf! Sie haben das drei Jahre nicht gebacken gekriegt!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wenn es ernst wird, dann schieben Sie im Zweifel die Verantwortung auf die Kommunen ab. Seit 2006 kündigt die Ministerin verbindliche Einladungen zu Kindervorsorgeuntersuchungen an. Drei Jahre haben Sie gebraucht, um endlich gestern die Überweisung des Gesetzentwurfs an das Parlament anzukündigen. Die kommunalen Spitzenver

bände haben im Übrigen vorsorglich schon einmal darauf hingewiesen, dass Sie dabei den nächsten Verfassungsbruch planen. Sie kippen jedem Jugendamt 200 Adressen vor die Tür, unterstellen indirekt Kindeswohlgefährdung und lassen dann die Kommunen auf den Kosten sitzen. Wenn es um wirklichen Kinderschutz geht, dann ist diese Herumtrickserei nicht nur verwerflich, sondern zugleich auch eine Bankrotterklärung dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Im Übrigen ist diese Doppelzüngigkeit gerade bei diesem Thema bei Ihnen nicht neu. Nehmen wir als Beispiel die Familienhebammen. Sie betonen wie wir die Notwendigkeit einer flächendeckenden Einführung und steuern jährlich lächerliche 70 000 Euro bei. Wo und wie viele Familienhebammen es tatsächlich gibt, schieben Sie den Kommunen zu. Dies hat dazu geführt, dass bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal bei der Hälfte der Jugendhilfeträger Familienhebammen vorhanden sind.

Es bleibt deshalb bei unserem 22-Millionen-EuroKinderschutzprogramm u. a. für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen in Kitas und Grundschulen, die flächendeckende Einführung von Familienhebammen und 50 Familienzentren als Anlaufstelle, und zwar aus Landesmitteln, weil wir der Auffassung sind, dass wir dieser Verantwortung selbst gerecht werden müssen und sie nicht wegschieben dürfen.

(Dorothee Prüssner [CDU]: Warum haben Sie es damals nicht gemacht?)

Dies lässt sich im Übrigen problemlos aus dem Programm „Familie und Zukunft“ umschichten.

Obwohl Sie dieses Geld - das hat Herr Böhlke auch heute wieder gesagt - wie Sauerbier aufdrängen, bleiben Sie seit Beginn dieser Aktion auf Ihrer Kohle sitzen. Lächerliche 2 Millionen Euro sind Sie 2007 aus dem 20-Millionen-Euro-Programm losgeworden. In diesem Jahr werden Sie nicht einmal die Hälfte dieses Geldes los. Es ist an der Zeit, meine Damen und Herren, dass Sie nach der Landtagswahl die mit diesem Programm verbundene Einpersonenshow beenden und dieses Geld endlich zielgerichtet für den notwendigen Kinderschutz einsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Am 3. Dezember, also in der vergangenen Woche, hat der Tag der Menschen mit Behinderungen aufgezeigt, wo in diesem Bereich Defizite sind. Die Streichung des Blindengeldes und deren nur widerwillige Teilrücknahme sind bei den Betroffenen nicht vergessen. Mit 220 Euro im Monat liegt Niedersachsen im untersten Bereich aller Bundesländer. Sie haben es jedenfalls geschafft, blinde Menschen in diesem Land so nachhaltig einzuschüchtern, dass das im Haushalt eingeplante Blindengeld nicht mehr abfließt; 5 Millionen Euro sind zum Jahresende noch im Pott.

Meine Damen und Herren, es geht um wirkliche Teilhabe und nicht um Fürsorge. Daher wäre es nach meiner Überzeugung eine Geste des Anstandes, dieses Geld durch eine moderate Anhebung des Blindengeldes endlich den Betroffenen zukommen zu lassen, für die es gedacht war.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen in diesem Land keine Behindertenhilfe nach Kassenlage der Kommunen, sondern wir wollen wirkliche Teilhabe. Wir lehnen jeden Versuch - er wird offensichtlich intern weiter vorangetrieben, als Sie es draußen vorgeben - der Kommunalisierung der Behindertenhilfe entschieden ab.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für 0,5 Millionen Euro hat diese Landesregierung seit 2003 unzählige neue Preise, Wettbewerbe, Bündnisse, Runde Tische und sonstige öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen ins Leben gerufen. Frau RossLuttmann ist - das sei ihr gegönnt - dabei die ungekrönte Königin. Als Illusionskünstler wären Herr Wulff und seine Truppe auf jedem Jahrmarkt der absolute Hit.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Sehr intelligent, was Sie da von sich geben!)

- Klar ist das klug. Es wäre gut, wenn Sie es umsetzen würden.

Frau Ministerin, Sie haben riesige Baustellen beim Kinderschutz, bei der Behindertenhilfe, bei der Pflege, beim Krankenhausbereich und bei der gesamten Psychiatrie. In der Frauen- und Jugendpolitik fallen Sie ohnehin weitgehend komplett aus. Zusätzlich warten wir seit zwei Jahren auf das angekündigte Heimgesetz, Krebsregistergesetz und Transplantationsgesetz. Die Schönwetterzeiten sind vorbei. Sie wie die gesamte Regierung

Wulff arbeiten seit Ihrer Wiederwahl erkennbar lustlos, kraftlos und zusehends erfolglos.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE] - Rein- hold Hilbers [CDU]: Das wird durch ständige Wiederholung auch nicht richtiger!)