Protocol of the Session on November 13, 2008

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet zu a) auf Annahme mit Änderungen und zu b) auf Ablehnung.

Zu dem Antrag hat sich Frau Somfleth von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich gebe ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt nicht ganz einfach, zur Sachpolitik zurückzukommen. Aber ich will es trotzdem versuchen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Auf den weltweit zu beobachtenden alarmierenden Rückgang der biologischen Vielfalt hat die Wissenschaft bereits in den 70er-Jahren hingewiesen. Durch den Verlust an Arten, Genen und Lebensräumen verarmt die Natur und werden die Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht. Verloren gegangene Biodiversität lässt sich nicht wiederher

stellen. Der Verlust ist irreversibel. Es hat mehrere Jahrzehnte gedauert, bis sich diese Erkenntnis durchgesetzt hat. Bei einigen ist sie leider immer noch nicht angekommen.

Viele Jahrzehnte hatten wir geglaubt, bei der Natur handele es sich um eine Art kostenlosen Selbstbedienungsladen, der seine Regale ohne unser Zutun immer wieder neu befüllt. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir dann mit Entsetzen festgestellt: Das Angebot ist auch bei uns in Deutschland, auch in Niedersachsen, geringer geworden, die Qualität schlechter. Wachen wir also endlich auf aus dem Traum, die natürlichen Ressourcen seien unerschöpflich und wir könnten auf biologische Vielfalt schon irgendwie verzichten! Fakt ist stattdessen: Die Sicherung der biologischen Vielfalt gehört zu den großen Nachhaltigkeitsforderungen des 21. Jahrhunderts. Die stete Verfügbarkeit von ausgeglichenen Ökosystemen und genetischen Ressourcen sowie einer breiten Vielfalt von Arten liegt im ureigenen Interesse von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gleichermaßen.

(Beifall bei der SPD)

Weil letzterer Aspekt, die ökonomische Bedeutung der Artenvielfalt, im Antrag der Grünen unserer Meinung nach nicht hinreichend zur Sprache gekommen ist, haben wir nach intensiver Diskussion im Ausschuss unseren Antrag „Zukunftskapital Biologische Vielfalt sichern“ vorgelegt, der im JuliPlenum leider direkt an den Ausschuss überwiesen worden ist. Dieser Ergänzungsantrag sollte einige der Themen, die im Antrag der Grünen noch nicht behandelt worden waren, neu beleuchten. Die Grünen hatten bereits im April, noch vor der 9. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt in Bonn, ihren Antrag eingebracht, der im Wesentlichen das enthält, was das Bundeskabinett in einer nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt bereits im November 2007 beschlossen hatte.

Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Hat die von Ihnen so geschätzte Kanzlerin und haben mit ihr die CDU-Ministerinnen und -Minister der Großen Koalition in Berlin etwas beschlossen, was völlig skandalös und abwegig ist und das Sie deshalb ablehnen wollen? Ich meine, dass wir es uns nicht erlauben können, das abzulehnen, was den Schutz unserer Lebensgrundlage bedeutet; denn nichts anderes bedeutet der Einsatz für den Erhalt der Biodiversität. Nur funktionierende Ökosysteme bieten uns das, was wir zum Überleben brauchen, nämlich sauberes Wasser, gesunde Luft und Böden, auf denen wir anbauen

können. Weil wir das verstanden haben, stehen wir gemeinsam mit den Grünen für die Forderung, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten und dafür der Landesregierung einen Maßnahmenkatalog und konkrete Daten abzufordern, um endlich Verbindlichkeiten beim notwendigen Handeln zu schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern gemeinsam mit den Grünen die Landesregierung auf, endlich der Initiative Countdown 2010 der Weltnaturschutzorganisation IUCN beizutreten, wie es die Nachbarländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen oder bereits getan haben. Die Niedersächsischen Landesforsten als Bewirtschafter des Landeswaldes haben dies zwar im April dieses Jahres getan - das ist ein erster richtiger Schritt -, aber das reicht beileibe nicht aus.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt frage ich Sie von den Regierungsfraktionen: Ist es Ihnen nicht peinlich, dass Niedersachsen im Umweltranking der Länder und auch bei diesem Thema wieder hinterherhinkt und das Schlusslicht im Ländervergleich bildet?

Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns doch endlich gemeinsam aktiv werden und das ändern. Es gibt doch schon Schritte in die richtige Richtung. Im April startete die Kampagne der Niedersächsischen Landesregierung zum Thema „Biologische Vielfalt“. Einige von uns waren in Braunschweig dabei. Aber meinen Sie, eine halbjährige Kampagne, die Ende August dieses Jahres endete, sei das, was wir brauchen? Das ist es beileibe nicht! Umweltbildung zu diesem Thema muss eine Daueraufgabe sein; eine halbjährige kurze Maßnahme reicht da nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wegen der Kürze der Zeit - in 30 Minuten müssen wir hier über drei Anträge diskutieren - will ich auf den Änderungsantrag der Regierungsfraktionen nur ganz kurz eingehen. Vorab erlauben Sie mir einen kleinen Tipp: Wer glaubt, den Umweltminister für sein ach so emsiges Bemühen auf diesem Feld loben zu müssen, der sollte ihm meiner Meinung nach lieber einen persönlichen Brief schicken und das nicht in einem Entschließungsantrag zu so einem wichtigen Thema tun.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Jetzt geht es darum, endlich etwas Zukunftsweisendes zu beschließen. Im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen steht aber nur Altbekanntes und nichts zukunftsweisendes Neues. Wenn wir das Artensterben stoppen wollen, müssen wir mehr tun als das, was im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen steht.

Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern, dass Sie im Mai dieses Jahres bei der Sonderkonferenz der Umweltminister doch auch unterschrieben haben, dass Niedersachsen die Ziele der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt mitträgt und sich gemeinsam mit den anderen Bundesländern für die nachhaltige Nutzung und den Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland und in der Welt einsetzt. Warum handeln Sie dann nicht entsprechend, statt nur das, was sich in den vergangenen Jahren als nicht ausreichend erwiesen hat, weiterzuführen? Ich denke, es ist nötig, dass wir in diesem für das Land so wichtigen Punkt gemeinsam an einem Strang ziehen. Deshalb bitte ich die Regierungsfraktionen: Springen Sie über Ihren Schatten. Ziehen Sie den inhaltsleeren Änderungsantrag zurück, und stimmen Sie stattdessen für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und für unseren Ergänzungsantrag.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Somfleth. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Meyer das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schutz der biologischen Vielfalt ist längst kein Nischenthema mehr. Ich zitiere aus einer aktuellen Studie der Bundesregierung und der Deutschen Bank: Während die Finanzkrise nach verschiedenen Berechnungen einen Verlust von 1 Billion Dollar verursachte, vernichten wir jährlich wertvolles Naturkapital von 5 Billionen Dollar, und das nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr.

Doch was passiert in Niedersachsen? CDU und FDP weigern sich, die Ziele der Bundesregierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt hier umzusetzen. Wir haben darüber lange in den Ausschüssen diskutiert. Frau Merkel und Herr Gabriel haben im November 2007 eine umfassende Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt vorgelegt, um das

Artensterben zu stoppen. Dazu müssen auch die Länder ihren Beitrag leisten. Bestandteil der beschlossenen Strategie ist ein Katalog mit ungefähr 500 Maßnahmen. Sie wollen nichts davon umsetzen. Sie meinen, die bisherigen Maßnahmen dieser Landesregierung würden reichen.

Der Umgang mit unserem Antrag im Ausschuss wurde schon angesprochen. Das ist ein schönes Beispiel für Original und Fälschung. Unser Antrag, das Original, fordert die 1:1-Umsetzung der Ziele der Bundesregierung auch in Niedersachsen. Die Fälschung ist das, was die CDU/FDP-Mehrheit mit ihrem Änderungsantrag im Ausschuss daraus gemacht hat: eine reine Lobhudelei für die Naturschutzpolitik des Umweltministers, die die von der Bundesregierung vorgegebenen Ziele nachweislich nicht erfüllen wird und das Gegenteil dessen ist, was wir beantragt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist festzustellen, dass insbesondere die CDU das, was sie in Berlin mit ihrer Kanzlerin in der Regierung beschlossen hat, in Niedersachsen nicht umsetzen will.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Unglaub- lich!)

Sie wollen den Verlust von Lebensräumen in Niedersachsen nicht grundsätzlich stoppen. Sie wollen auch nicht 30 % der Landesfläche als Naturparke ausweisen. Sie wollen keine natürliche Waldentwicklung auf 10 % der Fläche der Landesforsten. Sie wollen den weiter wachsenden Flächenverbrauch nicht wirksam stoppen, sondern neue Autobahnen quer durch das Land bauen. Sie wollen den Verlust wertvoller Moore durch den Torfabbau nicht stoppen, sondern haben bis 2040 für weitere 28 000 Hektar Abtorfungsgenehmigungen erteilt. Sie wollen nicht - das haben Sie auch im Ausschuss gesagt - den Anteil wertvoller Agrarbiotope, also Hecken, Feldgehölze, Blühstreifen, um 10 % steigern, und Sie streben auch nicht naturnahe Landschaftselemente in der Agrarlandschaft von gerade einmal 5 % an. All diese vorgegebenen Ziele wollen Sie nicht erfüllen.

Sie wollen auch nicht Ihre Finanzpolitik daraufhin prüfen, was schädlich und kontraproduktiv für den Erhalt der biologischen Vielfalt ist. Nein, eigentlich wollen Sie Ihre bisherige falsche Umweltpolitik einfach fortschreiben. Das wird dem Problem nicht gerecht und widerspricht den internationalen Verpflichtungen, die auf den Weltgipfeln eingegangen

wurden. Damit fallen Sie der eigenen Bundesregierung in den Rücken.

Die Grünen wollen die Umsetzung der Vorschläge der Bundesregierung auch in Niedersachsen und eine Selbstverpflichtung zum Schutz der biologischen Vielfalt gemäß dem Countdown 2010. Die Landesforsten haben bereits unterschrieben, aber Herr Sander weigert sich weiterhin, dem nachzukommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

53 % der heimischen Arten in Niedersachsen sind gefährdet. Wie wir gehört haben, ist mehr als die Hälfte wertvoller Biotoptypen bedroht. Der Rückgang der Arten in Niedersachsen ist nicht, wie es in dem Antrag von CDU und FDP heißt, gestoppt. Ich habe nicht ganz viel Zeit für ausführliche Analysen und erinnere deshalb nur einmal an die Wiesenvögel. Bei der Uferschnepfe ist der Bestand in den letzten sechs Jahren um ein Drittel zurückgegangen. Hauptursache dafür ist u. a. der starke Grünlandverlust durch Umwandlung in Ackerland.

Auch sonst sind wir von gutem Naturschutz meilenweit entfernt. Die Bundesregierung will 30 % Naturparke, Niedersachsen hat 17,7 %, im Bundesdurchschnitt sind es 26 %. Es ist schon eine Posse. Niedersachsen hat zwar Naturschutzgebiete ausgewiesen, aber in mehr als 50 Naturschutzgebieten fehlen die entsprechenden Schilder, wie mir auf eine Kleine Anfrage berichtet wurde. Der Naturschutz wird also nicht umgesetzt. Sie haben eine Verordnung aufgelöst und wissen seit vier Jahren nicht, wie diese Schilder aussehen sollen. Deshalb können Regelverstöße nicht geahndet werden. Das ist Phantomnaturschutz auf dem Papier und einfach nur noch peinlich.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ähnlich ist es mit dem Kahlschlag in der Umweltverwaltung, der bereits angesprochen wurde. Da liegt Niedersachsen auf dem letzten Platz.

Wir lehnen deshalb den Änderungsantrag von CDU und FDP ab, da er nur Worthülsen und Allgemeinplätze enthält. Wir wollen den Schutz der biologischen Vielfalt auch zum Schutz der Lebensgrundlage für den Menschen. Sie setzen den Flächenfraß, den Moorverlust und die Verfälschung der Flora und Fauna durch genmanipulierte Pflanzen und Tiere unverändert fort. Dafür bekommen Sie von uns keine Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Herr Meyer. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Brandes das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Meyer, liebe Frau Somfleth, ich hätte mir gewünscht, wir hätten es wirklich geschafft, an einem Strang zu ziehen und im Umweltausschuss in die Arbeitsebene einzusteigen.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Leider sind wir über Ihre Allgemeinplätze und quantitativen Erklärungen, die wirklich keinen Schritt weiter führen, nicht hinaus gekommen.

(Beifall bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Wir haben das gemacht, was Frau Merkel uns vorgegeben hat! Wir haben nichts draufgesetzt!)

Die Niedersächsische Landesregierung, unser Umweltministerium und die nachgeordneten Naturschutzbehörden haben ein gutes Artenschutzkonzept. Das zeigen die Erfolge, die wir in Niedersachsen im Arten- und Biotopschutz aufzuweisen zu haben.

Meine Damen und Herren und vor allen Dingen liebe Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss, das Umweltministerium hat uns in der letzten Sitzung am 27. Oktober das aktuelle Artenschutzkonzept vorgestellt, und jedenfalls uns von der CDU-Fraktion ist deutlich geworden, dass wir nicht nur auf dem neuesten Wissensstand sind, sondern auch auf dem neuesten Stand der praktischen Erfahrungen. Ich bedauere, dass wir politisch bei diesem so wichtigen Thema nicht auf einen Nenner gekommen sind. Das sage ich ganz ehrlich. Auch Ihnen müsste doch deutlich geworden sein, dass Artenschutz eine Schwerpunkt- und Daueraufgabe des Umweltministeriums, der Umweltverwaltung und natürlich auch der vielen ehrenamtlichen Helfer im Natur- und Artenschutz ist. Ohne die wäre eine flächendeckende Artenschutzarbeit gar nicht möglich.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)