Noch einmal zu dem Unsinn der Schullaufbahnempfehlungen. Meine Damen und Herren aufseiten der Regierungsparteien, ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass Sie wirklich glauben, eine seriöse Aussage über die Entwicklung eines Kindes im weiteren Bildungsverlauf sei nach der vierten Klasse möglich. Unbestritten aber ist, dass Kinder mit migrantischem Hintergrund hier extrem benachteiligt sind.
Zum Thema Sprachförderung. Sprachförderung und vor allem muttersprachlicher Unterricht sind nicht nur im Vorschulbereich und in der Grundschule notwendig.
Wissenschaftliche Studien beweisen: Nur wer eine hohe sprachliche Kompetenz auch in der Muttersprache entwickelt, wird Deutsch als zweite Sprache gut beherrschen. Das heißt, wir brauchen muttersprachlichen Unterricht für mindestens acht Jahre. Mehr ausländische Lehrkräfte bzw. überhaupt Lehrkräfte mit anderem kulturellen Hintergrund und die Anerkennung deren Abschlüsse würden viel zur Lösung dieses Problems beitragen.
Danke. - Bildung fördert Integration. Keine Bildung schafft Probleme für uns. Durch das Verwehren von muttersprachlicher Förderung und strukturellen Hindernissen wie etwa die frühe Selektion und das dreigliedrige Schulsystem verwehren wir gerade Kindern mit besonderem Förderbedarf die Verwirklichung ihres ganz persönlichen Rechts auf Bildung.
Integration ist nur durch chancengleiche Teilhabe auf allen Bildungsebenen möglich. Wenn wir es mit unserem Willen zur Integration und zur Chancengleichheit wirklich ernst meinen, wird eine noch so intensive Sprachförderung vorrangig im frühkindlichen Bereich nicht ausreichen. Kinder aus Ausländerfamilien sind auf allen Bildungsebenen benach
teiligt. Wir vergeuden Chancen für unsere Gesellschaft, weil wir Fähigkeiten und Begabungen nicht gleichberechtigt nutzen.
Aber nicht nur das: Es gibt ein ganz persönliches Recht auf Bildung als Selbstzweck, als Recht auf persönliche Selbstentfaltung für alle Mitglieder unserer Gesellschaft.
Die Zahlen aus Linden-Süd zeigen: Bildungsbenachteiligung von Migrantenkindern ist kein Randproblem, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die es zu lösen gilt. Wir brauchen eine grundsätzliche Umstrukturierung unseres Bildungssystems. Wir brauchen die Abkehr vom gegliederten Schulsystem hin zu einem gemeinsamen Unterricht bis zur zehnten Klasse für alle Schülerinnen und Schüler.
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht mit Recht sehr weit. Ich könnte viele Gründe anführen, die unser selektives Schulsystem mit einer gerechten Bildungslandschaft, wie wir sie uns vorstellen, inkompatibel machen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wahlkampf in den USA ist nicht zuletzt mit dem Thema Bildung gewonnen worden.
Die Politik kann nicht alle Probleme lösen. Aber sie sollte die Probleme lösen, mit denen der Einzelne überfordert ist. Sie sollte Sicherheit und unseren Kindern gute Bildung geben, unser Wasser sauber und das Spielzeug frei von Schadstoffen halten. Sie sollte neue Schulen und neue Straßen bauen
So beschreibt der künftige Präsident der Vereinigten Staaten sein Verständnis von den Aufgaben der öffentlichen Hand. Barack Obama und seine Wahlkampfführung haben schon früh gewusst, dass man mit dem Thema Bildung Wahlen gewinnen oder verlieren kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was aber Ihre Bildungspolitik bewirkt, meine sehr geehrten Damen und Herren Zwischenrufer, haben Sie heute vor dem Landtag und vor allen Dingen am Opernplatz verfolgen können.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Johanne Modder [SPD]: Ja- wohl! - Zuruf von Karl-Heinz Klare [CDU])
- Herr Klare, es ist schön, dass ich Sie mit meiner Rede aus dem Nachmittagsschlaf geweckt habe. Sie können sich ja nachher zu Wort melden.
Zum Bildungsgipfel, der stattgefunden hat, ist heute schon viel berichtet und geredet worden. Ob die Bilder dieses Bildungsgipfels schön waren, können Sie selbst entscheiden. Die Ergebnisse waren es jedenfalls nicht. Darin haben uns die Fachverbände eindeutig bestätigt.
Das Entscheidende ist, wie die Betroffenen über diesen Bildungsgipfel denken. Darüber hat es eine Umfrage gegeben. Positiv ist, dass die Menschen glauben, dass der Bildungsgipfel überhaupt notwendig gewesen ist. Das sagen 96 % der Befragten. Aber nur 8 % der Befragten gehen davon aus, dass die Ergebnisse des Bildungsgipfels ein Meilenstein waren. Das ist das Bedauerliche und Bedenkliche, meine Damen und Herren.
Dieses Ergebnis führt nach meiner Auffassung dazu, dass die Politikverdrossenheit in Deutschland weiter zunehmen wird, wenn wir im Bereich der Bildung nicht etwas tun.
Herr Wulff sagt A, meint aber B und will die Bildungsausgaben bei seiner Fachministerin weiter zusammenstreichen.
Schwarz auf weiß kann man diese These in der mittelfristigen Finanzplanung nachlesen. Der Anteil der Ausgaben für Hochschulen, Schulen und Berufsbildung am Gesamtetat 2012 wird nämlich sinken: im Bereich der Hochschulen und Forschung von 8,48 % auf 8,13 %, im Bereich von Schule und Berufsausbildung im selben Zeitraum von 16,17 % auf 14,82 %. Das ist wahre Konsolidierungspolitik auf Kosten der Bildungspolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sie als Regierungskoalition sorgen dafür, dass die Chance für Deutschland und für Niedersachsen verpasst und verpatzt wird. Dies ist nicht nur sehr schade, sondern auch fatal für die Schule, für die Schülerinnen und Schüler sowie für die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land; denn die wahren Skandale der Schule finden abseits aller bildungspolitischen Grundsatzdebatten im Kleinen statt, nämlich dann, wenn Kinder benachteiligt werden und wenn ihnen der Mut genommen wird. Die Folgen sind sichtbar: Wenn Kinder einen Migrationshintergrund haben, haben sie im Durchschnitt immer deutlich schlechtere Noten als ihre Mitschüler ohne Migrationshintergrund. Das sind für mich wahre Probleme in der Schule.
Das Ziel ist klar: Schule muss wieder eine Aufstiegsperspektive für alle bieten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dies sollte ein Kernziel von Bildungspolitik sein. Ihres scheint es - das will ich nur vorsichtig formulieren - nicht zu sein. Vor allen Dingen scheint es bei Ihnen nicht durchgängig formuliert zu sein.
Eine gute Bildungspolitik heute ist eine sehr gute Sozialpolitik für morgen. Die Sprachförderung ist ein Mittel der Chancengleichheit in diesem Land. Das sollten wir auch berücksichtigen. Für Kinder mit Migrationshintergrund setzt hier in besonderer Weise das Mittel der Sprachförderung an. In der Informationsbroschüre des Ministeriums „Sprachförderung in Kindergarten und Schule“ heißt es dazu: Je nach Stand der deutschen Sprachkenntnisse der Kinder und nach den jeweiligen organisatorischen Möglichkeiten entscheiden die Schulen über ihr schulspezifisches Förderkonzept und
die einzurichtenden Förderangebote. - Dann werden einzelne Maßnahmen wie Sprachlernklassen, Förderkurse oder interkulturelle Arbeitsgemeinschaften genannt. Abgesehen davon, dass es wohl eher heißen müsste: Die Schulen führen je nach Ausstattung und personellen Möglichkeiten ihre Maßnahmen durch, ist hier ein Gesamtkonzept, das die Förderung vom Kindergarten bis mindestens zur 8. Klasse, besser noch bis zur Hochschule umfasst, überhaupt nicht zu erkennen.
Die Teilnahme an dem zusätzlichen Unterricht ist freiwillig, und alle Einzelmaßnahmen enden dann auch nach Klasse 4. Vier Jahre in der Grundschule und ein Jahr im Kindergarten sind aber bei Weitem nicht genug, um die Sprachdefizite auszugleichen. Selbst nach Beendigung der Schullaufbahn haben Studenten aus Migrantenfamilien Probleme mit der deutschen Sprache. Andere Länder wie Schweden und Kanada begleiten solche jungen Menschen von der Einschulung bis zur Hochschule auf ihrem Weg. Dies sollte für uns ein gutes Beispiel sein.
In Niedersachsen gibt es hingegen Flickschusterei und bedarfsungerechte Zuweisungen. So wurde die Finanzierung der vorschulischen Sprachförderung mit Sprachförderkräften in Kindertagesstätten durch das Land Niedersachsen im Jahre 2006 auf eine andere Fördergrundlage umgestellt. Dies hatte zur Folge, dass für die Kindertagesstätten z. B. hier in der Landeshauptstadt Hannover von ehemals 1,4 Millionen Euro nur noch ganze 980 000 Euro für Sprachförderung übrig geblieben sind. Es ist eine „stolze Leistung“, in dem Bereich, den Sie als so wichtig ansehen, eine Kürzung um 500 000 Euro vorzunehmen.