„Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bildet.“
Das deutet darauf hin, dass man eine Gesellschaft nicht entwickeln kann, wenn man Krisen vermeiden will, in der über 15 Jahre die Reallöhne stagnieren und gleichzeitig im Finanzmarkt Renditen von 25 % erwirtschaftet werden. Dann zieht sich das Spannungsverhältnis zwischen den stagnierenden Reallöhnen und den erwarteten Renditechancen immer weiter hoch, und irgendwann muss - das steht in diesem Satz - diese Falle zuklappen. Genau das passiert jetzt.
Deshalb besteht die einzige Möglichkeit, etwas zu machen - das werden wir im weiteren Verlauf der Plenartagung noch ausführlich behandeln -, darin, die Nachfrage zu stärken - deshalb ist diese Lohnforderung von 8 % so richtig - und Konjunkturprogramme zu entwickeln, um die Nachfrage dahin zu bringen, dass die erwirtschafteten Güter tatsächlich nachgefragt werden können. Wenn Sie nicht in der Realwirtschaft ansetzen, können Sie machen, was Sie wollen.
Herr Stratmann, eines der Dramen der letzten Jahrzehnte - auch das gehört dazu - ist, dass Sie Marx aus den Universitäten verbannt haben. Die Lehrstühle sind alle geschliffen.
Wenn Sie das nicht getan hätten, hätten Sie vielleicht das Frühwarnsystem, das Sie sich weggeschossen haben, gehabt, das Sie auf die Kernproblematik des letzten Grundes aller Krisen hingewiesen hätte. Aber jetzt gibt es ja uns. Wir können dabei aushelfen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede von Herrn Jüttner und insbesondere der Rede von Herrn Sohn ist eines einmal wieder sehr deutlich geworden: Die Finanzmarktkrise darf nicht die Stunde der Populisten werden. Sie muss vielmehr die Stunde der pragmatischen Realisten sein,
um die Risiken und Chancen einer sozialen Marktwirtschaft in ein gutes Verhältnis zueinander zu bringen.
Ich darf Ihnen sagen, dass sich eine Debatte über staatlich regulierte, auf Dauer festgelegte Gehälter in einem System der sozialen Marktwirtschaft verbietet. Wir haben eine soziale Verantwortung, wir haben einen sozialen Verantwortungsrahmen. In unserem Land zahlen diejenigen, die viel verdienen, auch viel Steuern, und das ist auch gut so. Diejenigen, die wenig verdienen, zahlen entsprechend weniger Steuern. Das ist ein Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit, die durch die Steuerprogression in Deutschland sichergestellt wird.
Es lässt sich trefflich über die Einschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit von Vergütungen streiten, wie es auf Bundesebene getan wird, über ein Mehr an Transparenz mit Sicherheit nicht. Aber eines führt mit Sicherheit in Deutschland nicht weiter. Weder Oskar Lafontaine noch Gregor Gysi oder Dr. Sohn, die Linken oder die ganz Linken in der SPD dürfen am Ende die Gewinner dieser
Diskussion über die Finanzmarktkrise und die Zukunft der Finanzmärkte in Deutschland, in Europa oder weltweit sein.
Die Antwort lautet: Nicht mehr Staat, sondern mehr Verantwortung, die auch wahrgenommen werden muss.
Meine Damen und Herren, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der eigentliche Antrieb für die Sozialdemokraten zur Beantragung dieser Aktuellen Stunde die Nutzung der Finanzmarktkrise zu einer sehr grundsätzlichen Auseinandersetzung über die gesellschaftlichen Spielregeln ist. Im Kern geht es ihnen darum, die Verunsicherung in der Bevölkerung zu nutzen und ein sehr subjektives Ungerechtigkeitsempfinden im Wettbewerb mit den Linken zu bedienen.
Ich habe erhebliche Zweifel, ob diese Rechthaberei, wie Sie, Herr Jüttner, sie hier dargestellt haben, ob die Reduzierung des Ganzen auf Managergehälter dieser ernsthaften Krise für Deutschland, Europa und die Weltmärkte tatsächlich angemessen ist. Ich meine dies nicht.
„Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge … dafür zu sorgen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen.“
In diesen Aufsichtsgremien der internationalen börsennotierten Unternehmen sitzen Arbeitgeber- und auch Arbeitnehmervertreter, Herr Jüttner. Der Blick für Augenmaß und Mitte, für die Angemessenheit der Bezahlung ist in wenigen Bereichen mitunter verlorengegangen, ohne Zweifel. Die Akzeptanz unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ist entscheidend davon abhängig, dieses Augenmaß wieder herzustellen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Sohn, auch wenn man Ihrem Band 3 ansieht, dass damit schon schwer gearbeitet wurde - ich konnte eben einen Blick darauf erhaschen -, finde ich doch, dass eine Marx-Vorlesung von jemanden, der den Mauerfall in einer Veröffentlichung als Niederlage beschreibt, für dieses Haus nicht unbedingt hilfreich ist.
Meine Damen und Herren, heute Morgen bei der Rückkehr aus dem Wendland habe ich mit großem Interesse den Kommentar des Redakteurs meiner geschätzten Heimatzeitung gelesen, der über den gedankenlosen Versuch von Ministerpräsident Christian Wulff, Parallelen zwischen der faschistisch-demagogischen antisemitischen Wortwahl und der gegenwärtigen Kritik an Managern zu ziehen, Folgendes gesagt hat:
„Zwar hat der niedersächsische Regierungschef sich dafür inzwischen entschuldigt. Geklärt ist damit aber nicht, was ihn zu diesem durchgeknallten Vergleich bewogen hat. Eine solche Gedankenlosigkeit ist bei einem Mann von so intensivem Medienbewusstsein kaum vorstellbar und auch nicht zu akzeptieren.“
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Herr Wulff derart geschichtsvergessen und leichtfertig agiert hat. Vermutlich weiß er es selbst nicht. Immerhin hat er sich später dafür sehr deutlich entschuldigt. Diese Äußerung war zum Schämen. Dies zuzugeben zeigt aber auch Größe und hätte schon manchem Politiker und auch Manager in der letzten Zeit sehr gut angestanden.
Herr Ministerpräsident, ich finde, es würde Ihnen auch sehr gut anstehen, sich in der gegenwärtigen Krise von Finanzen und Wirtschaft deutlich zu positionieren. Wir hätten uns schon lange deutliche Worte von Ihnen zu Verantwortung und Ethik in der Wirtschaft gewünscht, zu Bahnchef Mehdorn zum Beispiel, der die Bahn verrotten lässt, um sie für den Börsengang aufzupolieren, zu den Vorstands
kollegen, die sich mit Boni an diesem Börsengang bereichern wollen, zu dem Kriminellen in Nadelstreifen Zumwinkel, der in den USA 7 Milliarden in den Sand gesetzt hat und sich das durch das Briefporto der kleinen Leute hier zu Hause bezahlen lässt. Dazu würde ich gerne einmal etwas hören. Aber dazu fehlt Ihnen der Schneid.
Stattdessen treten Sie als Schutzpatron der Bosse und Manager auf. Sie selbst haben festgestellt, dass Sie nicht das Alphatier sein wollen oder können. Aber warum dann gleich der Angsthase der Nation an dieser Stelle?
Ihr Credo ist: Es ist in Ordnung, dass Manager sehr viel verdienen, schließlich zahlen sie Steuern und schaffen Arbeitsplätze. Herr Wulff, Sie sollten wissen, dass es sich nicht so schlicht verhält. Im Gegensatz zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tragen die Manager in der Regel nämlich überhaupt kein Risiko.
Meine Damen und Herren, in der letzten Zeit werden allerorten Schutzschirme gespannt: gegen die Bankenkrise, gegen die Wirtschaftskrise und gegen die Absatzkrise bei Autos. Aber die Konditionen hierfür stimmen nicht. Die Rettung der Hypo Real Estate hat den Aktionären sofort eine halbe Milliarde Dollar Gewinn eingebracht. Der deutsche Steuerzahler sieht davon aber keinen Cent. Das kann nicht richtig sein!
Bislang gibt es in diesem Land nur Garantien für Banken und Spekulanten. Wenn allerdings über Nacht schon ein Blankoscheck in Höhe von 500 Milliarden Euro für Geldanlagen ausgestellt werden kann, dann muss auch etwas für die Sicherung von Arbeitsplätzen, für die Verbesserung der Situation von Geringverdienern und für neue Chancen für Arbeitslose getan werden können.
Was wir jetzt brauchen, ist ein Schutzschirm auch für die Schwachen in diesem Land. Sie haben nämlich bis jetzt noch keinen von Ihnen bekommen. Die Hartz-IV-Empfänger haben diesen Schlamassel nicht angerichtet. Aber sie und diejenigen, die demnächst arbeitslos werden und um ihre Existenz fürchten müssen, werden die Ersten
sein, die büßen werden; sie waren nicht schuld. Das waren vielmehr die Spezis von Herrn Westerwelle und dem Wirtschaftsflügel der Union. Kaum zu glauben ist - da reibt man sich wirklich die Augen -, mit welcher Rasanz diese Neoliberalen ihre Parolen von gestern dementieren und jetzt nach staatlicher Hilfe schreien. Auch ich möchte, dass es staatliche Hilfe gibt, aber nicht zum Nulltarif.
Frau Helmhold, Sie haben gerade erwähnt, dass der Wirtschaftsflügel der Union und die FDP für bestimmte Entwicklungen in Deutschland mitverantwortlich seien. Würden Sie mir zustimmen, dass es ein Finanzminister namens Lafontaine war, der 2003 die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen an Unternehmensanteilen durchgesetzt hat, und dass es 2003 eine rot-grüne Bundesregierung war, die ein Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens auf den Weg brachte, das Hedgefonds und Leerverkäufe überhaupt erst ermöglichte? Was sagen Sie dazu, dass Herr Eichel 2004 ein Kapitalinformationsgesetz auf den Weg bringen wollte und am Ende gestoppt wurde? Darin ging es um Managerhaftung.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Dies al- les konnte ich in meiner Rede nicht mehr sagen!)