(Karl-Heinz Klare [CDU]: Waren Sie auch dabei? - Gegenruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sie waren jeden- falls nicht dabei! Schade eigentlich!)
Auch viele Polizisten waren dort, Herr Klare. Einer von denen, die vorgestern Nacht in Grippel an der Transportstrecke standen, wo sich die Bauern angekettet hatten, sprach mich an und sagte: Respekt und Hochachtung vor dem Mut der Bauern, die hier ihre Heimat verteidigen.
Meine Damen und Herren, ein anderer war nicht da: Der Ministerpräsident war in diesen Tagen nicht zu sehen und nicht zu hören. Genauso wie heute drückt er sich um die Debatte, wenn vor Ort ein Großkonflikt zu Auseinandersetzungen führt, die die Menschen nicht mehr ertragen können und wollen. Es wäre die Aufgabe des Ministerpräsidenten gewesen, sich der Diskussion hier und vor Ort zu stellen. Aber er drückt sich.
Meine Damen und Herren, Gorleben war nur der Auftakt. Wenn Sie jetzt nicht die Kraft für ein Innehalten, für einen Neubeginn bei der Endlagersuche finden, dann ist die CDU in der Endlagerfrage mehr als unglaubwürdig.
Aber Herr Kauder, Herr Glos und Frau Merkel wollen einfach nur Fakten schaffen. Sie wollen überhaupt nicht mehr erkunden; sie wissen schon ganz genau, was passieren soll.
Auch der Innenminister, Herr Schünemann, hat den Einsatzort wohl nur aus der Entfernung gesehen. Eine Zunahme der Gewaltbereitschaft wollen Sie beobachtet haben, Herr Schünemann. Es gab dreimal so viele Demonstranten wie früher, aber weniger Festnahmen, weniger Verletzte, weniger Schwerverletzte. Da frage ich Sie: Wie kann das zusammenpassen? Herr Schünemann, diese Bilanz straft Ihr Reden Lügen.
Sie haben es nicht geschafft, eine Begründung für Ihr rechtswidriges und unverhältnismäßiges Demonstrationsverbot herbeizureden.
Meine Damen und Herren, ich habe heute Morgen die Bild-Zeitung gelesen. Und was lese ich da? - Dort steht: Herr Schünemann will die Chaoten zur Kasse bitten. - Oh prima!
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Sehr guter Vorschlag! - Kreszentia Flauger [LIN- KE]: Das wird teuer für sie!)
Herr McAllister, als ich diese Überschrift las, dachte ich: Endlich geht es dieser Atommafia mal an den Kragen!
Endlich muss sich die Atomwirtschaft daran beteiligen, wenn ihr Dreck durch die Republik gefahren wird.
Ich habe aber auch noch die Unterzeilen gelesen, Herr McAllister, und musste feststellen, dass Herr Schünemann natürlich die Bauern von der Bäuerlichen Notgemeinschaft meinte, die Haus, Hof und ihre Heimat verteidigen.
Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine Unverschämtheit. Dafür sollten Sie sich wirklich schämen!
Unsere Generation muss die Kraft finden, diesen Konflikt zu lösen. Aber eine Lösung ist nur möglich, wenn wir die Fehler unserer Väter und Großväter korrigieren. Legen Sie endlich die Akten der Geschichte Gorlebens offen, die bis jetzt noch unter Verschluss sind!
Herr Ministerpräsident, vielleicht hören Sie ja im Off zu: Leisten Sie endlich einen Beitrag zu einer politischen Lösung! Räumen Sie Ihre Denkblockade! Setzen Sie sich für einen unbefristeten Bau- und Erkundungsstopp in Gorleben ein! Setzen Sie sich für eine ergebnisoffene, nationale Endlagersuche in allen geologischen Formationen ein! Unsere Demokratie wird Schaden nehmen, wenn solche Dinge weitergetrieben werden, ohne dass ernsthaft nach politischen Lösungen gesucht wird.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sander, schön, dass Sie da sind. Ich möchte Ihnen heute nämlich ausdrücklich einmal zustimmen, und zwar in dem, was Sie gestern erklärt haben. Ich sage auch gerne, warum: Gestern hat der Minister für die FDP erklärt, dass man den Menschen im Wendland und in Niedersachsen Transporte dieser Art nicht mehr zumuten kann und dass endlich Alternativen auf den Tisch müssen. Dem kann ich nur zustimmen.
Herr Sander, ich weiß zwar nicht, woher dieser Sinneswandel kommt. Vielleicht haben Sie auch noch die Vorkommnisse in der Asse vor Augen, vielleicht haben auch Sie sich über Morsleben so aufgeregt wie ich, vielleicht haben Sie es aber auch gar nicht ernst gemeint. Aber das, was Sie gestern in der HAZ erklärt haben, ist wirklich richtig.
Die große friedliche Demonstration in Gorleben - übrigens die größte, seit es die Transporte nach Gorleben gibt - hat das noch einmal sehr deutlich unterstrichen: Es muss einen Ausstieg aus der Atomenergie geben. Die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort für den Müll, der schon angefallen ist und der noch anfallen wird, muss von vorne beginnen.
Dabei müssen Standards angewandt werden, wie sie international - in England, in Frankreich, in der Schweiz und auch anderswo - schon gelten und angewandt werden. Das ist eine nationale Aufga
be. Deutschland muss diese Regelungen beachten, sonst laufen wir in eine Sackgasse und würden in 15 oder 20 Jahren feststellen - so lange würde es nämlich noch dauern, bis es für Gorleben ein Planfeststellungsverfahren gäbe -, dass das rechtswidrig ist. Dann müssten wir von vorne anfangen. Das, meine Damen und Herren, können Sie nicht ernsthaft wollen, wenn Sie es mit der Endlagerfrage ernst meinen.
Wir haben jetzt auch die Zeit dafür. Sie wissen es sicherlich: Der Müll, der jetzt in den Atomkraftwerken und den vielen Zwischenlagern steht, ist noch so heiß, dass er gar nicht eingelagert werden kann. Er braucht noch 20 bis 30 Jahre, bis er auf eine Temperatur von ungefähr 200 °C abgekühlt ist. Erst dann wäre er einlagerungsfähig. Da können Sie noch so viel diskutieren, das ist Physik. Das kriegen Sie nicht anders geregelt.
Der Protest der Menschen am vergangenen Wochenende hat es gezeigt: Der Standort Gorleben ist so nicht durchsetzbar. Die unverantwortlichen Ankündigungen von Frau Merkel, Herrn Pofalla und anderen haben die Menschen massiv betroffen gemacht und förmlich auf die Straße getrieben. Das jetzt gewählte Standortverfahren darf man den Menschen nicht mehr zumuten. Es müssen Alternativen untersucht werden.
Wie das gelingen kann, Herr Klare, hat das Bundesumweltministerium 2006 schon ermittelt. Es liegt eine Studie vor, die das Verfahren beschreibt. Wenn auch Sie Verantwortung übernehmen wollen, dann haben Sie die Chance, sich dem anzuschließen und entsprechend zu handeln.
Herr Sander, wir haben das für Sie extra noch einmal kopiert. Dann können Sie nicht nur Herrn Wulff von Ihrer Position überzeugen, sondern vielleicht auch zusammen mit Herrn Hirche Ihre Parteifreunde in Bayern und Baden-Württemberg überzeugen. Das wäre wirklich eine lohnenswerte Aufgabe für die F-Länder. Hierbei könnten Sie einmal Flagge zeigen. Wenn Sie es ernst meinen, wenn Sie Verantwortung übernehmen wollen für die Menschen in Niedersachsen, dann dürfen Sie Niedersachsen nicht zum Atomklo werden lassen.
(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Gibt es denn noch SPD in den Ländern?)
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich mich noch bei der Polizeidirektion Lüneburg, bei der Gesamteinsatzleitung, bei den Landespolizeien und auch bei der Bundespolizei bedanken. Die Einsatzstrategie ist aufgegangen: Trotz der größten Proteste, die wir jemals in Zusammenhang mit Transporten erlebt haben, ist der überwiegende Transport friedlich verlaufen. Dafür ganz herzlichen Dank!