Protocol of the Session on October 9, 2008

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, ich habe schon gesagt: Jeder muss selbst entscheiden, wo er sein erspartes Geld anlegt, ob er es sicher in ganz normalen Spareinlagen anlegt, ob er es als Tagesgeld anlegt oder ob er es auf dem Girokonto belässt, weil er es schnell verfügbar haben will. Ich bin auch nicht Ihrer Überzeugung, dass der Markt hier völlig versagt hat. Wir haben in Deutschland und damit in Niedersachsen einen Markt, der hervorragend arbeitet. Die Privatbanken sprechen ja von „overbanked“. Das heißt, dass wir sogar zu viele Banken haben. Konkurrenz ist doch für die Kunden das Beste, was ihnen passieren kann. Sie können es sich also aussuchen und sozusagen nach ihrer eigenen Fasson selig werden.

Man muss nur jedem Einzelnen deutlich sagen - das wird ja auch von den Privatbanken kritisiert -, dass die Renditen der Sparkassen im Weltvergleich zu gering sind. Das ist auch richtig, weil die Sparkassen eben Sparguthaben einsammeln und das Geld an Mittelständler wieder auslegen. Damit

kann man natürlich keine Kapitalrendite von 25 %, sondern nur eine angemessene Rendite erzielen, was ja auch beabsichtigt ist. Dafür sind die Anlagen dort aber relativ risikofrei und damit relativ sicher.

Wer allerdings meint, er müsse sein Geld, sein Aktienkapital, also sein Eigentum in Banken stecken und von denen eine 25-prozentige Kapitalrendite erwarten, dann muss jeder auch wissen, dass man solche Renditen mit eigener Hände Arbeit nicht erwirtschaften kann. Solche Renditen können nur spekulativ erwirtschaftet werden, sprich: durch Wetten. Wer aber wettet, muss wissen: Beim Wetten kann man auch verlieren. Man muss immer einen finden, der gegen einen wettet, und es wettet nur jemand gegen einen, weil er hofft zu gewinnen. Das ist nun einmal das System der Wette. Wenn man niemanden findet, hat man sein Geld nicht verloren, man kann aber auch nicht gewinnen. Deshalb wird es keine gesetzliche Renditebegrenzung geben können. Denn es gibt Jahre, in denen die Geschäfte aufgrund von Umständen, die man möglicherweise gar nicht beeinflussen kann, hervorragend laufen, und es wird Jahre geben, in denen sie ganz schlecht laufen, ohne dass man das selbst beeinflussen kann. Dann kann man nur die Verluste bzw. den Schaden minimieren.

Wir werden also auf niedersächsischer Ebene keine Gesetzesinitiative anstoßen. Der Geldmarkt ist global. Wir sind eine offene Gesellschaft, wir sind ein offenes Land.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie kön- nen ja auf Bundesebene eine ansto- ßen!)

- Sie werden auch um die Bundesrepublik Deutschland keinen Zaun ziehen können und nicht sagen können: Hier kommt kein Geld mehr durch.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Also wollen Sie gar nichts tun!)

- Nein, ich will keine Gesetzesinitiative anstoßen. Wir müssen die Überprüfungen auf europäischer Ebene verstärken und vereinheitlichen. Aber auf Bundesebene jemandem zu verbieten, Geld zu verdienen, werden wir jedenfalls von unserer Seite aus nicht in Betracht ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Jüttner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Frage zum kommunalen Finanzgebaren. Wir haben eben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass unter den 140 Kommunen in Deutschland, die Teile ihrer Infrastruktur in die USA verkauft haben, keine niedersächsische Kommune ist. Herr Möllring oder Herr Schünemann, können Sie ausschließen, dass sich Kommunen in Niedersachsen an Finanzspekulationen beteiligt haben? Wenn nein, welche Folgewirkungen kann das für einzelne Kommunen und das Land insgesamt haben?

Herr Minister Schünemann, bitte!

Das Innenministerium hat schon früher, als die Bezirksregierungen noch existierten, die Kommunen über die damalige Kommunalaufsicht darüber informiert, welche Risiken mit solchen Spekulationen verbunden sind. Deshalb gehen wir davon aus, dass in Niedersachsen keine Kommune betroffen ist. Das habe ich dargestellt. Hier ist ausgeführt worden, dass es in einem Fall so sein soll. Dem werden wir nachgehen. Uns liegen jedenfalls keine Erkenntnisse darüber vor. Wir haben immer wieder vor diesen Geschäften gewarnt. Die entsprechenden Erlasse können wir auch zur Verfügung stellen.

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Abgeordnete König von der Fraktion DIE LINKE.

(Marianne König [LINKE]: Ich ziehe zurück! Die Frage ist gestellt!)

Dann erteile ich dem Abgeordneten Tanke von der SPD-Fraktion das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.

Herr Präsident! Herr Minister Möllring, vor dem Hintergrund, dass Ihr Appell heute Morgen, sich gemeinsam für den Erhalt des Drei-BankenSystems einzusetzen, Beifall bei vier Fraktionen dieses Hauses, aber nicht bei der FDP-Fraktion gefunden hat,

(Heinz Rolfes [CDU]: Das stimmt ja gar nicht!)

frage ich Sie: Sind Sie auch bereit, diese sachlich berechtigte Forderung mit anderen gegen Ihren Koalitionspartner durchzusetzen?

(Zustimmung bei der SPD - Wilhelm Heidemann [CDU]: Das war eine Weltmeisterfrage! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja ein Spalter! - Weite- re Zurufe von der CDU - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Tanke, der stellvertretende Ministerpräsident hat mir eben mit auf den Weg gegeben, dass die FDP selbstverständlich zum Sparkassensystem steht und es daran gar keinen Zweifel geben kann.

(Zustimmung bei der FDP - Heinz Rol- fes [CDU]: Die haben das Gesetz mit beschlossen!)

Ansonsten achte ich nicht so sehr darauf, Herr Tanke, woher der Beifall kommt. Hauptsache, er kommt!

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP - Detlef Tanke [SPD]: Gilt das auch für die Linken?)

Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hilbers von der CDU-Fraktion.

Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass heute im Handelsblatt zu lesen war, dass der EU-Binnenmarktkommissar vorschlägt, auch für Derivate die Bilanzierungsrichtlinien dergestalt zu ändern, dass bei der Bilanzierung nicht das strenge Niederstwertprinzip angewandt wird, sondern der Anschaffungspreis zugrunde gelegt wird: Leidet darunter nicht die Risikoabschirmung in den Banken, weil dann zukünftig Risiken möglicherweise nicht ausgewiesen werden?

(Heinz Rolfes [CDU]: Das war die Frage eines Fachmannes!)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hilbers, ich habe das vorhin schon angedeutet. Wenn immer das Niederstwertprinzip angewandt wird, dann kann das zu Abschlägen in der Bilanz führen, die an sich nicht gerechtfertigt sind. Wenn ich ein Derivat oder Wertpapier mit einer gewissen Laufzeit habe und überhaupt kein Zweifel daran besteht, dass derjenige, der dieses Derivat oder Wertpapier herausgegeben hat, am Ende der Laufzeit auch zahlen wird, dann besteht für mich kein Risiko. Wenn auch keine Leistungsstörung auftritt, also die Zinsen auf dieses Derivat oder Wertpapier regelmäßig gezahlt werden, dann gibt es überhaupt keinen Anlass, das abzuwerten. Aber nach den neuen Richtlinien werden dafür Marktwerte ermittelt. Dann kann es sein, dass diese Papiere zu bestimmten Zeiten nicht mehr gekauft werden, weil niemand Geld investieren kann, das er nicht hat. Ich aber, der ich weiß, wer mein Partner ist, mit wem ich den Kontrakt gemacht habe, habe Vertrauen und will die Papiere gar nicht verkaufen. Wenn sie aber dann irgendjemand Mark to Market verkauft - ich habe das am Beispiel der VW-Aktie dargestellt -, dann muss auch ich plötzlich meine Papiere abwerten, obwohl ich dazu gar keinen Anlass habe. Wenn solche Papiere überproportional abgewertet werden, dann führt das zu der widersinnigen Situation, dass plötzlich im ersten Quartal - denn wir müssen ja auch die Quartalsmeldungen machen -, in dem die Papiere abgewertet werden müssen, Riesenverluste eingefahren werden. Denn die Gewinne, die dagegenstehen, müssen in zwölf Monaten erwirtschaftet werden. Das führt zu völlig falschen und schiefen Bilanzierungen und ist in der Außendarstellung sehr problematisch.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Die an- dere Sache geht auch nicht! Das ist doch ein Grund, das so zu regeln!)

- Es gibt immer Gründe, etwas so zu regeln. Aber man muss sich immer den Einzelfall angucken. Hier wurde das Beispiel angeführt, dass wir unsere Flugzeugfinanzierungen bei der NORD/LB abwerten mussten, dass wir Einzelwertberichtigungen machen mussten. Ein halbes Jahr später mussten wir sie wieder aufwerten. Es bestand überhaupt kein Risiko, aber insgesamt war die Einschätzung der Ratingagenturen schlechter. Wir mussten in der Bilanz Verluste ausweisen, und ein halbes Jahr später mussten wir wieder Gewinne ausweisen, also eine Aufwertung vornehmen. An diesem

Beispiel zeigt sich, dass das nicht richtig sein kann. Das muss man wirklich im Einzelfall prüfen.

Herr Sohn ist heute Morgen zu mir gekommen und hat mich gelobt - das ist ihm ganz peinlich gewesen, wie Herrn Tanke auch -, weil wir in Niedersachsen keine Cross-Border-Leasing-Geschäfte haben. So könne er gar keinen Angriff gegen diese Regierung führen, das sei ärgerlich. - Ich kann es nicht ändern, wenn das Lob mal von der linken Seite kommt. Ich kann ihn ja schlecht wegschicken.

(Detlef Tanke [SPD]: Also machen Sie doch noch einen gemeinsamen An- trag!)

- Wenn auch andere Parteien als die, der man selbst angehört, zu der Überzeugung kommen, dass das, was wir machen, richtig ist, warum sollen sie es dann nicht sagen? Am besten ändern sie sich dann noch.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann können wir einen gemeinsamen Antrag machen!)

Die Abgeordnete Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE möchte zwei Zusatzfragen stellen. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Möllring, aus Ihren Antworten auf zwei Fragen in Bezug auf das Problem des Verkaufs von Lehman-Brothers-Papieren an Privatanleger bei der Sparkasse Hannover habe ich geschlossen, dass Sie keine genaueren Informationen über die Dimensionen in Niedersachsen haben und die Verantwortung hauptsächlich den Privatanlegern zuschieben. Dazu habe ich zwei Fragen.

Erstens. Sehen Sie überhaupt eine Notwendigkeit für öffentlich-rechtliche Institute, mit solchen Risikopapieren zu handeln?

Zweitens. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Verkauf und den Handel mit Risikopapieren - z. B. mit Derivaten - im öffentlich-rechtlichen Raum insgesamt einzuschränken oder zu verbieten?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, Sie haben ja mit applaudiert, als ich mich für das Bankensystem mit öffentlich-rechtlichen Banken - Sparkassen und Landesbanken -, Genossenschaftsbanken und Privatbanken eingesetzt habe. Wenn wir dieses System und die damit verbundene Konkurrenz haben wollen und auch wollen, dass die Kunden die Möglichkeit haben, sich für verschiedene Institute oder Organisationsformen zu entscheiden, dann müssen natürlich auch die Finanzdienstleistungen an allen Instituten gleichmäßig angeboten werden. Ich habe in diesem Zusammenhang nicht gesagt, dass ich irgendetwas billige oder missbillige, weil ich darüber nichts weiß. Dabei geht es um Gespräche zwischen dem Anlageberater und dem Kunden. Den Bericht über die Sparkasse Hannover habe ich auch in der Zeitung gelesen. Aber es ist nicht Sache der Sparkassenaufsicht, Einzelgeschäfte zu bewerten. Dazu kann ich nur sagen: Ich weiß nicht, wie da die Beratung gelaufen ist. Wenn die Kundin oder der Kunde auf das Risiko hingewiesen worden ist, das bei solchen Papieren größer ist - allerdings ist bei diesen Papieren auch die Gewinnerwartung größer als beim normalen Sparbuch -, dann ist es die Entscheidung der Kundin bzw. des Kunden. Sollte es anders gelaufen sein, wie es heute in der Bild-Zeitung steht - der Bericht bezog sich aber nicht auf die Sparkasse Hannover, sondern auf ein nicht genanntes Institut; es hat jemand behauptet, ohne dass ein Gegenbeweis hätte angetreten werden können, der Berater habe das Papier als absolut sicher bezeichnet -, sollte also der Berater eine Falschberatung durchgeführt haben und man dies nachweisen können, was im Rechtsstaat auch immer noch erforderlich ist, dann müsste dieses Institut mit Sicherheit haften.

Deshalb habe ich gesagt, dass sich jeder Privatkunde, jeder Mensch, der Geld anlegen will, überlegen muss, welches Risiko er einzugehen bereit ist. Je geringer das Risiko ist, desto geringer ist auch die Gewinnerwartung. Meine Eltern hatten ein bisschen Geld auf dem Sparbuch und wurden immer dahin gehend beraten, sie sollten mit dem Geld etwas Vernünftiges machen. Sie haben dann immer gesagt, das wollen sie nicht, davon verstehen sie nichts, das Sparbuch reicht. Die Anlageberater haben alle mit dem Kopf geschüttelt. Aber meine Eltern haben es eben so gemacht, wie ich es eben geschildert habe. Dadurch konnte ich noch ein paar Euro erben. Ich kann also nur jedem empfehlen, der etwas vererben will, das Geld si

cher anzulegen. Wer allerdings eine hohe Rendite realisieren will, muss eben zocken.

Wir werden nicht das Sparkassengesetz dahin gehend ändern. Das habe ich, glaube ich, am Anfang gesagt.

(Zuruf von Christa Reichwaldt [LIN- KE])

- Es ist richtig, im konservativen Raum gibt es immer wieder die Forderung, Leerverkäufe usw. zu verbieten. Darüber kann man natürlich lange diskutieren. Leerverkäufe sind - Herr Ehlen ist nicht da - in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten üblich. Die Buddenbrooks sind daran kaputtgegangen, dass sie den Weizen auf dem Halm gekauft hatten und nicht gegen Hagel versichert waren. Sie sehen, das ist schon bei Thomas Mann ein Problem gewesen. Wenn Sie sich mit der heutigen Landwirtschaft beschäftigen würden, wäre Ihnen bekannt, dass viele Landwirte einen Teil ihrer Ernte bereits im Januar oder bei der Aussaat verkaufen, weil sie eine Sicherheit haben wollen. Jeder Unternehmer - in diesem Fall der Landwirt - muss für sich selber entscheiden, welches Risiko er eingeht. Wenn er zu einem guten Preis verkauft hat und der Preis sinkt, dann hat er Glück gehabt. Wenn der Preis steigt, dann hat er Sicherheit eingekauft, aber seine Rendite nicht so hochgetrieben. Das ist natürlich auch in Finanzmärkten nicht ganz zu verbieten. Auch wenn wir es hier in Deutschland oder Niedersachsen verbieten wollten: Die Geschäfte sind ja zum Teil auf den Kaimaninseln, auf den Bahamas und sonst wo gemacht worden. Man darf nicht glauben, der Einzelne wäre geschützt, wenn wir hier irgendetwas verbieten würden. Wir befinden uns in einer weltumspannenden Wirtschaft. Wir sind Exportweltmeister. Dazu gehört auch, dass unsere Finanzdienstleistungen weltumfassend sein müssen. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Sie können nicht einen Zaun um Deutschland ziehen oder eine Käseglocke über unser Land stülpen und alles nur in Deutschland machen wollen. Diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei.