Protocol of the Session on October 7, 2008

Ich muss mich kurz fassen. Deshalb will ich zum Abschluss nur noch kurz auf die Demografierendite eingehen. Meine Damen und Herren von der Opposition, schauen Sie in unseren Haushaltsplan! Die Vorredner haben das schon gesagt. Dort ist das genau verankert. Wir behalten die Demografierendite tatsächlich im Bildungssystem. Wenn Sie das aber auf der Bundesebene betrachten, dann bitte ich Sie, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass unsere Länder unterschiedlich sind. In Hamburg gibt es keine Demografierendite, während es in anderen Ländern eine große Demografierendite gibt, die aber weiter investiert werden soll, z. B. in den neuen Bundesländern, um dort ein System überhaupt aufrechterhalten zu können, das vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung doch sehr gefährdet ist. Das ist auch ein gesamtstaatliches Interesse.

Wir haben diesen Bereich differenziert zu betrachten. Genauso differenziert sollte Politik gestaltet werden. Für Niedersachsen wird sie sehr gut gestaltet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu Punkt 1 c unserer Tagesordnung liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich eröffne deshalb die Diskussion zu Tagesordnungspunkt 1 d:

Ob Google, Telekom oder Vorratsdatenspeicherung - Datenschutz ist wichtig, nicht lästig - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/526

Als Erster hat sich Herr Dr. Rösler zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bürgerrechte werden häufig als Anspruchsrechte des Einzelnen an den Staat missverstanden. Aus unserer Sicht sind es keine Anspruchsrechte, sondern es sind allzu häufig Abwehrrechte, also sind es Freiheitsrechte für den Einzelnen. Zu diesen Rechten zählen wir als Liberale auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also den Datenschutz. Der Schutz der Daten von uns allen ist ein wesentliches Gut, das es gerade in der heutigen Zeit in besonderer Weise zu stärken gilt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dass die Notwendigkeit hierfür besteht, erkennen Sie schon daran, dass man politisch darüber diskutieren muss, z. B. bei dem Gesetzgebungsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung. Aber das gilt genauso auch für den privatwirtschaftlichen Bereich, wie die vielen Datenklauskandale - aktuell bei der Deutschen Telekom - zeigen.

Die Große Koalition in Berlin, aber auch große Konzerne weltweit verstehen den Datenschutz allzu häufig eher als lästiges Übel, anstatt dies als ein wesentliches Recht der Bürger, aber auch der Kunden und Verbraucher richtig anzuerkennen, zu würdigen und zu respektieren.

(Beifall bei der FDP und bei der LIN- KEN)

Unser Plädoyer für mehr Datenschutz ist also nicht nur ein Kampf gegen die um sich greifende Datensammelwut des Staates, z. B. bei der Vorratsdatenspeicherung, sondern dieses Plädoyer gilt natürlich auch für den privatwirtschaftlichen Bereich; denn im nicht öffentlichen Bereich kommt der Da

tenschutz gerade in der aktuellen Diskussion leider viel zu kurz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn sich Herr Obermann als Chef der Telekom hinstellt und behauptet, dass durch den aktuellen Skandal keiner seiner Kunden zu Schaden gekommen sei, aber gleichzeitig das Bundeskriminalamt über einzelne Kunden Gefährdungsanalysen ausführen muss, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigt das doch sehr deutlich, dass Herr Obermann - die Deutsche Telekom - nichts mehr mit Glaubwürdigkeit im Datenschutz zu tun hat und überhaupt kein Problembewusstsein hat. Ich finde, das sollten wir alle gemeinsam ändern.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der LINKEN)

Natürlich müssen wir Datendieben das Handwerk legen; denn personenbezogene Daten sind nicht nur genauso wertvoll wie allgemeine Waren, beispielsweise im Einzelhandel, sondern sie sind wertvoller. Nur leider sind solche Waren wesentlich besser geschützt als unsere Daten. Dieses Missverhältnis sollten wir gemeinsam auflösen, meine Damen und Herren.

Das Bundesdatenschutzgesetz stammt noch aus dem Jahre 1977, also aus einer Zeit, als Computer so groß waren wie Kühlschränke - oder noch größer -, aus einer Zeit, in der man Rabattmarken noch von Hand in bunte Heftchen geklebt hat. Dass man dann heute die Missbrauchsgefahr von Payback-Karten und Kreditkarten, aber auch der Gesundheitskarte unterschätzt, meine Damen und Herren, überrascht dann nicht.

Ein wesentlicher Beitrag, eine wesentliche Forderung von uns Liberalen ist, dass alle personenbezogenen Daten, die für Werbung genutzt werden sollen, vorher einer Einverständniserklärung des jeweils Betroffenen bedürfen sollen. Das wäre, glaube ich, ein richtiger und sinnvoller Schritt in Richtung auf mehr Datenschutz, auch für den betroffenen Einzelnen.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt dann auch für Bilddaten, wie sie z. B. für Google Streetview momentan flächendeckend in Deutschland aufgenommen werden. Wenn dann dieser Einverständnisvorbehalt möglicherweise dazu führt, dass gar keine Bilder von Personen mehr ins Internet eingestellt werden dürfen, dann wäre das auch nicht schlimm. Aus unserer Sicht

reicht die reine Unkenntlichmachung von Gesichtern im Sinne des Datenschutzes jedenfalls nicht aus. Dann gibt es eben keine Bilder von Menschen im Internet bei Google Earth oder Streetview. Ich finde, das wäre nicht weiter schlimm. Im Gegenteil, es wäre wichtig, diesen mutigen Schritt im Interesse des Datenschutzes von uns allen zu zeigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn am Ende kann Datenschutz nur erfolgreich sein, wenn jeder Einzelne von uns erkennt, dass er es durch solche Vorbehaltsregelungen selbst in der Hand hat, ob sein Leben zunehmend ausgeforscht, aufgezeichnet und gespeichert wird. Datenschutz ist jedenfalls aus unserer Sicht kein Übel, sondern gerade als Freiheitsrecht für jeden Einzelnen von uns wichtig.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass die FDP das Thema Datenschutz heute zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gemacht hat. Die Bundesrepublik ist momentan tatsächlich zu einem Datensaustall geworden. Das Grundrecht - es ist ein Grundrecht; Herr Rösler hat das betont - auf informationelle Selbstbestimmung wird in diesem Land mittlerweile mit Füßen getreten.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Mal halblang!)

Dabei ist es ganz egal, ob man die Konzerne oder ob man den Staat anspricht; darauf komme ich gleich noch. Bei Lidl hatten wir einen großen Abhörskandal. Arbeitnehmer oder auch Privatkunden wurden da ausgespäht. Wer mit seiner Kundenkarte bezahlt hat, konnte nicht sicher sein, ob die PIN nicht sogar abgefilmt worden ist. Die Telekom steht momentan sehr stark in der Kritik, weil sogar Vorstände und Journalisten abgehört worden sind. Es gibt momentan das Phänomen, dass Callcenter oder Glücksspielanbieter sogar Kontodaten zu sehr lukrativen Preisen verkauft haben und deswegen ungerechtfertigt Abbuchungen von den entsprechenden Privatkonten getätigt worden sind. Ein großer Internetkonzern, Google - das wurde

gerade schon angesprochen -, filmt ganze Straßenzüge ab und stellt das ins Internet, wodurch weltweit die Anonymität in Frage gestellt wird. Wir brauchen tatsächlich höchst dringend eine Revitalisierung, ja sogar eine Reanimation eines sterbenden Verfassungsrechts. Der Datenschutz in der Bundesrepublik liegt momentan auf der Intensivstation.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir in diesem Landtag darüber diskutieren, ist natürlich die Frage: Was haben unsere Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in den letzten Jahren faktisch und praktisch für den Datenschutz getan?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Sigrid Leuschner [SPD]: Was haben sie gemacht?)

Ich finde, es ist keine gewagte These zu behaupten, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen der Schnüffelei und dem Abhören der Privatwirtschaft in nichts nachstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Es ist wirklich die entscheidende Frage: Wer treibt es in dieser Republik momentan eigentlich bunter, die Obermänner oder die Schünemänner?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Rösler, ich möchte Sie einmal daran erinnern: Wer hat denn das Polizeigesetz mit der Möglichkeit des präventiven Abhörens als das liberalste Polizeigesetz aller Länder hier verabschiedet? Wer hat es gemacht?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wer hat vor kurzem im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung einer Ausweitung der Videoüberwachung - ähnlich, wie Google sie durchführt - zugestimmt?

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Nein, nein!)

Wer hat das zu verantworten? Wer plant zurzeit eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes, um noch einmal eine Attacke auf die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger vorzunehmen?

Wer plant das momentan? Ja, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Wir sind gegen Ter- roristen!)

Ich finde es wirklich äußerst scheinheilig, dass Sie sich jetzt hier als oberste Datenschützer hinstellen. Was Sie hier dargelegt haben, das glaubt Ihnen doch kein Mensch. Was haben Sie, insbesondere Sie von der FDP, konkret in den letzten fünf Jahren für mehr Bürgerrechte in Niedersachsen gemacht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle von uns eingebrachten Einträge für mehr Privatrechte und mehr Bürgerrechte haben Sie sang- und klanglos abgelehnt. Immer war der Hilfssheriff Bode dabei, der gesagt hat: Das brauchen wir alles nicht. - Z. B. erleichterter Bürgerentscheid, Informationsfreiheitsrechte oder auch schlagkräftige Verbraucherzentralen, was für den Datenschutz nicht ganz unwichtig ist - nichts davon haben Sie mitgetragen, alles haben Sie abgelehnt. Wissen Sie, was wirklich das Tollste ist? Der Datenschutzbeauftragte in Niedersachsen ist der am miesesten ausgestattete in der gesamten Republik. Das ist der Datenschutz der FDP in Niedersachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich kann bei dem, was Sie hier in den letzten fünf Jahren gemacht haben, nur eines erkennen: immer mehr Verfassungsschutz, immer weniger Datenschutz. Das ist die Politik der ehemaligen Bürgerrechtspartei und Rechtsstaatspartei FDP zu diesem Thema. Angesichts dieser Bilanz, angesichts der blamablen Leistung in den letzten fünf Jahren sollten Sie sich zu diesem Thema wirklich nicht noch einmal zu Wort melden.