Protocol of the Session on December 6, 2012

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle Ihnen heute die Antwort auf die Große Anfrage „Muslimisches Leben in Niedersachsen“ vor.

Frau Polat, noch ein Hinweis für Sie: Die Landesregierung antwortet, nicht ein Einzelner wie Schünemann, Özkan oder vielleicht noch andere Vertreter. Richtig ist: Die Antwort ist gemeinsam von den Ministerien erarbeitet worden. Aber das sollte Ihnen bekannt sein. Sie sind ja schon länger im Landtag.

Die Zahl der Musliminnen und Muslime bei uns in Niedersachsen ist in den letzten Jahren auf über 250 000 gestiegen. Ihre Integration hat für die Landesregierung einen besonderen Stellenwert, wobei ich klarstellen möchte: Nicht alle Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind Muslime, wie auch ich, so wie umgekehrt nicht alle Muslime einen Migrationshintergrund haben.

Meine Damen und Herren, der Landesverband der Muslime in Niedersachsen, die Schura, hat unlängst gesagt - ich zitiere -:

„Wir sind in einer Situation, in der wir uns wohlfühlen.“

Über diese Feststellung habe ich mich, haben sich viele Mitglieder der Landesregierung und sicherlich auch noch andere sehr gefreut. Sie zeigt nämlich: Die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und den muslimischen Verbänden in Niedersachsen funktioniert.

(Zustimmung von Gudrun Pieper [CDU] und Jan-Christoph Oetjen [FDP])

Gemeinsam mit den muslimischen Verbänden haben wir - vielleicht besser als in manch anderem Bundesland - erreicht, dass sich Muslime bei uns in Niedersachsen wohlfühlen und dass sie ein Teil der Gesellschaft sind. Dies zeigt sich auch in vielen Maßnahmen, Veranstaltungen und Aktionen, die wir mit den muslimischen Verbänden durchführen. Ich möchte nur die Maßnahmen erwähnen, die wir mit der DITIB und anderen Verbänden machen. Die nächste Maßnahme wird demnächst eine z. B. zur Organspende sein.

Wir haben in unseren gemeinsamen Gesprächen viel auf den Weg gebracht. Lassen Sie mich dies an zwei sehr konkreten Beispielen kurz darstellen.

Erstens. Wir haben mit Beginn des Wintersemesters 2012 die Ausbildung von Imamen an der Universität Osnabrück ermöglicht.

Zweitens. Ab dem Sommer 2013 wird in Niedersachsen erstmals islamische Religion als ordentliches Unterrichtsfach erteilt. Damit sind wir in ganz Deutschland Vorreiter.

Diese Beispiele machen deutlich: Wir sind auf einem guten und vor allen Dingen auch fortgeschrittenen Weg. Trotzdem - dies sage ich hier ganz deutlich - bleibt natürlich noch einiges zu tun.

Wir haben bereits vereinbart, unsere Gespräche themenbezogen und in bewährter Zusammenarbeit fortzusetzen. Dazu haben wir mit den zuständigen Ministerien und Ministern sowie mit den beiden großen muslimischen Verbänden vor einigen Wochen zusammengesessen. Wir haben uns sehr genau angeguckt, in welchen Lebensbereichen und Fragen wir die Gespräche und Verhandlungen, die wir, wie Sie schon gesagt haben, vor vielen Jahren begonnen haben, fortsetzen werden.

Wir werden auch weiterhin praktische Lebenssituationen pragmatisch angehen, sei es die Frage der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge, sei es der Einsatz von Erzieherinnen muslimischen Glaubens, oder sei es die Feiertagsregelung. Das, was Sie gerade als Vertrag oder Vereinbarung bezeichnet haben, regelt nämlich genau diese praktischen Lebenssituationen.

Es ist uns eine Herzensangelegenheit - besonders mir als Ministerin mit Migrationshintergrund, auch als muslimischer Ministerin -, auf Augenhöhe mit den Musliminnen und Muslimen Zukunftsfragen zu

diskutieren - nicht über sie, sondern mit ihnen -, sie zu lösen und verbindlich umzusetzen. Es zählen gute Ergebnisse, die wir bisher immer erzielt haben. Das lassen wir uns auch nicht schlechtreden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Entscheidend ist, dass wir die Zukunft gemeinsam gestalten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung gibt die Antworten auf die Große Anfrage nach bestem Wissen und nach dem aktuellen Stand. Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Antworten so engagiert innerhalb kürzester Zeit zusammengetragen haben, möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt der Kollegin Frau Dr. Lesemann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Auch ich schließe mich dem Dank meiner Vorrednerin an die beteiligten Ministerien an.

Vorweg: Die Große Anfrage zeigt, dass es keinen Grund zum Jubeln gibt. Die Landesregierung kooperiert mit den muslimischen Verbänden und auch mit den Muslimen nämlich nicht auf Augenhöhe. Insbesondere das Agieren des Innenministers verunsichert und verletzt immer wieder viele Muslime in Niedersachsen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich nenne hier nur einmal die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen, das Antiradikalisierungsprogramm und die Diskreditierung des hannoverschen Stadtteils Linden, in dem eine schleichende Islamisierung festgestellt wurde - angeblich.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das gehört zum Dialog auf Augenhöhe! - Helge Lim- burg [GRÜNE]: Darauf ist die Ministe- rin überhaupt nicht eingegangen!)

Im Sommer veröffentlichte das Innenministerium eine Broschüre, die von Muslimen als „IslamistenCheckliste“ kritisiert wurde. Die breite Masse der Muslime in Niedersachsen wird durch solche Aktivitäten unter Generalverdacht gestellt, pauschal

vorverurteilt und politischem Populismus ausgeliefert. Das hilft bei Gott nicht weiter.

Wie es besser geht, zeigt Hamburg. Hier schlossen Hansestadt und muslimische Verbände einen Vertrag. Dieser Vertrag wurde weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus und sogar international als wegweisend gerühmt.

Einen ähnlichen Vertrag - das sagte bereits Frau Polat - lehnt Niedersachsen jedoch ab. Übrigens hat der Exministerpräsident Wulff einen solchen Staatsvertrag einst in Aussicht gestellt. Sein Nachfolger David McAllister hatte Verhandlungen angeboten. Daraus wird nun aber nichts. Ziel der Landesregierung sei es jedoch - Zitat -, „Lösungsansätze für klärungsbedürftige Fragen im Integrationsprozess zu erarbeiten und sie schriftlich festzuhalten“,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wie gnädig!)

wie etwas verschwiemelt formuliert worden ist.

Der Hamburger Vertrag formuliert gemeinsame Werthaltungen des Senats und der Muslimverbände zur Menschenwürde, zur Rechstaatlichkeit und zur Demokratie, zur Ächtung von Gewalt und zur Diskriminierung, aber auch das Bekenntnis zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern. Ich finde, das sollte auch in Niedersachsen möglich sein. Das geht nämlich weit über symbolhafte Erklärungen hinaus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dass eine rechtliche Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften von dieser Landesregierung nicht gewünscht wird, beweist auch das Thema Medien. Die muslimischen Verbände würden nämlich gern einen Sitz im Rundfunkrat des NDR haben. Diese Landesregierung wird hierfür aber offensichtlich nichts unternehmen, obwohl entsprechende Prüfungen zurzeit z. B. beim Südwestrundfunk und auch bei Radio Bremen laufen. Eine Handlungsmotivation für sich leitet diese Landesregierung aber nicht daraus ab. Wie man das machen kann, zeigt Hamburg. Öffentlichrechtliche und private Rundfunksender sollen Muslimen künftig Sendezeiten für Verkündungen und Seelsorge einräumen und diese in den Aufsichtsgremien angemessen vertreten sein lassen.

In Niedersachsen leben mehr als 200 000 Muslime. Ein Vertrag nach Hamburger Vorbild ist ein starkes Signal, das über Symbolpolitik hinausgeht. Er ist nämlich ein ganz wichtiger Schritt für Aner

kennung, Teilhabe und Partizipation. Das werden wir 2013 auch umsetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Böhlke das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zu Beginn zunächst einmal ganz herzlich Dank sagen für die Erarbeitung der Antworten auf die Große Anfrage.

(Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Gleichzeitig möchte ich deutlich machen, Herr Kollege, dass dieses Thema auch immer wieder Integration fordert. Man könnte immer wieder betonen, dass das Thema Integration auch bei der Sozialpolitik im Vordergrund steht, wobei deutlich darauf hinzuweisen ist, dass die große Mehrzahl der Migrantinnen und Migranten in Deutschland und auch in Niedersachsen muslimischen Glaubens ist.

Ich möchte Ihnen und mir Zahlen hierzu ersparen; denn die sollten uns allen hinlänglich bekannt sein. Eines möchte ich zu Beginn aber dennoch deutlich hervorheben: Wir unterscheiden bei den Migranten nicht nach Geschlecht, Alter, Sprache oder sonstigen Aspekten. Insbesondere nehmen wir auch keine Differenzierungen hinsichtlich der Religion von Menschen vor. Auch das, glaube ich, ist ganz wichtig; denn wir verstehen auch das als Teil der Integrationspolitik und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der es gilt, alle Menschen - Muslime, Angehöriger anderer Glaubensgemeinschaften oder Atheisten mit Migrationshintergrund - entsprechend mitzunehmen. Dies hat die Landesregierung, so denke ich, in ihrer Antwort auf die vorliegende Große Anfrage sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal einige Initiativen der CDU/FDP-geführten Landesregierung der vergangenen Jahre in Erinnerung rufen, die sehr wohl eine Bedeutung haben, die wichtig sind und in dieser Diskussion betont werden sollten.

Ein Schwerpunkt der Integrationsarbeit ist für unsere Landesregierung das Thema „Übergang von der Schule in den Beruf“. Gerade die jungen Men

schen sind hier gefordert. Dieser Übergang ist ein zentraler Baustein des Bildungs- und des Lebensweges aller Jugendlichen. Zur Förderung von Bildung und Arbeit haben wir zahlreiche Projekte und Studienprogramme aufgelegt. Ich möchte bei dieser Gelegenheit beispielhaft das Projekt „Chancen nutzen, Perspektiven schaffen“ nennen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wir reden hier nicht über Integrationspolitik!)

- Frau Kollegin, ich möchte - das habe ich ausdrücklich gesagt - neben dem Aspekt, den Sie angesprochen haben, deutlich machen, dass auch zur Integration und zur gesellschaftlichen Gesamtheit gehört, diese Themen mit zu behandeln. Ich sehe hier einen inhaltlichen Zusammenhang, den ich in dieser Weise zum Ausdruck bringen möchte.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das hat doch mit Muslimen nichts zu tun!)