Protocol of the Session on September 28, 2012

Seit 2007 gibt es für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung - SAPV - sowie für die stationäre Hospizversorgung einen Rechtsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb darf nicht übersehen werden, dass es bei diesem Thema - dies sage ich sehr deutlich - nicht nur um Ehrenamtlichkeit und Nächstenliebe geht, sondern auch ums Geldverdienen - wie bei allen anderen Leistungsanbietern im Gesundheitswesen auch.

Erstens. Wir sind nicht der Auffassung, dass wir eine neue hauptamtliche Landesgeschäftstelle, neue Vernetzungsstrukturen und eine Landeshotline brauchen. Die Organisationen sind regional hervorragend vernetzt. Schon heute finden die Betroffenen vor Ort sehr schnell die notwendige Hilfe. Dort, wo das nicht der Fall ist, sollte das Land in geeigneter Weise dafür Sorge tragen, dass sich die Menschen über die in ihrem Bereich vorhandenen Palliativ- und Hospizeinrichtungen umfassend informieren können.

Zweitens. Seit mehreren Jahren wird regelmäßig durch die Fachgesellschaft eine deutschlandweite Abfrage nach Bedürfnissen und Symptomen in der ambulanten und stationären Palliativversorgung durchgeführt, ausgewertet und veröffentlicht. Deshalb glauben wir nicht - wie übrigens auch etliche angehörte Fachverbände nicht -, dass weitere umfangreiche Erhebungen im Sinne des Antrags der Koalition notwendig sind.

Auf unsere entsprechende schriftliche Anfrage, welche Zahlen und Fakten der Landesregierung vorliegen, hat Frau Özkan leider schlicht die Beantwortung mit dem Hinweis auf den vorliegenden Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP verweigert. Ich finde, das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, weil hier schlicht Exekutive und Legislative vermengt werden und das Auskunftsrecht des Parlaments verletzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir wollen die Versorgung in Niedersachsen weiterentwickeln, aber dabei die vorhandenen regionalen Strukturen berücksichtigen und vor allem zunächst die noch immer bestehenden Lücken in der Versorgung in den Bereichen Wesermarsch, Diepholz, Verden und Helmstedt schließen.

Viertens. Eine flächendeckende, bedarfsorientierte Versorgung muss zwingend die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen und gemeinsam mit den Kostenträgern abgestimmt und umgesetzt werden.

Fünftens. Im Krankenhausplan des Landes Niedersachsen ist endlich die palliativmedizinische Versorgung - im Übrigen genau wie die Geriatrie - abzubilden und an Qualitätskriterien zu binden. Dies hat die Landesregierung seit 2003 immer wieder angekündigt - ich erinnere an die Papiere von Herrn Dr. Bruckenberger -, aber leider bis heute nicht umgesetzt. Wenn schon bisher nicht in den drei Modellregionen des Landes praktiziert, so könnte gerade bei diesem Thema eine sektorenübergreifende Versorgung von ambulanter, stationärer und pflegerischer Versorgung beispielhaft umgesetzt werden.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Sechstens. SPD und Grüne wollen in der Aus- und Weiterbildung von Pflegefachkräften die palliativen und hospizlichen Ausbildungsinhalte stärker berücksichtigen. Auch wenn Sie es nicht gerne hören: Dazu gehören auch eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Pflegekräfte, die Verhinderung von Dumpinglöhnen, ausreichend Nachwuchsförderung und ein sachgerechter Personalschlüssel. Daran hapert es immer noch mächtig, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Siebtens. Wir begrüßen, dass CDU und FDP unseren Vorschlag aufgegriffen haben, auch die palliativmedizinische und psychosoziale Betreuung in Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen und für Menschen mit Behinderungen zu verbessern.

Achtens. Gleiches gilt auch für die Übernahme unserer Forderungen hinsichtlich der Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem ohne deutsche Sprachkenntnisse.

Neuntens. Auch in der Forderung bezüglich der Hospiz- und Palliativkompetenz in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens einschließlich der Pflege- und der Behinderteneinrichtungen sind wir uns wieder einig. SPD und Grüne haben in ihrem gemeinsamen Änderungsantrag allerdings den Begriff der Sterbekultur entsprechend dem Vorschlag der Universitätsklinik Göttingen durch den Begriff „Palliativversorgung“ ersetzt, weil alles andere nach unserer Auffassung verwirrend ist.

Meine Damen und Herren, da schließe ich mich Herrn Böhlke an: Bei diesem Thema eint uns mehr, als uns trennt. Für Wahlkämpfe - auch da sind wir uns einig - eignet sich dieses Thema ohnehin nicht.

(Beifall)

Von daher bin ich mir sehr sicher, dass dieses Thema ab Februar/März 2013 ohne Hektik und auch wieder in großer Gemeinsamkeit beraten werden kann und es dann auch wieder einstimmige Beschlüsse dieses Parlaments gibt.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Helmhold für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darüber, dass Menschen ein Recht darauf haben, ihr Sterben menschenwürdig und nicht alleine, sondern begleitet zu erleben, sind wir uns wirklich einig. Ich teile die Auffassung des Kollegen Schwarz, dass wir vielleicht bei etwas mehr Beratungszeit einen Weg gefunden hätten, uns zu einigen. Denn es liegen nicht Welten zwischen uns, sondern wir sind in bestimmen Nuancen unterschiedlicher Meinung.

Niedersachsen ist gut aufgestellt. Mit dem Aufbau der Palliativstützpunkte hat Frau von der Leyen Niedersachsen zum Vorreiter bei der palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung gemacht. Dafür gebührt ihr alle Ehre. Es bleibt aber festzuhalten: Wir haben noch Lücken. Ich nenne Wesermarsch, Diepholz, Verden und Helmstedt. Die Menschen dort warten dringend darauf, dass auch sie vernünftige Versorgungskonzepte erhalten.

Handlungsbedarf besteht auch bei der Qualitätssicherung in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe, d. h. bei der palliativmedizinischen und psychosozialen Betreuung von Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftigen. Ein Problem in diesem Zusammenhang ist die Personaldecke in den Einrichtungen. Wenn 54 % der Menschen in Alten- und Pflegeheimen versterben, dann ist klar, dass das mit der vorhandenen Personaldecke in einer guten fachlichen Qualität eigentlich gar nicht zu machen ist. In Niedersachsen sind die Bedingungen im Schnitt noch ein

bisschen schwieriger als in anderen Ländern, weil die Refinanzierung schlechter ist als im Bundesdurchschnitt.

Wir sind nicht der Meinung - das trennt uns dann tatsächlich -, dass es einer zentralen Geschäftsstelle bedarf, die landesweit organisiert. Mir scheint es eher so zu sein, dass hier ein Posten geschaffen werden soll, der - das hat die Anhörung ergeben - von weiten Kreisen nicht für erforderlich gehalten wird. Ich glaube, es wäre viel sinnvoller, die niedersächsische Hospizstiftung besser zu unterstützen, damit sie ihre segensreiche Arbeit in Zusammenarbeit mit der LAG Hospiz im Bereich der Fort- und Weiterbildung, Beratung und Erfahrungsaustausch noch besser fortführen kann.

Und - Herr Schwarz hat darauf hingewiesen -: Um die Kompetenz und die Bedeutung der Krankenhäuser weiter hervorzuheben, muss die palliativmedizinische Versorgung im Krankenhausplan gesondert abgebildet werden.

Nicht zuletzt brauchen wir das Engagement der vielen Ehrenamtlichen, die in über 120 Hospizvereinen mit 13 500 Menschen tätig sind. Sie sind das Rückgrat der hospizlichen Versorgung. Sie haben dazu beigetragen, sehr vielen Menschen ein würdiges Lebensende zu ermöglichen. Die Ehrenamtlichen haben durch sehr intensive Arbeit vor Ort das Thema im Prinzip in die Öffentlichkeit gebracht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Was ich wirklich ein bisschen schade fand: Sie zählen in Ihrem Antrag fast eine Seite lang nahezu jedes einzelne Palliativbett in Niedersachsen auf. Aber diese Menschen erscheinen nicht mit einem einzigen Wort. Das haben wir in unserem Änderungsantrag nachgeholt. Auch deshalb sollten Sie diesem Änderungsantrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt der Abgeordnete Humke das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um den vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen ist bisher in aller Regel sachlich geführt worden. Als Vertreter der Linksfraktion

konnte ich auch den Eindruck gewinnen, dass die beiden antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP dieses Mal tatsächlich bemüht waren, eine weitgehende Einigung zu erreichen.

Die Hospiz- und Palliativbewegung leistet eine bedeutende Arbeit in unserer Gesellschaft und soll sie unseres Erachtens auch fortführen können. Das ist unstrittig. Die Pionierarbeit für einen Umgang mit dem Tod und mit Trauer darf nicht unterschätzt werden. Wir alle werden Beispiele aus unserem persönlichen Umfeld kennen, in denen Betroffene und deren Angehörige einen bewussten Umgang mit derartigen Fragen machen mussten, und werden mitbekommen haben, welche Unterstützung diese Begleitung mit einem entsprechend gut geschulten Personal war.

Die positiven Erfahrungen haben dazu geführt, dass die Angebote zugenommen haben und die positiven Erfahrungen von der Bevölkerung auf- und mitgenommen wurden. Der Bedarf ist stetig gestiegen. Die Menschen wollen eine solche Begleitung.

Eine Voraussetzung dafür ist aus linker Sicht in allererster Linie das unter Punkt 1 des geänderten Antrages von CDU und FDP eingeforderte „Konzept zur Weiterentwicklung der Palliativ- und Hospizversorgung bis zum 1. Juli 2013“. Das ist für uns der zentrale Punkt, über den wir heute eigentlich zu diskutieren haben. Unserer Ansicht nach sollte dann eine Debatte über das vorgelegte Konzept geführt werden.

Wir gestehen weiterhin zu, dass im Laufe der Diskussion zwei für die Linken wichtige Aspekte ergänzend aufgenommen wurden, die unsere Zustimmung zu dem Antrag möglich machen. Das ist zum einen die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund. Das war im Übrigen auch eine der offen gebliebenen Fragen in der Antwort auf eine Kleine Anfrage vom Kollegen Adler und von mir zur Hospiz- und Palliativversorgung aus dem Juni 2012. Zum anderen ist es die „Erhebung und Ermittlung des Bedarfs und der Bedürfnisse der erkrankten Menschen einschließlich pflegebedürftiger Menschen und Menschen mit Behinderung“ zu nennen. Das war ein Zitat aus dem Antrag.

Aus Sicht der Linken sind die in der Beschlussempfehlung zu dem Antrag von CDU und FDP formulierten Kriterien für ein Konzept so, dass eine diskussionsfähige Vorlage vorgelegt wurde. Gleiches gilt aus meiner Sicht auch für die Punkte 2

und 3 des geänderten Antrages, die man nicht von dem Konzept trennen kann.

Der Linksfraktion kommt es heute tatsächlich darauf an, jenseits des Wahlkampfgeplänkels ein breit getragenes Signal aus dem Landtag an die Hospiz- und Palliativbewegung zu senden. Insofern werden wir der Beschlussempfehlung heute zustimmen und uns beim Änderungsantrag von SPD und Grünen der Stimme enthalten.

Darüber hinaus würden wir uns darüber freuen - ich komme langsam zum Schluss -, wenn wir des Öfteren alle gemeinsam in einzelnen Punkten so sachbezogen entscheiden würden. Wir Linke treffen mit unserem Abstimmungsverhalten heute losgelöst vom Lagerdenken eine rein politische Entscheidung im Sinne der Palliativ- und Hospizbewegung. Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr über ein gutes Konzept diskutieren können und nicht ein schlechtes Konzept auseinanderreißen müssen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Riese zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich will es ganz kurz machen. Denn zu dem Inhalt und zu der Bewertung der Hospizarbeit habe ich schon in der ersten Beratung das eine oder andere gesagt. Das ist heute von verschiedenen Rednern noch einmal vorgetragen worden. Ich muss natürlich auch im Namen der FDP-Fraktion sagen: Wir schulden den Menschen, die dort namentlich ehrenamtlich in einer schweren Aufgabe tätig sind, großen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Aus den Debattenbeiträgen ist klar geworden: Es hat eine sachliche Beratung stattgefunden. CDU und FDP haben eine Initiative gestartet und haben sich in der Beratung offen für Anregungen gezeigt, die sich aus der ersten Beratung und aus der weiteren Beschäftigung mit dem Antrag ergaben. Herr Schwarz, es wäre meines Erachtens ohne Weiteres möglich, die Beschlussempfehlung des Ausschusses mit allen Stimmen des Landtages zu verabschieden. Das wäre dann die notwendige Breite.

Das Feld wird uns alle weiter beschäftigen und kann auch in der Zukunft weiter gestaltet werden. Diesmal darf ich Herrn Humke ausdrücklich zustimmen: Wenn das neue Konzept vorliegt und man sich mit den Einzelheiten beschäftigt, ist noch Gelegenheit zur Nachsteuerung, falls das eine oder andere noch fehlt.

Ich werbe hier also noch einmal für breite Zustimmung zur Ausschussempfehlung.

Vielen Dank.