Protocol of the Session on September 28, 2012

Auch mit den Anträgen der Fraktionen der SPD und der Grünen wird es in dieser Wahlperiode nicht mehr gelingen, hier tatsächlich zu einer vernünftigen Reform zu kommen. Aber ich meine, dies ist schon in vielerlei Hinsicht ein guter Neuanfang.

Für meine Fraktion ist klar: Wir brauchen eine frühzeitige Verzahnung von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium. Wir brauchen die Gewissheit, dass ausreichend Masterplätze für Bachelorabsolventen vorhanden sind, und wir brauchen inhaltlich eine grundlegende Neuorientierung.

Ein gutes Stück weit können wir den vorgelegten Anträgen folgen, vor allen Dingen, wenn es darum geht, die schulzweigbezogene Ausbildung aufzubrechen und sich auf Schulstufen zu konzentrieren.

Die Lehrerinnen und Lehrer müssen darauf vorbereitet sein, mit heterogenen Lerngruppen zu arbeiten. Was heißt das? - Das bedeutet, dass die Klassen sehr vielfältig sind. Herr Klare hat dies gerade bestätigt. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe kommen zusammen. Unterschiedliche soziale Rahmenbedingungen treffen aufeinander, und es gibt unterschiedliche familiäre Unterstützung.

Mit der Umsetzung der inklusiven Schule müssen alle Lehrkräfte auch darauf vorbereitet sein, mit Kindern mit unterschiedlichen Förderbedarfen zusammenzuarbeiten.

Die Inklusion muss Bestandteil jeder Lehrerausbildung werden. Eine frühzeitige Verzahnung von Fachwissen und praktischem Unterricht muss gewährleistet werden und an der Universität mit einem begleitenden Seminar gekoppelt sein. Solche Modelle der frühzeitigen Verbindung gibt es bereits an den Hochschulen, aber sie müssen flächendeckend und verbindlich sein. Bei diesen Punkten sind wir nahe an den Anträgen der Fraktionen der SPD und der Grünen dran.

Ich möchte Sie aber noch auf einen Unterschied hinweisen - dies betrifft die Berufseinstiegsphase -: Wenn die Lehrerinnen und Lehrer von morgen die Hochschule verlassen, haben sie einen Masterabschluss in der Tasche und mindestens fünf Jahre Studium hinter sich. Sie sind hoch qualifiziert.

In anderen Berufssparten bekommen sie entsprechende Einstiegsgehälter. Der TV-L sieht für Berufsanfänger in der Entgeltgruppe 13 beispielsweise über 3 000 Euro vor. Junge Lehrkräfte bekommen etwa nur ein Drittel davon. Dieses Lohndumping muss aufhören! Wir brauchen eine begleitende Berufseinstiegsphase mit anständiger Entlohnung und der verbindlichen Zusage auf Weiterbeschäftigung. Auf diesen Punkt werden wir in den Ausschussberatungen noch gezielt hinweisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin Reichwaldt. - Nun für die Landesregierung Frau Ministerin Wanka, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Heinen-Kljajić hat hier formuliert, wie die Anforderungen an die Lehrer der Zukunft sind. Ich glaube, da können wir alle - zumindest gilt das für mich - ihr nur zustimmen.

Ich fand die beiden Anträge sehr angenehm. Sie waren nicht kurz, sondern sehr intensiv und hatten sehr viele Details. Ich glaube, dass es uns als Landtag sehr gut ansteht, über das Thema Lehrerbildung zu diskutieren. Es sind sehr viele Anregungen dabei. Ich gehe darauf ein, wo wir Gemeinsamkeiten haben und wozu es unterschiedliche Positionen gibt.

Ich war ein bisschen überrascht, als Herr Wulf hier das Eingangsstatement für die SPD-Fraktion mit einer Polemik hielt, die an der Stelle sehr künstlich war. Ich hatte den Verdacht, dass Ihre Rede älter als zwei Jahre sein muss, weil Sie viele Dinge, die wir im letzten Jahr gemacht haben, überhaupt nicht wahrgenommen haben.

Wir haben lange Zeit ideologische Grabenkämpfe geführt, wenn es um Schule und Schulstrukturen ging. In der Kultusministerkonferenz war über viele Jahre hinweg ganz klar, wie jede Diskussion mit den polarisierten Lagern ausgeht. Das hat sich nach dem Jahr 2000 geändert, auch unter dem

Aspekt, dass gesagt wurde: Wir schreiben nicht mehr vor. Wir diskutieren nicht mehr. Wir entscheiden in der KMK nicht mehr, ob dreigliedrig, zweigliedrig oder was auch immer besser ist. Vielmehr machen wir Bildungsstandards. Das entsprechende Land ist völlig frei darin, wie es seine Schule organisiert, aber die Standards müssen eingehalten werden. Das, was z. B. ein Kind in Englisch in der 7. Klasse können muss, muss erreicht werden, egal auf welchem Weg.

Ich bin ein bisschen irritiert, weil wir in der KMK das in Richtung Lehramtsausbildung weiterziehen. Auch dort geht es um Standards für die Lehramtsausbildung und nicht so sehr um das Vorschreiben von Details, wie man es machen soll.

Ich möchte an dieser Stelle keine ideologische, sondern eine sehr viel pragmatischere Diskussion, weil dies ein wichtiges Thema ist. Das, was wir jetzt in der Lehrerbildung anfassen, wirkt 10, 15 Jahre. Das ist ein Thema, bei dem man sich nicht ideologisch, vor dem Hintergrund von Wahlkämpfen oder von momentanen Machtpositionen aus bewegen kann.

Vielleicht ein kleines Argument - nicht ideologisch - gegen das, was zur Schulstruktur, also zur schulstufen- oder schulformenbezogenen Lehre gesagt wurde. Das ist ein ganz praktisches Argument: Wenn wir jetzt Sek-I-Lehrer über alle Schulformen hinweg ausbilden, dann würde das bedeuten, dass wir an den Universitäten, an denen wir keine gymnasialen Lehrer ausbilden - bei uns wird an sechs Universitäten nach GHR 300 ausgebildet -, gar keine fachwissenschaftliche Vertiefung haben. Diesen Lehrern fehlt das. Wir müssten also dort viele Ressourcen hingeben und Veränderungen machen, was natürlich einen Riesenaufwand bedeuten würde. Wir haben immer das Problem, dass durch solche administrativen Dinge sehr viel von dem abgelenkt wird, was eigentlich wichtig ist.

Herr Wulf hat hier mehrfach gesagt, was alles bei GHR 300 anders sein müsste oder wo es noch Baustellen gibt. Wir haben hier in Niedersachsen schon seit Langem den Verbund der lehramtsausbildenden Hochschulen. Darin sind die Spitzen, die an der Hochschule Lehramt vertreten. Diese haben sich unter Einbeziehung des Kultusministeriums und des Wissenschaftsministeriums zusammengesetzt und ein Konzept erarbeitet, was aus ihrer Sicht ideal wäre. Über dieses Konzept haben Bernd Althusmann und ich lange mit ihnen diskutiert, und das setzen wir jetzt um. Natürlich geht die Umsetzung nicht von heute auf morgen. Das ist

also keine Idee aus dem Ministerium, sondern das haben wirklich die Praktiker entwickelt. Das heißt, genau das, was die Praktiker kennen, wo sie Schwachstellen sehen, ist in diesem Konzept enthalten.

Wir haben etwas geschafft, worauf ich sehr stolz bin, nämlich dass diejenigen, die in der Lehramtsausbildung bisher nebeneinander agiert haben, jetzt in einer ganz anderen Art und Weise verbunden sind. Wir haben gerade die Teilnehmer aus den Studienseminaren in den Verbund mit einbezogen. Wir haben jetzt dreijährige Bachelor und zweijährige Master. Zudem haben wir fachbezogene Praktiker und andere in der Bachelorphase. In der Masterphase gibt es das fünfmonatige Praktikum. Ich glaube, dies ist an dieser Stelle sehr richtig. In diesem Praktikum wird vorbereitet und nachbereitet. Da gibt es eine Zusammenarbeit, wie sie noch nie möglich war und wo man auch Widerstände überwinden muss. Auch von den Rahmenbedingungen her ist dies abgesichert.

Wenn wir jetzt nicht mehr ein Jahr Master, sondern wenn wir zwei Jahre Master hätten, dann hätte das bedeutet: Wir verdoppeln das, was wir an Ressourcen hineinstecken. Wir geben doppelt so viel Geld.

Frau Ministerin Wanka, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde jetzt gerne erst einmal vortragen.

Wir bräuchten also nicht 1 Million Euro, sondern 2 Millionen Euro. Wir geben aber nicht nur 2 Millionen Euro, sondern sogar 2,3 Millionen Euro. Das heißt, wir geben 30 % mehr, um dem enormen Aufwand, dass man miteinander kooperieren muss, dass man in die Schulen gehen muss und dass vor- und nachbereitet wird, auch finanziell Rechnung zu tragen.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt einmal nicht an die Grabenkämpfe denken, sondern uns ein bisschen in Ihre Anträge schauen, dann muss ich sagen, dass ich mit vielem davon sehr einverstanden bin. Aber vieles davon haben wir schon umgesetzt.

In dem Antrag der SPD-Fraktion wird eine Auflistung der Kompetenzen gefordert, die man in der Lehramtsausbildung vermittelt. Das ist eine Ihrer

Forderungen. Ich muss Ihnen sagen: Das haben wir schon seit Langem. Das wird sogar in der Kultusministerkonferenz, in der AG Lehrerbildung als vorbildlich angesehen, weil wir die Ersten waren. Das haben wir in der Masterverordnung von 2007 und auch in der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst von 2010. An dieser Stelle sind wir gut.

Ich gebe Ihnen recht, was die inklusive Schule betrifft. Aber das war ein Punkt, der hier gestern ausführlich besprochen worden ist. Da ist noch viel zu tun. Das müssen nicht unbedingt Sonderpädagogische Zentren sein. Diese müssen zwar auch sein, aber die Frage ist: Wie viel weiten wir aus? - Wir haben auch hier die Kapazitäten gestärkt. In der Lehramtausbildung die Analysefähigkeit etc. für alle Lehrer zu vermitteln, das ist die neue Herausforderung, die unbedingt realisiert werden muss.

Zur Verzahnung von Erzieherinnen- und der Grundschulausbildung: Wir haben unsere lehramtsausbildenden Universitäten gefragt, wie sie sich das vorstellen könnten. Das kann man sehr formal oder klug machen. Die Projekte, die die Universitäten eingereicht haben, hat die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen begutachtet. Sie hat nicht alle Projekte für gut befunden. Sie hat für einen Modellversuch an zwei Standorten plädiert, nämlich in Oldenburg und Osnabrück, den wir jetzt machen. Wir probieren das also und schauen dann, wie das im Vergleich dazu ist, was vielleicht schon an anderer Stelle probiert worden ist.

Frau Heinen-Kljajić, auch das Thema Eignungsabklärung für das Berufsziel Lehramt ist angesprochen worden. Dazu hat es eine wissenschaftliche Expertise gegeben. Es gibt jetzt eine Reihe von Beratungsstrukturen in den Studiengängen, aber auch in den Schulen, um das in Verbindung von Schule und außerschulischen Partnern umzusetzen und über die Eignung reflektieren zu lassen.

Lehrerbildung darf nicht fünftes Rad am Wagen sein. Im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen stehen Vorschläge dazu, wie man die Lehramtsausbildung in den Hochschulen zu organisieren hat. Es gibt aber keinen Weg, der für alle gilt. Es kommt darauf an, ob die Hochschule klein ist, wie sie speziell strukturiert ist. Es gibt die unterschiedlichsten Modelle. Ich finde auch die Anregung aufgrund dessen, was Ihnen gefällt, an der Stelle okay. Das ist aber nichts, was Sie an die Landesregierung richten müssten, sondern das sind höchstens Anre

gungen für die Hochschulen, weil das in der Autonomie der Hochschule liegt.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Das ist aber jetzt ein Selbstverständ- nis!)

- Gut, ich kriege ja den Entschließungsantrag.

Aber ich wollte sagen: Da gibt es viele Wege. Wir haben einmal über das Münchener Modell diskutiert, weil immer gesagt wird, das sei so toll. Das Münchener Modell ist auch nur begrenzt anwendbar, und zwar nur bei speziellen Strukturen.

Ich denke, wir können stolz darauf sein, dass es uns gelungen ist, das zu erreichen, was Sie wollen, nämlich mehr Praxis, eine Verzahnung von Theorie und Praxis, eine enge Verbindung zwischen der Schule, in der die Praktika gemacht werden, und den Studienseminaren, den Fachseminarleitern und den Hochschullehrern an der Hochschule.

Da wir das finanziell abgesichert haben, bin ich optimistisch, dass es uns gelingt, die hohe Qualität in der Lehramtsausbildung in Zukunft zu sichern und natürlich auch weniger Abbrecher zu haben, was nicht nur im Hinblick auf die finanzielle Situation des Landes außerordentlich wichtig ist, sondern auch für die jungen Leute, die ein solches Studium beginnen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich merke an der Unruhe, dass es Freitagnachmittag ist. - Man kann bei diesem wichtigen Thema sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein. Ich würde mir wünschen, dass man versucht, das nicht ideologisch, sondern sehr pragmatisch zu diskutieren. Das, was an Anregungen von uns noch nicht beachtet wurde oder von dem wir denken, dass das eine gute Idee wäre, werden wir versuchen aufzunehmen. Ich würde mir wünschen, dass es gelingt, gerade in dem Bereich vielleicht einmal zu einer gemeinsamen Position zu kommen. Das hätte der Bereich Lehramtsausbildung auf jeden Fall verdient.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin.

Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist: In der Loge aufseiten der Fraktion der CDU hat vor wenigen Minuten der Befehlshaber der Britischen

Streitkräfte in Deutschland, Generalmajor Henderson, mit einer kleinen Delegation Platz genommen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Generalmajor Henderson, der Deutschland seit seiner Schulzeit sehr verbunden ist und im Rahmen seiner soldatischen Laufbahn mit Munster, Osnabrück und Bad Fallingbostel auch an verschiedenen Orten in Niedersachsen stationiert war, ist seit August dieses Jahres für die Führung der Britischen Streitkräfte in Deutschland zuständig.

Herr General, ich heiße Sie im Namen des Niedersächsischen Landtages herzlich willkommen und wünsche Ihnen und uns, dass Ihr Wirken, insbesondere in der neuen Aufgabe, und Ihr heutiger Besuch die langjährigen und guten Beziehungen zwischen den britischen Streitkräften und unserem Bundesland weiter stärken mögen. Herzlich willkommen!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Inzwischen liegt mir aufgrund des Beitrags von Ministerin Wanka der Wunsch nach zusätzlicher Redezeit - § 71 Abs. 3 - vor. Vor dem Hintergrund der Redezeitüberschreitung der Ministerin hat Herr Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE zwei Minuten Zeit. Bitte schön!