Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 39, den Mündlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 15.25 Uhr enden.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Stratmann, von der Fraktion der SPD Herr Lies ab 11 Uhr,
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Was hat er denn? Geht es ihm nicht gut? - Glocke des Präsidenten)
Frau Stief-Kreihe, Frau Weddige-Degenhard, Herr Aller, Herr Möhle, von der FDP-Fraktion Herr Dürr ab 13 Uhr,
Die für die Fragestunde geltenden Regelungen unserer Geschäftsordnung setze ich als bekannt voraus. Um dem Präsidium den Überblick zu er
leichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem am 24./25. Juli 2012 ohne jede vorausgehende Information der Kommunen, der Bevölkerung oder des Katastrophenschutzes bestrahlte Brennelemente aus den Forschungsreaktoren Geesthacht und BER II (Berlin) sowie Plutonium-Beryllium-Quellen der Firma Eckert & Ziegler (Braunschweig) über den privaten Midgard-Hafen in Nordenham umgeschlagen und verschifft wurden, sollen nun auch noch 16 Plutonium-Mischoxid-Brennelemente aus dem britischen Sellafield für den Einsatz im AKW Grohnde im gleichen Hafen verladen und durch Niedersachsen transportiert werden.
Der Landrat des Landkreises Wesermarsch hat in einer Sondersitzung des Kreistages Wesermarsch und des Stadtrates der Stadt Nordenham am 17. September 2012 zu den bevorstehenden MOX-Transporten kritisiert, dass das Land ihm als oberstem Katastrophenschützer im Landkreis, der jeden Einsatz koordinieren müsse, keinerlei Informationen zukommen lasse. So könne der Katastrophenschutz nicht vorbereitet werden.
Eine Expertin des Bundesamtes für Strahlenschutz, die den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern sowie Bürgerinnen und Bürgern in der Sondersitzung Rede und Antwort stand, verwies immer wieder auf die Zuständigkeit des Landes.
Das niedersächsische Innenministerium entscheidet zusammen mit dem Transporteur NCS über Zeitpunkt und Route des geplanten Transports. Das Umweltministerium hat über die Gewerbeaufsicht bei Transporten über die Straße zu prüfen, ob die Sicherheitsanforderungen und die Grenzwerte eingehalten werden.
Nach der Katastrophe von Fukushima wird in Fachkreisen die Frage diskutiert, die Verwendung von MOX-Brennelementen neu zu bewerten, weil diese beim Einsatz in Reaktoren oder bei sehr schweren Unfällen ein deutlich höheres Gefahren
potenzial bergen. Auch die Wahl der Transportroute durch den Wesertunnel sei mit erheblich erhöhten Risiken verbunden, auf die mangels konkreter Vorinformationen Feuerwehr und Katastrophenschutz vor Ort nicht vorbereitet seien.
1. Wann und wie hat die Landesregierung die Sicherheit des Hafens, der Transportroute und die Einhaltung der Grenzwerte geprüft?
2. Aus welchen Gründen hält es die Landesregierung für nicht erforderlich, die Landräte als oberste Katastrophenschützer der durch Umschlag und Transport von Kernbrennstoffen betroffenen Landkreise zu informieren?
3. Hat es nach der Katastrophe von Fukushima eine Überprüfung oder eine Neubewertung des Einsatzes von MOX-Brennelementen im AKW Grohnde durch die Landesregierung gegeben?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für das Gemeinschaftskernkraftwerk Grohnde ist der Einsatz von Mischoxid-Brennelementen, also MOX-Brennelementen, bereits seit 1986 atomrechtlich genehmigt. Es dürfen bis zu einer Gesamtanzahl von 64 MOX-Brennelementen in dem aus 193 Brennelementen bestehenden Reaktorkern eingesetzt werden, wobei bis zu 16 MOX-Brennelemente pro Zyklus nachgeladen werden dürfen. Bei der sicherheitstechnischen Auslegung des Kernkraftwerks ist der Einsatz von MOXBrennelementen berücksichtigt worden.
Bislang wurden insgesamt 124 MOX-Brennelemente aus den Fertigungen in Hanau (32) und Dessel (92) eingesetzt. Im aktuellen 29. Zyklus sind keine MOX-Brennelemente im Einsatz. Der Reaktor wird zurzeit mit Uran-Brennelementen mit einer Anreicherung von bis zu 4 % betrieben.
Acht MOX-Brennelemente wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. September 2012 am Kraftwerk Grohnde angeliefert. Für den weiteren Einsatz von MOX-Brennelementen stehen beim Hersteller Sel
Die Fertigung der Brennelemente wird vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz im Hinblick auf die Einhaltung der genehmigten Anforderungen überwacht.
Der Einsatz von MOX-Brennelementen ist nichts Außergewöhnliches in der Versorgung von Kernkraftwerken. Die überwiegende Anzahl der Kernkraftwerke in Deutschland verfügt über die Genehmigung zum Einsatz solcher Brennelemente.
Es war die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung mit dem grünen Bundesumweltminister Trittin, die mit dem Gesetz zur geordneten Beendigung der Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22. April 2002 die politischen und heute noch geltenden rechtlichen Grundlagen für die Behandlung abgebrannter Brennelemente und den Einsatz von MOX-Brennelementen gelegt hat. Rot-Grün hat es damals so gewollt und entsprechend beschlossen.
Mit dem Atomausstiegsgesetz der rot-grünen Bundesregierung wurde für in das Ausland zur Wiederaufarbeitung verbrachte abgebrannte Brennelemente der Nachweis für die Verwertung des bei der Wiederaufarbeitung abgetrennten Plutoniums eingeführt. Damit sollte sichergestellt werden, dass innerhalb der verbleibenden Restlaufzeit der Kernkraftwerke sämtliches abgetrenntes Plutoniumoxid in MOX-Brennelementen verarbeitet und eingesetzt wird.
Außerdem bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Staaten, in denen abgebrannte Brennelemente aus Deutschland aufgearbeitet werden - so eben auch mit Großbritannien -, zwischenstaatliche Vereinbarungen, die aus der Wiederaufarbeitung hervorgehenden Produkte und radioaktiven Abfälle nach Deutschland zurückzunehmen. Diese zwischenstaatlichen Vereinbarungen wurden von keiner der bisherigen Bundesregierungen infrage gestellt, auch nicht von der früheren rot-grünen Bundesregierung. So hielt Bundesumweltminister Jürgen Trittin laut Presseberichten vom 5. Februar 2001 im ZDF Demonstrationen gegen Castortransporte in Deutschland weiterhin für unklug, da die Transporte notwendig seien und man den deutschen Atommüll nicht einfach von Frankreich entsorgen lassen könne, sondern selbst dafür verantwortlich sei.
gleicher Weise auch für die zurückzunehmenden MOX-Brennelemente aus der Wiederaufarbeitung aus Frankreich oder eben auch aus Großbritannien.
Die Rücknahme der aus der Wiederaufarbeitung aus Frankreich stammenden MOX-Brennelemente erfolgt nach den alten Planungen der rot-grünen Bundesregierung. Die Entsorgungskonzeption beruhte auf diesem genehmigten MOX-Einsatz, ohne den der politisch gewollte Wiedereinsatz des Plutoniums nicht möglich wäre.
Nun zur Frage der Beförderung. Bei der Beförderung bestimmter radioaktiver Stoffe sind sowohl die Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter - Gefahrgutrecht - als auch die Vorschriften der Strahlenschutzverordnung anzuwenden. Aufgrund der möglichen Gefährdung durch ionisierende Strahlung wird die Beförderung bestimmter radioaktiver Stoffe auf öffentlichen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Verkehrswegen der Genehmigungspflicht unterstellt. Dies leitet sich aus Artikel 2 Abs. 1 a der Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen ab. Die Transportgenehmigungen nach Atomgesetz werden vom Bundesamt für Strahlenschutz erteilt.
Die internationalen und nationalen Regelungen über die Beförderung radioaktiver Stoffe beruhen auf den seit 1961 herausgegebenen Empfehlungen der International Atomic Energy Agency, im Gegensatz zu den Empfehlungen zu den übrigen Gefahrgutklassen, die vom Economic and Social Council als Recommendations on the Transport of Dangerous Goods - dem sogenannten Orange Book - bekannt gemacht werden. Mit der Umsetzung der Empfehlung der IAEA von 1996 in die internationalen Vorschriften war man bestrebt, eine Anpassung an den Aufbau des Orange Book zu erreichen und damit eine weltweite Harmonisierung der Vorschriftenstruktur aller Verkehrsträger zu erzielen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz ist die für die Erteilung der Beförderungsgenehmigungen nach § 4 Atomgesetz und Großquellen zuständige Behörde. Nach § 4 Abs. 2 AtG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn
2. gewährleistet ist, dass die Beförderung durch Personen ausgeführt wird, die die notwendigen Kenntnisse über die mögliche Strahlengefährdung und die anzuwendenden Schutzmaßnahmen für die beabsichtigte Beförderung von Kernbrennstoffen besitzen,
3. gewährleistet ist, dass die Kernbrennstoffe unter Beachtung der für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter befördert werden oder, soweit solche Vorschriften fehlen, auf andere Weise die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Beförderung der Kernbrennstoffe getroffen ist,
4. die erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadenersatzverpflichtungen getroffen ist,
5. der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist,
6. überwiegende öffentliche Interessen der Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung nicht entgegenstehen,
7. für die Beförderung bestrahlter Brennelemente von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zu zentralen Zwischenlagern nach § 6 Abs. 1 AtG nachgewiesen ist, dass eine Lagermöglichkeit in einem nach § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG zu errichtenden standortnahen Zwischenlager nicht verfügbar ist.