Protocol of the Session on July 19, 2012

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Birkner, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie die Möglichkeit, Sicherheitskriterien und Sicherheitsanforderungen ins Gesetz zu schreiben, sehr zurückhaltend bewerten, frage ich Sie, da die BMU-Sicherheitsanforderungen heute beispielsweise vorsehen, dass die Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit von Atommüll für 500 Jahre gegeben sein muss, und damit eine erste Konsequenz aus der Asse gezogen wurde: Sind Sie in

den bisherigen Gesprächen dafür eingetreten, dass diese 500 Jahre Bergbarkeit oder Rückholbarkeit direkt im Gesetz verankert werden, oder werden Sie das noch tun?

Herr Minister!

Herr Präsident! Herr Wenzel, zunächst einmal erlaube ich mir die Bemerkung, dass die Aufnahme dieser 500-Jahre-Bedingung in die Sicherheitsanforderungen an Endlager für Wärme entwickelnde Abfälle auf unsere Initiative zurückgeht. Das haben wir vor ungefähr anderthalb, zwei Jahren in die Diskussion eingebracht. Diese Bergbarkeitsdiskussion geht auf unsere Initiative zurück. Diese Bedingung ist auch weiterhin unsere Position.

Ich sehe nur nicht, dass dies im Moment Gegenstand dieses Gesetzes sein sollte. Dies ist ein Punkt unter vielen, die man sich als Sicherheitsanforderungen vorstellen kann und die ich auch für inhaltlich richtig halte. Nur halte ich den Ort für falsch. Dieses Gesetz verstehe ich als ein Rahmengesetz, das durch weitere Gesetze auszufüllen ist. Die Sicherheitsanforderungen sind in einem speziellen Gesetz zu regeln, als Abschluss der Phase der Kriteriendefinition. Da könnte man so etwas einbringen.

Wenn wir jetzt anfangen, diesen Punkt ins Gesetz einbringen zu wollen, dann kommen 15 andere Bundesländer mit anderen Punkten, und dann kommt der Bund mit seinen Vorstellungen. Dann sind wir schon mitten in der Diskussion über die Sicherheitskriterien, die aber Zeit braucht und öffentlich geführt werden muss. Sie ist in dem politischen Prozess, der jetzt abläuft, meines Erachtens gerade nicht zu leisten. Was wir jetzt brauchen, ist ein grundlegender politischer Konsens über den Rahmen, den wir schaffen wollen. Wir wollen den Sommer nutzen - aber auch die Zeit danach; das muss nicht alles im Sommer stattfinden; von mir aus kann das auch über die Landtagswahl hinaus dauern -, um diesen Rahmen intensiv zu diskutieren.

Wenn wir dann im Bund hoffentlich ein Gesetz beschlossen haben, stellt sich in der ersten Phase die Frage nach den Kriterien. Die Kriterien sollten in dieser Phase wissenschaftlich und öffentlich nachvollziehbar erarbeitet werden. Wir sollten die Lehren aus dem Misstrauen ziehen, das über Jah

re entwickelt wurde und dem Standort Gorleben entgegengebracht wird. Dann muss wirklich nachvollziehbar dargelegt werden, wie man zu den einzelnen Punkten gekommen ist. Es muss den Bedenken Rechnung getragen werden, dass es darum gehen könnte, am Ende einen Standort durch die Hintertür dingfest zu machen.

Man könnte das Gegenargument bringen: Wenn ich jetzt über die Bergbarkeit aus Salz nachdächte, dann würde man sofort sagen: Ihr denkt schon wieder an Salz; also habt ihr Gorleben im Blick. - Deshalb halte ich diese Diskussion im Moment nicht für zielführend. Dieses Argument wäre in der ersten Phase einzubringen.

Inhaltlich teile ich die Position. Die Bedingung der Bergbarkeit für 500 Jahre wollen wir natürlich aufrechterhalten. Sie ist durch uns überhaupt erst in die Sicherheitsanforderungen hineingekommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Kollege Herzog.

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass die Gorleben-Frage für Niedersachsen und für die Betroffenen existenziell wichtig ist, ist aus meiner Sicht, Herr Birkner, eine breite und transparente Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig. Wenn sie nicht stattfindet, wird das natürlich ein zentrales Wahlkampfthema. Vor diesem Hintergrund frage ich konkret in Hinsicht auf den Gesetzentwurf, in dem die Formulierung steht, es solle ein Endlager für „insbesondere“ hoch radioaktiven Atommüll gesucht werden: Bedeutet das für die Landesregierung, dass ein Endlager gesucht wird, das neben hoch radioaktivem Atommüll auch das ganze Spektrum an schwach und mittelradioaktivem Atommüll aufnehmen soll, was etwa das zehnfache Volumen erfordern würde?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Herr Herzog, für die schwach und mittelaktiven Abfälle haben wir - das wissen Sie -

das planfestgestellte Endlager Schacht Konrad. Das ist für diese Abfälle vorgesehen.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Meine Kolleginnen und Kollegen haben mir eben noch einmal gesagt, dass es bei der Formulierung „insbesondere“ um schwach und mittelaktive Abfälle geht, die nicht Konrad-gängig sind. Es soll die Option geben, diese Abfälle mit in das Endlager zu bringen. Aber vom Volumen wird das nicht entscheidend sein. Das Entscheidende sich die hoch radioaktiven Abfälle. Um die geht es. Daneben geht es darum, einen Entsorgungsweg für Dinge zu finden, die nicht Konrad-gängig sind. Über einen solchen Weg soll mitdiskutiert, ein solcher Weg soll mitgesucht werden. Insofern ist das, wie im Wortlaut zum Ausdruck kommt, eine Öffnung für Abfälle unterhalb der Hochradioaktivität.

Meine Damen und Herren, die nächste Frage wird von Frau Schröder-Ehlers gestellt. Es ist die letzte Frage für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Birkner, ich möchte noch einmal auf die vorläufige Sicherheitsanalyse und das weitere Verfahren zurückkommen. Sie sind vor einiger Zeit in den Medien mit der Aussage zitiert worden, dass Sie diese vorläufige Sicherheitsanalyse im weiteren Verfahren für durchaus problematisch halten und dass auch Sie sehen, dass eine Sicherheitsanalyse, wenn sie zu einem auch nur vorläufigen Abschluss gebracht wird, Fakten schaffen und das weitere Verfahren, ob mit oder Endlagersuchgesetz, stark beeinflussen kann. Deshalb frage ich: Wann werden Sie diese vorläufige Sicherheitsanalyse beenden, und wie gehen Sie konkret mit diesen Daten um? Was hat der Stopp, den Sie gerade angedeutet haben, zu bedeuten? Wie stehen diese verschiedenen Fakten zueinander?

Herr Minister Birkner!

Herr Präsident! Frau Schröder-Ehlers, zunächst einmal möchte ich, damit kein falscher Eindruck entsteht, sagen: Das ist nicht unsere vorläufige Sicherheitsanalyse. Sie ist nicht durch die Nieder

sächsische Landesregierung in Auftrag gegeben worden, sondern durch das Bundesumweltministerium und den Bund als federführende und verfahrensführende Institution. Insofern kann am Ende nur der Bund als Auftraggeber entscheiden, wie er mit diesem Auftrag umgeht.

Unsere politische Position dazu ist: Die Situation ist schwierig. Der Prozess ist fast zu Ende. In situ sind keine Tätigkeiten mehr erforderlich. Jetzt geht es im Prinzip um die wissenschaftliche Auswertung. Ich glaube, ich habe es vorhin schon gesagt: Für mich ist das Entscheidende, dass man nicht mit irgendeiner Eignungsaussage aus dieser vorläufigen Sicherheitsanalyse herausgeht. Ich wehre mich aber auch dagegen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu vernichten, quasi wegzuschmeißen, so zu tun, als wären sie nicht existent. Das dürfen wir uns auch nicht erlauben.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie haben aber mitgekriegt, dass die Wissen- schaft in den letzten 35 Jahren nicht immer objektiv war?)

Wir müssen im Verfahren sicherstellen, dass durch diese vorläufige Sicherheitsanalyse kein Präjudiz entsteht. Das ist durch das Verfahren sicherzustellen.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Was also tun Sie?)

- Wir bringen uns entsprechend in diesen Prozess ein. Da besteht übrigens auch in den BundLänder-Gesprächen große Einigkeit. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir unter einem qualifizierten Abschluss alle das Gleiche verstehen. Da wird man also noch genau aufpassen müssen, ob manche darunter nicht mehr verstehen als wir. Wir müssen diesen Punkt im Prozess und vor allem dann, wenn ein endgültiger Gesetzentwurf vorliegt, über den man wirklich sprechen kann, noch einmal auseinandernehmen und gucken, was das konkret bedeutet.

Mein politisches Ziel ist - so werden wir uns weiter in das Verfahren einbringen -, durch die vorläufige Sicherheitsanalyse kein Präjudiz entstehen zu lassen. Wir müssen uns aber der Realität stellen, dass wissenschaftliche Arbeiten geleistet worden sind. Die kann und sollte man nicht einfach verbrennen. Aber es muss im Verfahren sichergestellt sein, dass sie keine präjudizierende Wirkung haben.

Die nächste Frage wird vom Kollegen Wenzel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt und ist auch die letzte Frage für diese Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Birkner, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das BMU, das Bundesumweltministerium, mit der Begutachtung im Rahmen der vorläufigen Sicherheitsanalyse Institutionen wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie die Sicherheitsfirma von Herrn Thomauske beauftragt hat und diese Institutionen bzw. dieser Herr aktiv an der Vertuschung der Laugenzuflüsse und der Kontaminationen in der Asse beteiligt waren, frage ich Sie: Welche Rolle dürfen im künftigen Verfahren die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe oder auch Herr Thomauske und seine Sicherheitsfirma spielen?

Herr Minister!

Herr Präsident! Herr Wenzel, am Ende geht es um die Frage: Wie sichere ich diesen Prozess institutionell ab, welche wissenschaftlichen Leistungen brauche ich z. B., und durch wen werden sie erbracht? Genau das ist die Frage, die dazu geführt hat, dass wir über dieses Endlagerinstitut sprechen, dass wir darüber sprechen, eine Institution zu schaffen, die das wissenschaftliche Know-how hat, um dieses Verfahren, um diesen gesamten Suchprozess zu steuern und zu lenken. Es gibt Kritik an diesem Institut. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das das Bundesamt für Strahlenschutz übernehmen kann und dass dort die entscheidenden Kompetenzen gebündelt werden.

Am Ende wird es immer darauf ankommen, dass die Gutachter, derer man sich bedient, sozusagen die fachliche Eignung und natürlich auch die gutachterliche Neutralität mitbringen. Das wird ein entscheidender Punkt sein, um überhaupt die hinreichende Akzeptanz für das Verfahren zu bekommen.

Im Übrigen ist natürlich der Bund mit seinen Fachbehörden gefordert, und dabei wird auch die BGR eine Rolle spielen - davon gehe ich ganz fest aus -, weil sie entsprechende Kompetenzen hat; es sei denn, man bündelt das alles in einem neu

zu schaffenden Institut, das wiederum von Ihnen abgelehnt wird - aus anderen Gründen; das ist mir völlig klar. Aber genau das ist die Diskussion, die wir dort führen: Wie sichere ich diese notwendige Objektivität im Rahmen des Prozesses tatsächlich ab? Genau deshalb ist ja der Gedanke des Instituts aufgekommen. Möglicherweise löst man das über das Bundesamt für Strahlenschutz. Insofern wäre das der Weg, um diese Akzeptanz der Gutachter und der wissenschaftlichen Expertise sicherzustellen.

Meine Damen und Herren, die letzte mir jetzt noch vorliegende Frage zu dem ersten Komplex stammt von Herrn Försterling, dem ich jetzt das Wort erteile.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung nach den Ausführungen von Herr Tanke, dass er heute schon wisse, dass Gorleben aus sachlichgeologischen Gründen auszuschließen sei,

(Detlef Tanke [SPD]: Das weiß jeder!)

und in der Annahme, Herr Tanke hätte recht, ob dann nicht erstens Gorleben in einem geordneten Verfahren nach dem Endlagersuchgesetz sowieso ausgeschlossen werden würde, ob zweitens daher gar keine Gefahr bestünde, Gorleben jetzt in ein offenes, transparentes Verfahren einzubeziehen, und ob drittens das Ganze nur noch als politische Taktiererei vonseiten der SPD zu werten ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Gucken Sie doch mal die Gesetzentwürfe an! Es ist kein faires Verfahren!)

Herr Minister!

Herr Präsident! Herr Försterling! Meine Damen und Herren! Ja, genau so ist es. Genau so sehe auch ich das. Wenn es tatsächlich so wäre, dass es die geologischen, fachlichen Kriterien sind, die dazu führen müssten, dass man Gorleben schon heute ausschließen muss, dann würde das selbstverständlich in dem vorgesehenen Verfahren zum Tragen kommen und müsste schon dort fachlich dazu führen, dass Gorleben auszuschließen ist.

Das heißt, wenn man wirklich der Überzeugung ist, das dieser Standort aus wissenschaftlichen Gründen ungeeignet ist, dann braucht man keine Sorge zu haben, weil der Standort dann im Verfahren ohnehin herausfällt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aber doch nur in einem sauberen Verfahren! Sa- gen Sie mal was zu den öffentlichen Belangen!)

Insofern ist diese Positionierung für mich nicht nachvollziehbar. Ich bleibe dabei: Die Isolation der SPD ist verantwortungslos, gefährdet den gesamten Prozess und ist dringend aufzuheben. Herr Tanke, nutzen Sie die Sommerpause. Das ist eine schöne Gelegenheit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es scheint keine weiteren Fragen zu geben, bzw. die Fragemöglichkeiten sind erschöpft.

Ich rufe deshalb Tagesordnungspunkt 28 b auf:

Wird durch die Reform der Wasserstraßen Niedersachsen abgehängt? Was tut die Landesregierung? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/5020