Protocol of the Session on July 19, 2012

Diese Äußerung zeigt klar Ihre Prioritäten, die darauf liegen, einseitig die Interessen der Arbeitgeber zu sichern. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Wir brauchen ein Beschäftigtendatenschutzgesetz und kein Arbeitgeberdatensammelerlaubnisgesetz.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz, das seinen Namen verdient, das Massendatenscreening verbietet, das Videoüberwachung nur in sehr engen Grenzen und unter Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen zulässt, das die Kritik der Gewerkschaften und Datenschützer berücksichtigt, das die Kontrolle

von Telefonaten und E-Mails auf ein absolutes Minimum reduziert, das die Fragestellungen berücksichtigt, die sich aus der Nutzung sozialer Netzwerke ergeben, das die Befugnisse der Datenschutzbeauftragten und der Arbeitnehmervertretung im Bereich Datenschutz stärkt, das ein Verbandsklagerecht vorsieht und das die Grundrechte der Beschäftigten im Bereich Datenschutz wirklich sichert, statt der Arbeitgeberseite größtmögliche Spielräume für Überwachung, Kontrolle und Datenauswertung zu geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, der aktuell im Bundestag vorliegende Entwurf zementiert nur Missstände und verbessert die Situation im Bereich Datenschutz der Beschäftigten nicht. Darum sollten Sie unserem Antrag zustimmen. Sie sollten den aktuellen Gesetzentwurf über Ihre Bundestagsfraktion stoppen, notfalls, wenn es dann da nicht funktioniert, über die Landesregierung im Bundesrat. Sie sollten dafür Sorge tragen, dass es im Dialog aller Bundestagsfraktionen einen neuen Anlauf gibt. Entschließungsanträge oder Gesetzentwürfe liegen dazu aus allen Fraktionen vor.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redebeitrag kommt von Frau Leuschner für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort, Frau Leuschner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion unterstützt den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf sofortige Abstimmung. Ich denke, dass die Argumente in diesem Sachverhalt eindeutig ausgetauscht sind.

Sie haben eben dargestellt, worum es im Einzelnen geht. Wir haben bereits im Jahr 2009 ganz bestimmte Skandale gehabt. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es zum Teil per Zufall überhaupt erst an die Öffentlichkeit gelangt ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bespitzelt und ausgeforscht wurden und dass die einzelnen Unternehmen überhaupt keine Rücksicht auf Arbeitnehmerrechte und den persönlichen Datenschutz genommen haben.

Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden ge

filmt, Videoüberwachung war gang und gäbe, und persönliche Daten wurden widerrechtlich verwendet, Telefonate mitgeschnitten und E-Mails mitgelesen. Durch diese Skandale wurde deutlich, dass es notwendig ist, im Arbeitnehmerdatenschutz endlich etwas voranzutreiben, und dass da vieles im Argen liegt.

Meine Damen und Herren, die Unternehmen begründen die einzelnen Überwachungsmaßnahmen nach wie vor stets damit, dass es notwendig sei, den Betriebsablauf besser kontrollieren zu können und eventuelle Pflichtverletzungen künftig besser zu ahnden. Da wird allein der Verdacht in den Mittelpunkt gestellt, nicht die Tatsache, dass man wirklich Erkenntnisse über Pflichtverletzungen hat. Das können wir so nicht dulden.

Ich erinnere noch einmal an die Skandale, die bei der Deutschen Bahn, bei Lidl, bei der Telekom und jetzt auch aktuell wieder in den Aldi-Filialen stattgefunden haben. Da werden aus Sicht unserer Fraktion Arbeitnehmerrechte mit den Füßen getreten, und das muss zwingend geändert werden.

(Beifall bei der SPD - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ja, da hast du aber recht!)

Jetzt aber einfach einmal die Handlungsebene, meine Damen und Herren: Bereits 2009 hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zum Schutz der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eingebracht, dem die Bundesregierung nicht folgen wollte. Wir wollten ein eigenes Beschäftigtendatenschutzgesetz und keinen - ich sage das mal so salopp - Wurmfortsatz, also etwas, was an das Datenschutzgesetz angekoppelt und im Grunde genommen in den einzelnen Punkten ein Arbeitnehmerüberwachungsgesetz ist. Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, die sich zu dem Thema zu Wort gemeldet haben, haben das eindeutig zum Ausdruck gebracht und gesagt, dass das Eckpunktepapier der Fraktionen von CDU/CSU und FDP sogar eine Verschlechterung darstellt. Das heißt, man hat den Gesetzentwurf durch das Eckpunktepapier noch weiter verschärft. Das können wir nicht hinnehmen.

Meine Damen und Herren, in der Anhörung im Innenausschuss haben Expertinnen und Experten unsere Position untermauert. Ich will nur einmal meinen Kollegen Josip Juratovic zitieren, der Ende September letzten Jahres gesagt hat: „Derzeit ist dieser Gesetzentwurf nämlich eher ein Arbeitnehmerüberwachungsgesetz.“

Frau Flauger hat es eben schon ausgeführt: Man kann ohne Verdacht Detektivinnen und Detektive in Betriebe reinführen und versuchen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszuspionieren. Das Entscheidende ist, dass das flächendeckend ohne Verdacht stattfinden, sich auf den ganzen Betrieb beziehen kann und an den Betriebs- und Personalräten vorbeigeht. Das können wir nicht hinnehmen. Deswegen wollen wir, dass endlich ein neues Arbeitnehmerdatenschutzgesetz im Interesse der Beschäftigten vorgelegt wird. Die Verweigerungshaltung ist wie eine Mauer. Das können wir nicht weiter hinnehmen.

Die Regelungen gehen sogar so weit, dass Ortungssysteme in großen Betrieben eingesetzt werden, sodass jederzeit nachvollzogen werden kann, wo sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin aufhält. Auch Pausenräume sind nicht geschützt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das stimmt doch nicht!)

Das muss endlich verändert werden. Es muss sich endlich etwas tun; das können wir so nicht weiter dulden. Deswegen stimmen wir dem Änderungsantrag der Fraktion der Linken zu, in dem erhebliche Konkretisierungen enthalten sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Jahns für die CDUFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Jahns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschäftigtendatenschutz ist in der Bundesrepublik Deutschland auf einem guten Weg. Wir haben eben von den Kolleginnen gehört, dass es in der Vergangenheit einige Datenskandale gegeben hat: bei Lidl, bei der Deutschen Bahn, bei der Telekom und auch - darauf wurde eben noch einmal hingewiesen - bei Aldi. Auch wir finden diese Skandale selbstverständlich unmöglich.

Meine Damen und Herren, hier müssen natürlich beide Seiten berücksichtigt werden, sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite. Ich darf Ihnen an dieser Stelle sagen: Wir, die Fraktionen von CDU und FDP im Niedersächsischen Landtag, sind sehr froh darüber, dass es den Gesetzentwurf auf Bundesebene gibt. Sie tun hier ja

so, als wenn sich in den letzten Jahren seit Aufdeckung dieser Skandale nichts getan hätte.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ver- dammt wenig!)

Auf Bundesebene - das haben Sie selbst durch Ihren Änderungsantrag noch einmal deutlich gemacht - gibt es bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf, der viele Regelungen enthält, die sich mit dem Beschäftigtendatenschutz, aber natürlich auch mit den Arbeitgeberinteressen befassen. Deswegen sind wir der festen Überzeugung, dass dieses Thema auf der Bundesebene gut angesiedelt ist und sehr positiv vorangebracht werden wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich haben im Rahmen der Gesetzesberatungen auf Bundesebene auch Anhörungen stattgefunden. Selbstverständlich hat es Änderungswünsche und Anregungen gegeben, sodass dieser Gesetzentwurf noch einmal überarbeitet worden ist. Aber das ist nach unseren Erfahrungen bei jedem Gesetzentwurf so: Kein Gesetzentwurf kommt so aus dem Parlament heraus, wie er eingebracht wurde. Wir unterstützen natürlich die Bundesregierung dabei, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf der einen Seite müssen die Datenschutzinteressen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden - insbesondere soll hinsichtlich der Kontrollmaßnahmen Rechtssicherheit bestehen -, aber auf der anderen Seite muss auch daran gedacht werden, dass die Arbeitgeber die Chance haben müssen, den Arbeitsablauf zu kontrollieren, um Unregelmäßigkeiten zu überprüfen.

Ich will einige Punkte ansprechen, die wohl noch zu Diskussionen führen werden, insbesondere die Telefonüberwachung und die eben angesprochenen Ortungssysteme. Hier muss es z. B. möglich sein - das ist angeführt worden -, festzustellen, wo sich Lkw-Fahrer befinden, um in Erfahrung zu bringen, ob sie wirklich ihren Arbeitsweg einhalten und nicht von ihrem Auftrag abweichen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber es muss natürlich auch darauf geachtet werden, dass im Rahmen von Einstellungsverfahren die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Es muss Rechtssicherheit geschaffen werden mit Blick auf die Frage, welche Fragen im

Einstellungsverfahren gestellt werden dürfen. Es wurde immer wieder kritisiert, dass Frauen, die sich um Arbeitsstellen beworben haben, gefragt wurden, ob sie schwanger sind. Manche Arbeitgeber haben auch bestimmte ärztliche Untersuchungen angestrebt. Diese Dinge müssen in einem Beschäftigtendatenschutzgesetz festgelegt werden. Es muss Rechtssicherheit darüber geschaffen werden, welche Daten erhoben und gespeichert werden dürfen und wie lange sie aufbewahrt werden dürfen.

Meine Damen und Herren, in gewissen Betrieben besteht auch die Notwendigkeit, biometrische Daten zu erheben - z. B. Augen- oder Fingerabdrücke -, z. B. wenn Forschungsergebnisse der Geheimhaltung unterliegen. Diese Dinge müssen in Deutschland möglich sein. Wir sind hier doch alle in der Verantwortung und wollen unsere Wirtschaft auch weiterhin auf gute Füße stellen.

Aber selbstverständlich haben auch wir ein Interesse daran, dass die Beschäftigten und Arbeitnehmer in Deutschland sicher sein können, dass mit ihren Daten sorgfältig umgegangen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage es noch einmal: Im Rahmen der Gesetzesberatung auf Bundesebene sind viele Änderungswünsche geltend gemacht worden. Sie haben es vorhin selber angeführt, Frau Flauger: Sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeberverbände haben viel Kritik geübt. Das ist doch das beste Zeichen dafür, dass man sich wirklich bemüht, die Abwägung aller Interessen zu gewährleisten und auch allen irgendwo ein Stückchen entgegenzukommen.

Selbstverständlich hat für uns dabei die Wahrung der Grundrechte die erste Priorität. Deswegen werden wir - das haben Sie ja auch gefordert - als Land Niedersachsen bzw. wird die Landesregierung den gesamten Beratungsprozess auf Bundesebene sorgfältig mit begleiten. Aber hier im Niedersächsischen Landtag ist dieser Antrag nicht richtig angesiedelt.

Ich denke, Sie sehen es genauso - sie haben ja einen entsprechenden Änderungsvorschlag eingebracht -: Dieser Gesetzentwurf ist auf Bundesebene richtig angesiedelt. Die Bundesregierung entscheidet. Sie haben wie die Interessenvertreter die Möglichkeit, wie bisher mit Ihren Fraktionen auf Bundesebene zu sprechen und Ihre Anregungen und Bedenken einzubringen. Von daher sind wir

fest davon überzeugt, dass es am Ende ein gutes Gesetz geben wird.

Ich freue mich, dass wir in Deutschland eine Demokratie haben und unsere Grundrechte gewahrt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Henning Adler [LINKE]: Wenn die Grundrechte gewahrt werden sol- len, dann müssen Sie zustimmen!)

Zu dem Beitrag von Frau Jahns sind zwei Kurzinterventionen beantragt worden, zunächst von Frau Leuschner und danach von Frau Flauger. Frau Leuschner, bitte schön!

Kollegin Jahns, Ihre Einlassung, dass Sie uns als Parlament das Recht absprechen wollen, initiativ zu werden und der Bundesregierung sozusagen Flügel zu verleihen, hat mich doch gewundert. Denn das ist notwendig. Sie haben gesagt, momentan finde noch ein Abwägungsprozess statt. - Das ist ja schön. Ich weiß nicht, woher Sie Ihren Optimismus nehmen. Momentan ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ausgesprochen konservativ und arbeitnehmerfeindlich.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)